Magnetsturm am Wochenende: Die Infrastruktur hat den Härtetest bestanden

Stromnetze und Satellitensysteme haben den heftigen Magnetsturm am Wochenende offenbar gut überstanden.

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Visualisierung des Magnetsturms

(Bild: NASA)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Am Wochenende ereignete sich ein extrem heftiger geomagnetischer Sturm. In ganz Deutschland waren Nordlichter zu sehen, das Observatorium auf Puerto Rico in der Karibik meldete die erste Nordlichtsichtung seit 1921. Davor gab es zuletzt 1859 Nordlichter auf Puerto Rico beim Carrington-Event, der Mutter aller geomagnetischen Stürme. Dieser Sturm gehört also in die Reihe der ganz großen Ereignisse.

Das kommt nicht überraschend. Derzeit ist die Sonne in einem Aktivitätsmaximum ihres elfjährigen Zyklus. Im Laufe der letzten zwei Wochen bildete sich auf der Sonne eine sehr große und magnetisch komplexe Fleckengruppe, die immer heftigere Röntgenstrahlungsausbrüche produzierte. Je stärker solche Ausbrüche werden, desto höher wird das Risiko, dass es zu einer CME (Coronal Mass Ejection, koronaler Masseauswurf) kommt. Just in dem Moment, als der Sonnenfleck in einer günstigen Position war, um die Erde zu treffen, ereignete sich eine ganze Reihe schwerer Ausbrüche mit kräftigen koronalen Masseauswürfen.

Die US-Wetterbehörde NOAA beobachtet das Weltraumwetter sehr genau, denn schwere Ausbrüche können Satelliten, Stromnetze, Navigationssysteme und Funkübertragungen in Mitleidenschaft ziehen. Nach der Analyse von Satellitenaufnahmen gab die NOAA eine Warnung vor einem schweren Sturm heraus, Kategorie 4 von 5. Das passierte zuletzt vor über 20 Jahren und war schon ein erster Hinweis darauf, dass der Sturm diesmal besonders heftig ausfallen könnte. Aber es kam noch schlimmer: Als die Massewolken die Erde erreichten, erreichte der Wert für die magnetische Unruhe gleich in mehreren Dreistundenabschnitten Kategorie 5.

Eine Animation auf den Seiten der NOAA sagt Schockwellen auf dem Weg zur Erde vorher.

(Bild: NOAA)

Heftige Ausbrüche rufen mitunter auch einen Strahlungssturm hervor. Die Sonne stößt dann große Mengen Protonen aus, die mit einer Energie von 10 MeV oder mehr in der Hochatmosphäre einschlagen. Das führt zu einem totalen Blackout der Kurzwellenkommunikation in polaren Breiten, was aber aufgrund der wenigen Nutzer kaum jemand bemerkt. Schlimmer trifft es da Satelliten: Deren Elektronik kann gestört, die Solarpanels sogar nachhaltig beschädigt werden. Von Protonen vorübergehend geblendete Bildsensoren oder kippende Bits in Speichereinheiten können bis zum Verlust von Satelliten führen. Zwar stieg die Zahl der Protonen auch bei diesem Ereignis an, aber nur sehr gering. Möglicherweise verhinderte das größere Schäden, denn ein Magnetsturm verringert den Schutz von Satelliten vor einem Strahlungssturm durch das irdische Magnetfeld, das einen Teil der geladenen Teilchen ablenkt.

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Ins Rudern kam allerdings das Satellitensystem von Starlink. Die zusätzliche Energie von der Sonne führt dazu, dass sich die Ionosphäre erwärmt und ausdehnt. Das bremst niedrig fliegende Satelliten (LEO, Low Earth Orbit) ab und zwingt dazu, den Geschwindigkeitsverlust mit den Triebwerken auszugleichen, damit sie nicht auf eine niedrigere Bahnhöhe absinken, wo sie wiederum stärker abgebremst werden. Auch wenn das Satellitensystem nach diesem Ereignis wieder normal funktioniert, könnte sich die Lebensdauer der Satelliten verkürzt haben, falls ungeplant viel Treibstoff für Bahnkorrekturen verbraucht wurde. Die Verbindung zu den Starlink-Satelliten, über deren schlechte Qualität viele Nutzer klagten, wurde während des Sturms vermutlich durch die extrem aktive Ionosphäre gestört, die Funksignale beugt und dämpft.

Polarlichter waren am Wochenende bis weit in südliche Breiten zu sehen.

(Bild: NOAA)

Die höher fliegenden GPS-Satelliten werden nicht von der Hochatmosphäre abgebremst, das System büßt während schwerer Stürme aber trotzdem an Genauigkeit ein. Das liegt daran, dass die Signale die bei einem Magnet- oder Strahlungssturm hochangeregte Ionosphäre durchqueren müssen und dabei gedämpft oder abgelenkt werden. Im mittleren Westen der USA konnten Landwirte ihre Saat nicht ausbringen, weil sich die GPS-Störungen selbst mit Differential GPS (DGPS) nicht mehr ausgleichen ließen und ihre Traktoren deshalb aus der Spur geraten wären. Autonavigationsgeräte ließen sich von den Ungenauigkeiten aber nicht beeindrucken, betroffen waren lediglich Anwendungen, die höchste GPS-Genauigkeit benötigen.

Für das Messprotokoll des Magnetometers in Juliusruh war der Sturm am Wochenende ein Off-Scale-Event.

(Bild: IAP Kühlungsborn)

Ein weiterer möglicher Problempunkt sind Stromverbundnetze, die sich über tausende Kilometer erstrecken. Schnelle und heftige Schwankungen im Magnetfeld der Erde können große Ströme in diese Systeme induzieren, die die Transformatoren an den Leitungsenden überlasten können. Schaltet man sie ab, um sie zu schützen, kann das zu Stromausfällen führen. Offenbar waren die Vorkehrungen der Betreiber weltweit erfolgreich, denn bislang gab es keine Berichte über größere Stromausfälle. Zuletzt gab es 2003 in Schweden und Südafrika regionale Stromausfälle, 1989 saßen in der kanadischen Provinz Quebec 6 Millionen Menschen im Dunkeln.

Offenbar haben Stromnetze und Satelliten den Härtetest gut überstanden. Das heißt aber nicht, dass von der Sonne keine Gefahr droht. Ein Jahrtausendereignis, also ein perfekter Sturm, in dem sich mehrere koronale Masseausbrüche vereinen, die Erde genau treffen und von einem heftigen Strahlungssturm begleitet werden, könnte massive Schäden verursachen. Aber die Wahrscheinlichkeit dafür ist extrem gering. Den Jahrhundertsturm vom Wochenende hat die Infrastruktur schon einmal gut überstanden.

(uma)