Europäische "IT-Agentur für Freiheit, Sicherheit & Recht" nimmt Gestalt an

Die EU lotet die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Einrichtung der nicht unumstrittenen zentralen Agentur für die Verwaltung europäischer Fahndungs- und Personendatenbanken aus. Die Organisation soll 2012 ihre Arbeit aufnehmen können.

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Von
  • Detlef Borchers

Der Rat der Europäischen Union hat seine Pläne für eine zentrale IT-Agentur für den Betrieb der Fahndungs- und Personendatenbanken laut einem Dossier (PDF-Datei) konkretisiert. Demnach soll die offiziell "IT-Agentur für Freiheit, Sicherheit & Recht" getaufte Organisation 2011 gegründet werden und bereits 2012 einsatzbereit sein. Die Agentur soll wahrscheinlich in Frankreich installiert werden, weil dort derzeit mit dem noch immer im Aufbau befindlichen SIS II-System in Straßburg die größte Fahndungsdatenbank Europas entsteht.

Das EU-Dossier über die "Errichtung einer Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht" beschäftigt sich in erster Linie mit den rechtlichen Rahmenbedingungen und den nötigen Beschlüssen, die vor der Errichtung der IT-Agentur verabschiedet werden müssen. Außerdem skizziert es die besonderen rechtlichen Rahmenbedingungen, die in einigen europäischen Ländern wie Großbritannien, Dänemark und der Schweiz geändert werden müssen, damit eine solche IT-Agentur existieren kann.

Der Arbeitsauftrag der Agentur ist dabei nur knapp als Betriebsmanagement der Sicherheitsdatenbanken beschrieben: "Der Agentur soll das langfristige Betriebsmanagement des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II), des Visa-Informationssystems (VIS) und von EURODAC übertragen werden." Darüber hinaus soll der Agentur "ein Rahmen für die Entwicklung und das Betriebsmanagement anderer IT-Großsysteme" vorgegeben werden, darunter auch solche, "die den Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht betreffen". Das heißt, dass die Agentur auch weitere Fahndungs- und Personendatenbanken verwalten kann, sobald diese auf europäischer Ebene beschlossen werden.

In dem Dossier wird eine in Auftrag gegebene Studie erwähnt, in der fünf verschiedene Möglichkeiten durchgespielt worden sind, wie eine solche Agentur arbeiten könnte. Zu diesen Möglichkeiten gehörte neben der Errichtung einer IT-Agentur unter Aufsicht des EU-Rates die Übernahme des IT-Managements durch die "Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen" (FRONTEX oder durch die europäische Polizeibehörde EUROPOL. Nach der Konsultation von 27 Experten entschieden die Autoren der Studie, dass die Einrichtung einer eigenen Regulierungsagentur für das Betriebsmanagement die beste Option sei. Eine solche Zentralbehörde könne dem Dossier zufolge kostengünstig mit einem jährlichen Etat von 39,4 Millionen Euro arbeiten, die Einrichtungskosten für die Jahre 2011 und 2012 würden 68,2 Millionen Euro betragen.

Nicht im Dossier berücksichtigt sind die Vorbehalte, die einzelne EU-Länder gegen die Errichtung einer solchen IT-Agentur haben. Zu diesen Ländern gehört die Bundesrepublik Deutschland. Auf dem europäischen Polizeikongress sprach sich Ole Schröder (CDU), der parlamentarische Staatssekretär des Bundesinnenministeriums, gegen den Aufbau einer weiteren Behörde aus. Man brauche keine IT-Agentur und könne die Datenbanken von den Organisationen managen lassen, die derzeit damit beschäftigt sind, erklärte Schröder. Derzeit werden SIS I und VIS von den Polizeibehörden der Mitgliedsstaaten gemeinsam betrieben, während EURODAC von der europäischen Kommission betreut wird. Dagegen befürwortet der europäische Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx eine zentrale, aber unabhängige Agentur grundsätzlich, sofern es klare Zuständigkeiten gebe.

Das Dossier schweigt sich auch darüber aus, in welchem Land die neue IT-Agentur für Freiheit, Sicherheit & Recht ihren Sitz haben soll. Im Gespräch waren nacheinander Estland, Litauen, Österreich und Frankreich. Dem Vernehmen nach hat Frankreich die besten Chancen, weil in Straßburg das Rechenzentrum für SIS II eingerichtet wurde. Auch Österreich rechnet sich Chancen aus, weil das Backup-Rechenzentrum im österreichischen St. Johann steht. Für den Aufbau der beiden Systeme wurden bislang 60 Millionen Euro ausgegeben. (vbr)