Petition an den Bundestag für ein Recht auf Leben ohne Digitalzwang

Am Tag des 75. Jubiläums des Grundgesetzes hat Digitalcourage eine Petition an den Bundestag aufgelegt, das Recht auf ein Leben ohne Digitalzwang zu verankern.

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Zwei Hände halten ein Smartphone

Der DB Navigator ist für Digitalcourage ein Beispiel für übermäßige Digitalisierung.

(Bild: Deutsche Bahn)

Lesezeit: 3 Min.

Der Verein Digitalcourage hat eine Petition an den Deutschen Bundestag initiiert, er solle das Recht auf Leben ohne Digitalzwang ins Grundgesetz aufnehmen. "An immer mehr Stellen werden wir genötigt, uns einzuloggen, online zu registrieren oder eine App herunterzuladen – und dabei immer mehr persönliche Daten preiszugeben", erläutert Rena Tangens, Gründerin und Vorstand des Vereins. Dadurch würden viele Menschen ausgeschlossen, alte oder kranke Menschen, Menschen mit Behinderung und Menschen mit geringem Einkommen.

Zudem würden immer mehr Daten gesammelt, die es ermöglichten, alle Lebensbereiche zu überwachen. Die Menschen sollen frei entscheiden können, ob sie eines besitzen und wann sie mit einem solchen Gerät unterwegs sein wollen. "Wir wollen auch frei entscheiden können, welche Software und welches Betriebssystem wir auf unseren Geräten installieren", heißt es in der Petition. Digitalcourage weist darin darauf hin, dass die gesellschaftliche Abhängigkeit von digitalen Lösungen riskant sei. Es sei gut, wenn immer noch ein nicht-digitaler Weg zur Verfügung stehe.

Als ein Beispiel für den Digitalzwang führt Digitalcourage die Praktiken der Deutschen Post DHL auf, für die der Verein dem Unternehmen voriges Jahr einen seiner Negativpreise Big Brother Award vergab. Fächer einiger Packstationen lassen sich nur noch mit Smartphone öffnen. Überdies nutzt die Post Smartphones der Kundschaft, um eine Verbindung zur Leitzentrale herzustellen. Auch die Arzttermin-Plattform von Doctolib sehen die Datenschutzaktivisten von Digitalcourage kritisch. Ebenfalls monieren sie die Deutsche Bahn, die Menschen nötige, die App DB Navigator zu benutzen. 2022 hat Digitalcourage am Landgericht Frankfurt am Main gegen ausgiebiges Tracking der App Klage eingereicht.

Digitalcourage hat die Petition an den Bundestag anlässlich des heutigen 75. Geburtstag des Grundgesetzes ins Leben gerufen. Die Wahrnehmung der Grundrechte und der Daseinsvorsorge, die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und die Nutzung der öffentlichen Infrastruktur dürfe nicht davon abhängig gemacht werden, dass Menschen das Internet, ein Smartphone oder bestimmte Software benutzen.

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"Es gibt Leute, die behaupten, das sei ein Problem, das irgendwann 'wegsterben' würde. Das ist nicht nur zynisch, sondern auch schlicht falsch", sagt Tangens. Der Digitalzwang betreffe nicht nur Seniorinnen, sondern auch Menschen, die ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung ernst nehmen, die nicht wahllos Apps auf ihrem Gerät installieren möchten und nicht bei jeder alltäglichen Handlung eine Datenspur hinterlassen wollen. Auch wer alternative Betriebssysteme nutzt oder bewusst App-Stores großer Anbieter ablehne, werde von digitalen Angeboten ausgeschlossen.

Gegen eine "durchdachte, datenschutzfreundliche Digitalisierung" hat Digitalcourage nichts einzuwenden, wenn gleichzeitig analoge Zugänge bestehen. Digitalisierung scheine aber "für viele zu bedeuten: Wir machen jetzt eine App und bieten alle unsere Dienste nur noch darüber an", meint Julia Witte von Digitalcourage. Mit Kreativität und Weitsicht könnten bessere, inklusivere Lösungen gefunden werden.

"Die Zeit drängt, denn immer mehr analoge Dienste, die uns bisher zur Verfügung standen, werden abgeschafft", sagte Tangens. Diese Infrastruktur später wieder aufzubauen, werde schwierig, wenn sie erst einmal verschwunden ist. Der Verein betont, er werde die Möglichkeit bieten, die Petition auch offline auf Papier zu unterzeichnen.

(anw)