Juristische Auseinandersetzungen belasten Microsoft-Ergebnis

Ein eher langweiliger Geschäftabschnitt hätte das dritte Quartal für Microsoft sein können, hätte es nicht diverse juristische Auseinandersetzungen gegeben -- und mit finanziellen Belastungen verbundene Einigungen.

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Von
  • Jürgen Kuri

Ein eher langweiliger Geschäftabschnitt hätte das dritte Quartal für Microsoft sein können, hätte es nicht diverse juristische Auseinandersetzungen gegeben -- und mit finanziellen Belastungen verbundene Einigungen. Der Umsatz von Microsoft ging im dritten Quartal im Vergleich zum gleichen Vorjahresquartal um 17 Prozent nach oben auf 9,18 Milliarden US-Dollar. Der Netto-Gewinn -- unter Einrechnung des neuen Aktienprogramms für Angestellte, das zu einer stärkeren Belastung der Bilanzen führt -- sank allerdings auf 1,32 Milliarden US-Dollar (12 US-Cent Pro Aktie). Im Vorjahr lag der Gewinn noch bei 2,14 Milliarden US-Dollar (20 US-Cent pro Aktie), wäre die Bilanz bereits unter Berücksichtigung des neuen Aktienprogramms erstellt worden.

Bislang hatte Microsoft selbst für das dritte Quartal bei der Vorstellung der Zahlen für das zweite Quartal mit einem Umsatz von 8,6 bis 8,7 Milliarden US-Dollar und einem Gewinn von 23 bis 24 Cent pro Aktie (unter Einschluss von 5 Cent pro Aktie Belastung für das Aktienprogramm) gerechnet. Der Gewinn des dritten Quartals wird aber nicht nur durch das Aktienprogramm mit 748 Milllionen US-Dollar belastet, sondern auch durch Kosten für Wettbewerbsverfahren beziehungsweise außergerichtliche Einigungen mit Konkurrenten. Insgesamt 2,53 Milliarden US-Dollar Belastungen in der Bilanz gehen auf Kosten der Einigung mit Sun und auf die für die durch die EU-Kommission verhängte Geldstrafe im Kartellrechtsverfahren. Unter Ausschluss dieser Faktoren übertraf Microsoft nicht nur beim Umsatz, sondern auch beim Gewinn die Erwartungen.

Angesichts der hohen außergewöhnlichen Belastungen wundert es nicht, dass sich Microsoft-Finanzchef John Connors trotz gesunkenen Gewinns ausgesprochen zufrieden zeigte: Man habe herausragende Resultate auf Grund starker Nachfrage in allen Produktsegmenten erzielt. Insgesamt seien die IT-Investitionen der Firmen wieder gestiegen, Microsoft erwarte nun eine gesunde Nachfrage für den Rest des Geschäftsjahrs. Die Freude von Connors teilten die Investoren offensichtlich: Zu Beginn des nachbörslichen Handels in den USA kletterte das Microsoft-Papier um über 5 Prozent.

Der Bereich Information Worker (unter anderem zuständig für das Office-Paket) legte beim Umsatz um 18 Prozent auf 2,74 Milliarden US-Dollar zu; die Lizenzverkäufe von Office 2003 seien fünf Mal so hoch wie bei Office XP in den ersten 5 Monaten nach der Freigabe. Die Sparte Server and Tools (unter anderem Windows Server 2003, Visual Studio, Exchange, SQL Server) steigerte den Umsatz um 19 Prozent auf 2,18 Milliarden US-Dollar; Windows Server 2003 habe bei den neu verkauften Lizenzen um 31 Prozent zugelegt, meinte Microsoft. Die Client-Sparte (alle Windows-Betriebssysteme) steigerte den Umsatz von 2,53 auf 2,93 Milliarden US-Dollar. Die Internet-Abteilung MSN sei mit einem operativen Gewinn von 107 Millionen US-Dollar profitabel gewesen, hieß es in Redmond; der Umsatz lag um 16 Prozent über dem gleichen Vorjahresquartal bei 591 Millionen US-Dollar.

Und auch wenn Microsoft keine Gewinne mit der ersten Generation der Spielkonsole Xbox erwartet, so freut sich der Konzern doch über die Verkäufe -- zeugen sie doch davon, dass Microsoft eine Marktposition erreicht hat, von der aus man dann mit der Xbox 2 die Gewinnzone anstreben will. Die Umsätze des Bereichs Home and Entertainment kletterten jedenfalls von 453 auf 530 Millionen US-Dollar; die Verkäufe der Xbox-Konsole und zugehöriger Spiele allein stiegen um 35 Prozent auf 81 Millionen US-Dollar. Die gesamte Unterhaltungssparte machte einen operativen Verlust von 2o9 Millionen US-Dollar.

Die von Connors bereits für das nächste Jahr erwarteten schwierigeren Geschäfte mit Firmenkunden zeigten sich in dieser Bilanz kaum: Der deferred revenue (bei Microsoft als unearned revenue geführt und im deutschen Rechnungswesen passiver Rechnungsabgrenzungsposten genannt) stieg in diesem Quartal leicht (im Jahresvergleich von 2,46 auf 2,79 Milliarden US-Dollar; im Vorquartal lag er bei 2,77 Milliarden US-Dollar). Als deferred revenue bezeichnet man Umsätze vor allem mit Firmenkunden, die auf Grund von Service-Verträgen, die über mehrere Jahre gelten, oder beispielsweise länger laufende Lizenz-Abschlüssen zwar schon gemacht wurden, auf Grund der langen Laufzeit der Verträge aber erst über die eigentliche Zeitspanne der Vereinbarungen hinweg realisiert und verbucht werden.

Im Vergleich der ersten neuen Monate dieses zum vorherigen Geschäftsjahr sank der deferred revenue von 9,05 auf 7,78 Milllionen US-Dollar, der Rückgang wirkte sich im abgelaufenen Quartal allerdings nicht so stark aus wie allgemein befürchtet. Aber auch Microsoft rechnet damit, dass es immer schwieriger wird, deferred revenue zu erzielen. Die Kunden lassen sich nun nicht mehr so leicht davon überzeugen, neue langfristige Lizenzverträge einzugehen. Im vergangenen Jahr meinte Microsoft, dass sich bei diesem Posten Sicherheitslücken sowie Viren- und Wurm-Angriffe bei Windows-Software direkt auf die Bilanzen auswirkten. Mittlerweile machen einige Analysten aber auch die stärkere Konkurrenz etwa des Open-Source-Systems Linux für die Schwierigkeiten bei den deferred revenues verantwortlich -- dieser Bilanzposten wird auch in Zukunft von den Investoren und Analysten genau beobachtet werden.

Wie Microsoft mit dem gigantischen Berg an liquiden Mitteln von -- in der Bilanz des dritten Quartals ausgewiesenen -- 56,407 Milliarden US-Dollar umgehen will, dazu möchte der Konzern erst später Stellung nehmen: Auf dem regulären Meeting mit Analysten am 29. Juli soll dies nach früheren Ankündigungen genauer diskutiert werden. Immerhin zeigten sich die Rücklagen schon als gutes Polster für die Bereinigung einiger juristischer und eher politischer Querelen: Die Einigung mit Sun beispielsweise kostete ja bereits 1,9 Milliarden US-Dollar, Intertrust bekommt noch 440 Millionen US-Dollar für die Nutzung von Patenten im Bereich des Digital Rights Managements. Auch die Beilegung des Rechtsstreits in Minnesota wird auch noch einige Dollars kosten und die Strafe von nahezu 500 Millionen Euro, die die EU gegen Microsoft verhängt hat, ist trotz aller Beschwerden aus Redmond noch nicht vom Tisch und belastet die Bilanz. All diese und eventuelle weitere Kosten für die Beilegung von Rechtsstreitigkeiten bringen Microsoft aber noch lange nicht an den Bettelstab, ja lassen nicht einmal die liquiden Reserven nennenswert zusammenschmelzen -- so wird der Druck auf Microsoft immer größer, entweder die Dividende zu erhöhen oder ein größeres Aktienrückkaufprogramm aufzulegen.

Umsatz- und Gewinnentwicklung bei Microsoft in US-Dollar
(Das Geschäftsjahr beginnt jeweils im Juli)

Quartal Umsatz Nettogewinn
3/00 5.660 Mio. 2.390 Mio.
4/00 5.800 Mio. 2.410 Mio.
1/01 5.800 Mio. 2.200 Mio.
2/01 6.590 Mio. 2.620 Mio.
3/01 6.460 Mio. 2.450 Mio.
4/01 6.580 Mio. 66 Mio.
1/02 6.130 Mio. 1.280 Mio.
2/02 7.740 Mio. 2.280 Mio.
3/02 7.250 Mio. 2.740 Mio.
4/02 7.250 Mio. 1.530 Mio.
1/03 7.750 Mio. 2.730 Mio.
2/03 8.540 Mio. 2.550 Mio.
3/03 7.840 Mio. 2.790 Mio.
4/03 8.070 Mio. 1.920 Mio.*
1/04 8.220 Mio. 2.610 Mio.*
2/04 10.150 Mio. 1.550 Mio.*
3/04 9.180 Mio. 1.320 Mio.*
* Gewinne unter Bilanzierung des neuen Aktienprogramms für Microsoft-Mitarbeiter