Auf dem Weg zur "digitalen Fabrik"

Diese Zukunftsvision lässt die Herzen der Industriemanager höher schlagen: Eine "digitale Fabrik", in der Computerprogramme alle Arbeitsschritte steuern und miteinander kommunizieren.

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Von
  • Amélie Fidric
  • dpa

Diese Zukunftsvision lässt die Herzen der Industriemanager höher schlagen: Eine "digitale Fabrik", in der Computerprogramme alle Arbeitsschritte steuern und miteinander kommunizieren. Von einer Abteilung zur anderen übermittelt die Software relevante Informationen wie Bestellmenge und Farbe des Produktes, aber auch die Zahl der anwesenden Mitarbeiter oder der dafür geeigneten Maschinen. Im vernetzten Unternehmen sollen auch einzelne Abläufe kontrollierbar sein: Meldet der Montage-Roboter einen Mangel an Sicherheitsgurten, wird der Lieferant automatisch benachrichtigt. Auf der Industriemesse in Hannover ist die "Digitale Fabrik" mit 150 Ausstellern ein Schwerpunkt. Ein "Jobkiller" solle die neue Unternehmenswelt aber nicht sein, heißt es in der Industrie.

Von der künftigen Technik verspricht sich die Industrie geringere Kosten und vor allem kürzere Einführungszeiten für ihre Produkte. Dies wird auf den hart umkämpften Weltmärkten immer mehr zur Überlebensfrage. So zwinge der zunehmende internationale Wettbewerb die deutschen Maschinenbauer dazu, sicherer und schneller in Serie zu produzieren, meint der Fachreferent für Unternehmen-Software-Systeme vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), Volker Schnittler. Kaum sei heute ein neues Produkt auf dem Markt, werde bereits der Nachfolger hergestellt. Das betreffe längst nicht nur Konsumgüter wie Handys, sondern auch Maschinen und Produktionsroboter.

"In fünf Jahren kommen Sie ohne digitale Fabrik mindestens in der Automobilzulieferer-Industrie und im Maschinen- und Anlagenbau in Schwierigkeiten", sagt auch die Abteilungsleiterin Engineering-IT vom Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA), Sabine Bierschenk. Wie die "digitale Fabrik" aber später aussehen soll, ist noch unklar. Das liegt daran, dass die Idee beliebig erweiterbar ist. Im Grunde stelle die "digitale Fabrik" einen weiteren Schritt beim Einsatz von Computern und Programmen in der Industrie dar, meint Vertriebsleiter Ulrich Kohlhaas von der Softwareberatungsfirma Trovarit: "Die Herausforderung wird es sein, alles miteinander zu vernetzen."

Einen ersten Eindruck vermitteln die Messe-Aussteller: Von der dreidimensionalen Planung einer gesamten Fabrik bis zur Simulation einzelner Prozesse -- wie das optimale Packen von Werkzeug in einer Kiste -- stellen sie Lösungen vor, die im Unternehmen der Zukunft zum Alltag gehören werden. Die Vorteile etwa bei der Computer unterstützten Planung liegen auf der Hand: "Sie können Ihre komplette Fabrik virtuell planen und konfigurieren und dabei eine der besten Varianten aussuchen", erklärt Bierschenk. Ein Mausklick genügt. Zudem können die virtuellen Bausteine bei der Planung einer anderen Fabrik wieder verwendet werden. "Es geht darum, die Fertigungsprozesse digital durchzuspielen", sagt VDMA-Referent Schnittler. So wird noch vor Produktionsbeginn klar, wo Probleme und Engpässe auftauchen können. Damit lassen sich Fehlplanungen und nachträgliche Investitionen vermeiden.

Vorreiter auf dem Weg zur "digitalen Fabrik" ist die Automobil-Industrie. Der Softwarehersteller PSI hat zusammen mit Volkswagen ein System entwickelt, mit dem sich eine komplette Fertigungsanlage visualisieren lässt. Auf einem Großbildschirm gibt das Kontrollsystem Einblicke in die einzelnen Arbeitsschritte. Seine Informationen erhält das System von den Robotern an der Produktionskette. Taucht ein Fehler oder eine Unregelmäßigkeit auf, ist eine schnelle Reaktion möglich, erklärt PSI-Produktberater Oliver Schmidt. Es ist noch nicht lange her, da ging der so genannte Fertigungssteuerer mit seinem Klemmbrett durch die Hallen, um den Arbeitsfortschritt zu beobachten.

In Zukunft wird die "digitale Fabrik" die Arbeitswelt in der Industrie verändern. "Die Qualifikation wird eine andere sein müssen", meint Schmidt. Für VDMA-Referenten Schnittler ist die neue vernetzte Fabrik kein "Jobkiller": "Der Computer hat die Begrenzung, dass er nur das machen kann, was er kennt. Der Mensch dagegen hat Visionen." Das meint auch IPA-Mitarbeiterin Bierschenk: "Eine menschenlose Planung wird es in Zukunft genauso wenig wie eine menschenleere Fabrik geben". (Amélie Fidric, dpa) / (jk)