Automobil-Elektroniker wollen mit Standards die Kurve kriegen

Über 700 Fachleute brauchte VW für die Elektronik im neuen Phaeton. Wiederverwertbare Module gibt es nicht. Das soll sich unter anderem mit Autosar ändern, hieß es auf dem ISST-Forum über "verlässliche Systeme im Automobil der Zukunft".

vorlesen Druckansicht 217 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Als der VW-Käfer 1954 neu entwickelt wurde, reichten 30 Mitarbeiter aus, die gesamte Elektrik des Wagens zu konstruieren und zu schalten. Über 700 Fachleute brauchte VW für die Elektrik und Elektronik im neuen Phaeton. Wiederverwertbare Module in der Form, dass die hochintelligente Lenkradsteuerung aus dem Phaeton in den Golf übernommen werden kann, gibt es nicht. Das soll sich bei VW mit Autosar, der Automotive Open System Architecture, ändern: "Wir wollen mit Autosar für die Autoelektronik dieselben allgemeinen Standards, wie sie Microsoft bei den PCs mit Windows gesetzt hat. Jeder Automobil-Hersteller kann auf diesem Standard-System seine eigenen Applikationen aufsetzen", erklärte Thomas Scharnhorst, Leiter Fahrzeugsystemelektronik bei der Volkswagen AG, auf dem 2. ISST-Forum des Fraunhofer-Instituts. Die Konferenz befasste sich mit "verlässlichen Systemen im Automobil der Zukunft".

Der Vergleich mit Windows mag angesichts der Virenproblematik und den immer möglichen Abstürzen eines PC etwas unglücklich gewählt sein, doch die Idee eines Industriestandards, eines Autosar-Runtime-Environments, stand im Mittelpunkt der diesjährigen Tagung. Autosar als Klammer, die so unterschiedliche Subsystem-Standards wie MOST, den Media Oriented System Transport Layer im Auto, LIN (Local Interconnect Network), OSEK (Offene Systeme und deren Schnittstellen für die Elektronik im Kraftfahrzeug) und FlexRay in sich vereinigt, soll gleichzeitig für Einsparungen bei der Entwicklungsarbeit sorgen wie höchste Zuverlässigkeit im Automobil garantieren.

Nach einer vom ADAC veröffentlichten Statistik belief sich der Anteil von Fahrzeugausfällen durch Elektronik-Probleme im Jahr 1998 auf 45% und soll bis zum Jahre 2013 auf 62% wachsen, ein "unakzeptabler Wert", wie Scharnhorst betonte. Günter Reichert, als Hauptabteilungsleiter Systemdesign sein Gegenpart bei der BMW Group, verwies auf die sehr unterschiedlichen Entwicklungszyklen. Weil wirklich zuverlässige Systeme vier bis fünf Jahre Entwicklungszeit haben und sechs bis acht Jahre produziert werden, stehen Zyklen von etwa 17 Jahren der rasanten Entwicklung in der Consumer-Elektronik gegenüber, bei der im Auto Handys, DVD-Player und Navigationsgeräte spätestens nach zwei Jahren veraltet sind. Ohne modellbasierte Systementwicklung mit weit gefasster Rekonfigurierbarkeit, durchgängiger Datenhaltung und einem standardisierten Prüfprozess für die Funktionssicherheit, wie er im Rahmen von Autosar geplant ist, renne die Industrie in eine Sackgasse, meint Reichert.

Nach der erfolgreichen Integration des Infotainment im Auto ist nach Angaben des BMW-Forschers die Bildverarbeitung als nächste Technologie dabei, das Auto zu erobern. Mit Fernbereichsradar, Spurhaltesystemen im mittleren Bereich und Einparkhilfen im Nahbereich fahren im Auto weitere Chips mit, die neue Programme brauchen, etwa hochverfügbare externe Datenbanken, in denen alle Verkehrszeichen einer Strecke als Attribute im XML-Format zur Auswertung zur Verfügung stehen.

Von der Seite der Software-Wissenschaftler erhielten die Automobiltechniker Zuspruch. "Standardisierung ist Technologiepolitik. Bei Autosar darf man nicht stehen bleiben, sondern muss die Standards weiter ausbauen. Die deutschen Autobauer sind damit vorne dran und haben es in der Hand, ihre Führungsstellung auszubauen", erklärte Herbert Weber, Institutsleiter des ISST, das die Automobilindustrie bei der Entwicklung von verlässlichen Systemen mit Grundlagenforschung begleitet. (Detlef Borchers) / (jk)