Bahnverkehr während der Fußball-EM: Infrastruktur an der Belastungsgrenze

Ausgefallene, verspätete Züge, übervolle Bahnsteige – die Bahn gab während der Fußball-EM kein gutes Bild ab. Das räumt auch DB-Vorstand Berthold Huber ein.

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Fußballfans in einem Bahnhof

So illustrierte die Deutsche Bahn Ende Mai die Euro 2024 aus ihrer Erwartung heraus. Der Realität kam das nicht sehr nah.

(Bild: Deutsche Bahn AG / Tony Peterson Film)

Lesezeit: 4 Min.

Normalerweise kümmert sich das Fußball-Fachmagazin Kicker wenig um den Bahnverkehr. Während der laufenden Europameisterschaft der Herren änderte sich das. Zum Beispiel konnte das niederländische Team diese Woche nicht rechtzeitig mit dem ICE von Wolfsburg zur Abschlusspressekonferenz in Dortmund reisen. Nun war der Grund für die Verspätung von 134 Minuten ein Tierunfall, das kann auch einen Bahnverkehr mit bester Infrastruktur treffen. Anders verhält es sich beispielsweise mit dem überfüllten Bahnsteig am Gelsenkirchener Hauptbahnhof und anderen Verkehrswidrigkeiten für reisende Fußballenthusiasten, über die der britische Guardian berichtete. Die New York Times schrieb angesichts ausgefallener Bahnverbindungen, die Klischees der Effizienz und der Zuverlässigkeit, die den Deutschen gern zugeschrieben würden, seien hinfällig.

Das Bahnnetz sei übervoll und in die Jahre gekommen, sagte Berthold Huber, Vorstand für den Personenverkehr der Deutschen Bahn. "Wir müssen uns Kritik gefallen lassen", räumte er in einem Interview mit dem Deutschlandfunk ein, konfrontiert mit den Schilderungen der New York Times. Die nun beginnende Sanierung sei daher unumgänglich und überfällig.

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Diesen Tenor gibt auch die schriftliche Bilanz seines Unternehmens zu den EM-Wochen auf der Schiene wieder. "Hier wurde das Maximum aus dem Bahnsystem herausgeholt, die Möglichkeiten wurden jedoch durch eine veraltete und überlastete Infrastruktur beschränkt." Zudem sei der Zugverkehr vor allem auf der Nord-Süd-Route einige Wochen lang durch Hochwasserschäden beeinträchtigt gewesen. Pro Tag mussten mehrere ICE-Züge umgeleitet werden, die Reisezeit habe sich dadurch um 30 bis 60 Minuten verlängert.

"Zwölf Millionen Reisende sind während der EM allein mit den ICE- und IC-Zügen der DB unterwegs gewesen", schreibt die DB weiter. Während des Turniers sei mit 410 Fahrzeugen die gesamte ICE-Flotte unterwegs gewesen, täglich seien 14 Sonderzüge gerollt, ICEs seien verlängert worden, was täglich 10.000 zusätzliche Sitzplätze ergeben habe. Auch seien S-Bahnen, Regionalzüge und auch Busse der DB gut genutzt worden. "Allein in der Hauptstadt Berlin waren bisher an den Spieltagen rund 750.000 Fahrgäste zusätzlich in der S-Bahn zum Stadion und zur Fanmeile unterwegs", bilanziert die Bahn. In München fuhren seit Turnierstart rund 110.000 Fans mit Bussen der DB zum Stadion und wieder zurück. Täglich waren mit DB Regio mehr als 3,5 Millionen Fahrgäste bundesweit unterwegs.

Der Beginn der Generalsanierung der meistbefahrenen Korridore sei eigens auf den Tag nach der EM gelegt worden, sagte Huber. Ab dem kommenden Montag wird die Strecke Frankfurt am Main – Mannheim fünf Monate lang voll gesperrt und saniert. Huber bezeichnete die auch Riedbahn genannte Strecke als das "Herz des deutschen Schienennetzes". Neben neuen Gleisen bekomme die Strecke neue Oberleitungen und neue Stellwerke, alle Bahnübergänge und Bahnhöfe würden modernisiert. Damit verspreche sich die Bahn bis zu acht Jahren "Baufreiheit" auf der Strecke. Zwischen Frankfurt und Mannheim gebe es den Vorteil, dass relativ einfache Umleitungen möglich seien, auf anderen Strecken wie zum Beispiel zwischen Nürnberg und Passau sei das schwieriger.

Die Sanierung der Riedbahn werde 30 Prozent teurer als ursprünglich veranschlagt, sagte Huber weiter. Durch den Krieg in der Ukraine sei die Beschaffung teurer geworden. Die von der Bundesregierung zusätzlich bereitgestellten 30 Milliarden Euro würden aber wohl bis 2030 reichen. Ab dem Jahr sei mit einer Pünktlichkeit der Bahn von 80 Prozent zu rechnen. Zuletzt hatte sie 65 Prozent betragen.

(anw)