Für Werbung: Firefox sammelt ab sofort standardmäßig Nutzerdaten
Firefox gibt sich als die erste Wahl für den Datenschutz. Doch die neue Version sammelt standardmäßig Daten für Werbeanbieter. Ganz normal oder Vertrauensbruch?
Firefox 128 ist da – und macht direkt nicht durch praktische neue Features, sondern eine Datenschutzkontroverse von sich reden. Konkret werfen Nutzer dem Entwickler Mozilla nicht weniger als ein bewusstes Täuschen der eigenen Anwender vor. Denn mit der neuen Version führt Firefox eine Technik zum anonymisierten Messen von Werbung und ihrer Performance ein.
Was zunächst auf dem Papier gut klingen mag, kommt bei vielen Nutzern aus mehreren Gründen nicht gut an: Zunächst einmal liefert Firefox die Privacy-Preserving Attribution (PPA) trotz des Labels "experimentell" automatisch mit dem Update auf die neue Version aus. Schwerer wiegt jedoch, dass Mozilla das Feature auch direkt aktiviert – Anwender müssen die PPA also händisch per Opt-out deaktivieren. Voraussetzung: Sie bekommen von der hinter den Kulissen eingeführten PPA auch etwas mit.
Genau hieran hängt sich auch die Kritik des Bloggers Jonah Aragon auf: Er glaubt, dass Mozilla ganz genau wisse, dass sich die Firefox-Nutzer eine solche Funktion nicht wünschen würden. Wäre das anders, hätten die Entwickler die PPA zuvor öffentlich breit vorgestellt und der Community Zeit gegeben, sie vorher zu prüfen. Es lässt sich darüber streiten, inwiefern das geschehen ist – zumindest dazu, was die PPA ist, gibt es seit einem Monat einen Support-Eintrag bei Mozilla.
Unsere Nutzer verstehen das nicht
Allerdings erklärt Bas Schouten, technischer Leiter für die Performance von Firefox, dass es schwierig gewesen wäre, ein System wie PPA zu erklären. Wenn Nutzer nicht in der Lage seien, eine informierte Entscheidung zu treffen, sei ein Opt-in nicht sinnvoll. Daher müsse man Anwender vor dem Tracking der Werbung schützen. Ohnehin würde man ungefragt ständig neue Features aktivieren.
Dass eine solche Einstellung nicht gut ankommt, überrascht nicht: Jonah Aragon wirft Mozilla vor, sich als Hirten einer uninformierten Masse zu sehen. Und diese müsse man in den Augen der Entwickler nun zur richtigen Entscheidung drängen. Dabei seien gerade Firefox-Nutzer solche erwachsene Nutzer, denen man zuhören müsse.
Vielmehr liegt der Verdacht nah, dass Mozilla mit der PPA die eigene Kasse verbessern will. Es ist allerdings unklar, um welche Summen es sich handeln könnte. Jedoch steckt hinter der PPA der Entwickler Anonym, den Mozilla vor wenigen Wochen übernommen hat. Entsprechend ist der Anbieter somit Mittelsmann zwischen Werbung und Nutzern.
Auch technisch fragwürdig
Doch wie funktioniert die PPA eigentlich? Zwischen Werbeanbieter und den Anwendern beziehungsweise ihren Daten befindet sich ein Aggregationsserver, der die Informationen der individuellen Webbrowser anonymisiert. Erst anschließend stellt er die Daten den teilnehmenden Werbekunden zur Verfügung.
Entsprechend können diese Anbieter also nicht mehr Rückschlüsse auf individuelle Nutzer schließen. Das Verfahren klingt simpel und hat einen offensichtlichen Schwachpunkt – an dem sich die Kritik sofort aufhängt: Zum einen befinden sich nun auf dem Aggregationsserver Daten der Anwender – die also in jedem Fall den eigenen Rechner verlassen.
Für Mozilla ist dieser Server nicht Teil eines Werbenetzwerks – eine Ansicht, die viele Nutzer zumindest kritisch sehen. Aragon geht sogar so weit, die Firefox Entwickler eines Tricks zu bezichtigen: Sie hätten das Werbenetzwerk einfach so umdefiniert, dass es nicht zum Werbeanbieter gehöre.
Datenschutz als Werbe-Label
Hinzu kommt die Frage, wie sehr die Firefox-Anwender künftig einem Browser-Anbieter eigentlich trauen werden, der zwar mit Datenschutz wirbt, gleichzeitig jedoch zu solchen Maßnahmen greift. Denn wie die Kritiker schon jetzt feststellen, schützt ausschließlich das Wort Mozillas die gesammelten Daten – technisch ließe sich das System laut Aragon künftig leicht so umbauen, dass auch die Werbeanbieter Zugriff auf die individuellen Daten bekommen würden.
Und genau diese Befürchtungen äußerten Kritiker bereits beim Kauf von Anonym. Dass Mozilla nun jedoch quasi durch die Hintertür ein (nicht so bezeichnetes) Werbenetzwerk aufbaut, konnten sich die Beobachter nicht vorstellen. Schließlich hat der Entwickler noch vor kurzer Zeit vorgeschlagen, für eine verbesserte Privatsphäre schlicht weniger oder keine Daten zu sammeln. Und jetzt geschieht das Gegenteil.
Erschwerend kommt hinzu, dass Firefox der einzige größere Konkurrent zu Google Chrome ist – andere Browser basieren allesamt auf Chromium. Nutzern macht es Mozilla mit dem Schritt also in jedem Fall nicht leichter, für sie und ihren Datenschutz passende Entscheidungen zu treffen. Als unabhängige Hoffnung nimmt derzeit Ladybird Fahrt auf, befindet sich jedoch noch weit weg von einem verlässlich einsetzbaren Webbrowser.
So lässt sich die PPA deaktivieren: Datenschutz & Sicherheit -> Werbeeinstellungen für Websites -> Websites erlauben, datenschutzfreundliche Werbe-Messungen durchzuführen
(fo)