Bundesregierung will Schlussstrich unter SIS II ziehen

In einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion, aus der die tageszeitung zitiert, heißt es, der technische Ansatz der europäischen Fahndungsdatenbank SIS II sei veraltet, die Auftragnehmer überfordert.

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Von
  • Detlef Borchers

Die Bundesregierung will offenbar ihre Planungen ohne die europäische Fahndungsdatenbank SIS II machen und einen Schlussstrich unter das Software-Debakel ziehen. Dies geht aus einer Antwort von Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion hervor, die der tageszeitung vorliegt.

Claus-Dieter Fritsche, der als Nachfolger des SIS II-Befürworters August Hanning im Bundesinnenministerium für die deutsche wie internationale Polizeiarbeit zuständig ist, bewertete SIS-II der taz zufolge als gescheitert. Der technische Ansatz sei veraltet, die Auftragnehmer überfordert. Das Antwortverhalten der Fahndungsdatenbank sei "erratisch", wird Fritsche zitiert. Damit hat sich der Staatssekretär offenbar das negative Urteil des deutschen Experten zu Eigen gemacht, der nach dem zweiten SIS-Testlauf Fehler bemängelte.

Neben Deutschland lehnen auch Österreich und Frankreich SIS II ab. Dagegen steht ein Mehrheitsvotum der anderen Schengen-Staaten mit 13 von 16 Stimmen: Obwohl sie in einem heise online vorliegenden internen Beratungspapier zugeben, dass auch der zweite Testlauf seine Probleme hatte, soll SIS II als "erfolgreich getestet" bewertet werden. Mit dieser Bewertung wäre der Weg frei für eine Installation des Systems.

Wie sich die Bundesregierung mit ihrer negativen Bewertung in dieser Situation vom gesamteuropäischen SIS II distanzieren kann, ist unter Experten umstritten. Eine skizzierte Lösung soll darin bestehen, dass zwar der Datenbestand laufend von SIS II übernommen wird, jedoch auf performanten Bundesservern abgefragt wird. Das eigentliche Abfrage-System namens "Steria Interconnection Box, mit dem nationale deutsche Systeme an SIS II angeschlossen sind, könnte als zusätzlich bremsende Middleware in einem innerdeutschen Verbund wegfallen. SIS II soll im Vollausbau bis zu 300 Millionen Datensätze speichern können. Derzeit arbeiten die europäischen Fahndungsbehörden mit einer von SIS I aus entwickelten Interimslösung namens SIS one4all. (pmz)