Datenschützer warnt vor Überwachungsstaat im Zuge von Terror-Angst

Schleswig-Holsteins oberster Datenschützer, Helmut Bäumler, hat heute den Tätigkeitsbericht für das Jahr 2003 vorgelegt.

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Schleswig-Holsteins oberster Datenschützer, Helmut Bäumler, warnt angesichts zunehmender Terror-Angst vor der Errichtung eines Überwachungsstaates. Die Bedrohung durch Terroristen mache es denjenigen leicht, die den Menschen einreden wollten, sie müssten für ihre Sicherheit Grundrechte aufgegeben, sagte der Landesbeauftragte für den Datenschutz am Donnerstag in Kiel. So wuchere etwa die Videoüberwachung "wie ein Geschwür", heißt es im Tätigkeitsbericht des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz für das Jahr 2003. In Deutschland überwachten inzwischen mehr als 400.000 Kameras öffentliche Plätze, Bahnhöfe und Geschäftsräume.

Bei der Lkw-Maut sei es ohne weiteres möglich, ein Verfahren zu wählen, das auf die Erfassung aller Autofahrer verzichtet und nur die registriert, die Maut zahlen müssen. Dass aber so hartnäckig an der Vollerfassung festgehalten werde, deute darauf hin, dass bald alle die Maut zahlen müssen oder das Maut-System auch für polizeiliche Zwecke gedacht sei. Auch bei der RFID-Technik müssten jetzt die richtigen Weichen gestellt werden. Sonst "wachen wir alle eines Tages in einer Gesellschaft auf, in der wir in unseren Taschen oder in unserer Kleidung Minicomputer mit integriertem Sender mit uns herumtragen, die wie Peilsender wirken", warnt Bäumler.

Im Land stehe es um den Datenschutz insgesamt jedoch "nicht schlecht", betonte Bäumler. "Datenschutz-Skandale in Schleswig-Holstein sind rar geworden. Die Beachtung der Datenschutzbestimmungen hat sich deutlich verbessert", sagte er. "Die Kontrollen und Mahnungen zeigen ihre Wirkung."

Gleichwohl monierten die Datenschützer im vergangenen Jahr etwa den fahrlässigen Umgang mit sensiblen Akten über psychiatrische Behandlungen in der Kieler Universitätsklinik und die unzulässige Weitergabe medizinischer Daten von Lebensversicherern an kooperierende Sparkassen. Mängel im Umgang mit Daten entdeckte das Landeszentrum zudem in Kommunen, die ihre Datenverarbeitung aus Kostengründen an externe Dienstleister übertrugen, ohne diese kontrollieren zu können. Selbst auf der Internetseite www.schleswig-holstein.de, die das offizielle Angebot des Landes enthält, seien persönliche Daten von Nutzern auf unzulässige Weise gesammelt worden.

Bewährt habe sich das 2002 initiierte und nach Angaben der Macher noch immer bundesweit einmalige IT-Gütesiegel, das Soft- und Hardware die Einhaltung von Datenschutzrichtlinien bescheinigt. Laut Landeszentrum wurde das Ende April von der EU-Kommission ausgezeichnete Siegel bislang 14 Mal vergeben, etwa für Anwendungen zur elektronischen Speicherung von Röntgenbildern.

Die SPD und der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) würdigten die erfolgreiche Arbeit des Unabhängigen Datenschutzzentrums. Der aktuelle Bericht mache abermals deutlich, "dass wir mit der modernen Technologie auf dem schmalen Grat zwischen Sicherheit und bürgerlichen Freiheitsrechten balancieren", befand der SSW. Bäumler geht nach zwölf Jahren im Amt zum September in Ruhestand. Zu seinem Nachfolger hatte der Landtag in der vergangenen Woche gegen die Stimmen der CDU den bisherigen Stellvertreter Thilo Weichert gewählt. (anw)