Elektronische Gesundheitskarte: finaler Neustart

Leistungsträger (Krankenkassen) wie Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte) werden bei der elektronischen Gesundheitskarte jeder für sich die volle Zuständigkeit in Teilprojekten bekommen. Diese müssen nicht länger den allgemeinen Konsens berücksichtigen.

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Von
  • Detlef Borchers

Die Gesellschafter der Projektgesellschaft Gematik, die für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) zuständig ist, haben sich in Berlin auf eine Neuausrichtung des gesamten Systems geeinigt. Leistungsträger (Krankenkassen) wie Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte) werden danach jeder für sich die volle Zuständigkeit in Teilprojekten bekommen. Diese müssen nicht länger den allgemeinen Konsens berücksichtigen. Nicht gelöst wurde allerdings die wichtige Frage nach der freiwilligen oder zwangsverordneten Online-Anbindung der Arztpraxen. Hier wird erwartet, dass die Bundesregierung eine Gesetzesinitiave startet.

Im Einzelnen einigte sich die in der Vergangenheit von ständigen Streits geplagte Gesellschafterversammlung auf ein Modell, nach dem jeder für sein eigenes Interessensgebiet zuständig sein wird. Die Leistungserbringer (Ärzte und Zahnärzte) werden die alleinige Verantwortung für die medizinischen Anwendungen übernehmen und sich zunächst ausschließlich um den Notfalldatensatz bzw. klinischen Basisdatensatz kümmern, der auf der eGK (freiwillig) gespeichert. Die Kostenträger (Krankenkassen) kümmern sich ausschließlich um die administrativen Daten, das sogenannte Versichertenstammdatenmanagement. Die "adressierte Kommunikation" der (elektronischer Arztbrief) wird von der kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) entwickelt. Bei gravierenden Differenzen in technischen oder organisatorischen Fragen wird ein Schlichter tätig, der ehemalige Staatssekretär Klaus Theo Schröder, der lange Jahr in der rotgrünen, später schwarzroten Regierung für die eGK zuständig war.

Besonders hart trifft der verabschiedete Neustart die Gematik, die bisher die technischen Spezifikationen festsetzte, die Feldtests initiierte und auswertete und die für die Zulassung der einzelnen Komponenten (Karten, Kartenlesegeräter, VPN-Konnektoren sowie aller Software-Schnittstellen) zuständig war. Sie wird bestenfalls auf eine Position als eGK-TÜV reduziert und zum Befehlsempfänger: "Die verantwortlichen Gesellschafter werden die Anforderungen an die Telematikinfrastruktur und die Anwendungen aus der Sicht der Gesellschafter formulieren und die Umsetzung durch die gematik steuern", heißt es dazu von den Beteiligten.

Die dringlichste Frage der Online-Anbindung wird in dieser Meldung in einem sehr gewundenen Satz erwähnt: "Die Kostenträger gehen davon aus, dass das Ministerium eine Gesetzesinitiative in die parlamentarischen Beratungen einbringen wird, die die Anforderungen nach Datensicherheit, Missbrauchsbekämpfung sowie die Forderung der Kostenträger nach einer Gültigkeitsprüfung und schnellen Aktualisierung der elektronischen Gesundheitskarte beim Leistungserbringer ebenso berücksichtigt wie die Freiwilligkeit der Leistungserbringer zur direkten Anbindung ihrer Primärsysteme."

Die Details zum Neustart wurden auf der IT-Medizinmesse Conhit in Berlin bekannt gegeben. Dort meldete die versammelte, bislang nicht in der Gematik vertretende IT-Industrie gleich weitere Forderungen an. So forderte Andreas Lange vom Verband der Hersteller von IT-Lösungen für das Gesundheitswesen (VHitG) die Einbindung der IT-Hersteller in die Konzeption und die uneingeschränkte Annahme von Mehrwertdiensten. Außerdem müsse die Gematik in den Pilottest die Finanzierung von Releases der IT-Hersteller übernehmen. "Dieser Neustart ist die letzte Chance zur Erlangung eines glaubwürdigen Aufbaus der telematischen Infrastruktur durch den Staat." (jk)