X verklagt Firmen, weil sie keine Werbung schalten​

Wegen markenschädigender Tweets schalten viele Firmen bei X keine Werbung mehr. Das soll ein Verstoß gegen US-Kartellrecht sein.​

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Silhouette Elon Musks vor dem Logo von X

(Bild: kovop/Shutterstock.com)

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"Don’t advertise. Go fuck yourself. Is that clear?" Das hat Elon Musk auf offener Bühne Unternehmen geraten, die seine Mikroblogging-Plattform X für eine ungute Umgebung für ihre Marken halten. Er wolle nicht, dass sie auf X Werbung buchten. Das war im November. Jetzt verklagt seine Firma einen Verband und vier Konzerne, darunter Mars, weil sie seinem Rat folgen und keine Werbung auf X buchen. Gemeinsam nicht bei X (ehemals Twitter) einzukaufen, sei illegal.

Beklagte sind der Branchenverband World Federation of Advertisers, Unilever, Mars, der US-Medizinkonzern CVS Health und der mehrheitlich staatliche dänische Energiekonzern Ørsted. X verlangt dreifachen Ersatz der entgangenen Werbeeinnahmen plus Zinsen und Verfahrenskosten – nicht nur für den angeblich von den Beklagten verursachten Schaden, sondern auch für den von nicht beklagten "Mitverschwörern" angeblich verursachten Schaden. Außerdem soll das angerufene US-Bundesbezirksgericht den Beklagten untersagen, weiter gemeinsam keine Werbung bei X zu schalten.

Die Klage nimmt Anstoß an der Global Alliance for Responsible Media (GARM), zu deren Mitgliedern auch X selbst zählt. GARM ist eine Initiative des Branchenverbandes World Federation of Advertisers mit Sitz in Belgien. Dessen Mitglieder sollen vermeiden, durch ihre Werbung illegale oder schädliche Inhalte finanziell zu belohnen und dabei den Ruf ihrer Marke zu schädigen. Gleichzeitig soll GARM den Wettbewerb zwischen Werbeplattformen fördern.

Als Beispiele für neben Reklame unerwünschte Inhalte nennt die GARM-Webpage Kinderpornografie sowie Terrorismus fördernde Inhalte. Anlass für die Initiative war der über Facebook verbreitete Livestream eines Terroranschlages auf Betende in einem Gotteshaus in Neuseeland. Zu den GARM-Mitgliedern gehören neben Werbetreibenden auch Werbeagenturen sowie Werbeplattformen wie Meta Platforms, X und Youtube.

Die Mitgliedschaft bei der Initiative ist ebenso freiwillig wie die Befolgung der aufgestellten Richtlinien. GARM trifft keine Entscheidungen über Werbebuchungen, spricht keine Empfehlungen zu konkreten Buchungen aus, und sanktioniert Verstöße gegen die Richtlinien ausdrücklich nicht.

Die Klage behauptet, die World Federation of Advertisers habe in Folge der Übernahme Twitters durch Musk einen Werbeboykott gegen Twitter (inzwischen in X umbenannt) organisiert, um Twitter dazu anzuhalten, die GARM-Richtlinien zu erfüllen. Dazu zitiert die Klage einen offenen Brief des Verbandes an Elon Musk vom 31. Oktober 2022. Musk antwortete damals öffentlich, dass sich an Twitters Vorgehen nichts geändert habe.

Dem trauten mehrere Werbeagenturen nicht, weshalb sie ihren Kunden im November 2022 rieten, bis auf Weiteres keine bezahlte Werbung auf Twitter zu schalten. Im Dezember versprach Twitter, Schritte zu setzen, um die Richtlinien zu befolgen – offenbar hatte Twitter die Richtlinien nicht befolgt. Inzwischen ist deutlich, dass X ein sicherer Hafen für Holocaust-Leugner, nicht aber für große Marken ist. Laut Klage haben Dutzende frühere Werbekunden ihre Buchungen eingestellt oder deutlich reduziert – bis heute. Entsprechend sind die Werbeeinnahmen X' deutlich gefallen.

X erkennt im gleichzeitigen Rückzug der Werbekunden einen Verstoß gegen Paragraph 1 des Sherman Antitrust Act aus 1890, die Keimzelle des US-Wettbewerbsrechts. Er stellt Verträge oder Verschwörungen unter Strafe, die Handel oder Wirtschaft beeinträchtigen. Zivilrechtlich droht Schadenersatz, strafrechtlich die Verurteilung für ein Verbrechen mit hohen Geld- und Gefängnisstrafen. Gleichzeitig behauptet die Klageschrift, dass 99 Prozent der auf X geschalteten Werbung in den Jahren 2023 und 2024 neben Inhalte erschienen ist, die die GARM-Richtlinien zum Schutz der Markenreputation einhalten.

Allerdings schießt sich die Klage schon im nächsten Absatz selbst in den Fuß: Der behauptete Werbeboykott sei "gegen die wirtschaftlichen Interessen der boykottierenden Werbetreibenden", heißt es dort, weil Reklame bei X billiger zu haben sei als bei anderen Sozialen Netzen. Laut etablierter US-Rechtsprechung können gemeinschaftlich organisierte Boykotte durchaus gegen den Sherman Act verstoßen – aber nur, sofern sie den Boykottierenden zum wirtschaftlichen Vorteil gereichen. Stehen andere Beweggründe als wirtschaftliche Vorteile dahinter, sind gemeinschaftliche Boykotte demnach zulässig (siehe National Association for the Advancement of Colored People v Claiborne Hardware Co, US Supreme Court 1982).

Die Klage heißt X v World Federation of Advertisers et al und ist am US-Bundesbezirksgericht für das Nördliche Texas unter dem Az. 7:24-cv-00114 anhängig. Das Verfahren ist auch als X v GARM bekannt.

(ds)