Web Content Forum: Netzneutralität nur für Internet-Romantiker?

Durch die steigenden Anforderungen sei eine undifferenzierte Netzneutralität nach dem Motto "Alle Bits sind gleich" nicht aufrecht zu erhalten: "Mit der alten Technik kann man die Aufgaben, die heute anliegen, nicht bewältigen", meinte der Informatiker Rainer Fischbach auf dem Web Content Forum des Provider-Verbands eco.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 55 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Torsten Kleinz

Waren auf der re:publica in Berlin vergangene Woche die Befürworter der Netzneutralität unter sich, meldet sich aus Köln eine kritische Stimme. Beim Cologne Web Content Forum des Verbands der deutschen Internetwirtschaft eco hat sich der Infomatiker und Autor Rainer Fischbach gegen eine gesetzliche Regulierung der Netzneutralität und stattdessen für eine staatliche Aufsicht über die Leistungen der Provider ausgesprochen.

Die Befürworter eine undifferenzierten Netz-Neutralität nach dem Motto "Alle Bits sind gleich" bezeichnete Fischbach als "Internet-Romantiker". Durch die steigenden Anforderungen sei dieser Grundsatz nicht aufrecht zu erhalten: "Mit der alten Technik kann man die Aufgaben, die heute anliegen, nicht bewältigen", erklärte Fischbach. Die derzeit vorherrschende Internet- Architektur sei instabil und ineffizient.

Hart ging Fischbach mit den staatlichen Maßnahmen zum Ausbau der Telekommunikations-Infrastruktur ins Gericht: "So gibt es bis heute in Europa keinen Backbone, der seinen Namen verdient." Die Gesetzgebung baue auf falschen Prämissen auf. So spreche viel dafür, dass es sich bei der Netz- Infrastruktur um ein natürliches Monopol handele. Die Versteigerung der UMTS- Frequenzen habe für eine hohe Verschuldung der Netzbetreiber und damit auch zu einem Investitionsstreik geführt, der unter anderem dafür gesorgt habe, dass die Qualität der Telefonverbindungen stark abgenommen habe. Der Stand der Technik seien NGN-Netzwerke auf Basis von der Paketlenkungs- und Netzverwaltungstechniken (MPLS/GLMPLS), eine Abkehr von der Paket- hin zur Leitungsvermittlung steigere die Effizienz und Stabilität der Datenübertragung wesentlich.

Ein Ausweg aus dem Dilemma seien Gesetze zur Netzneutralität nicht: "Man kann den Carriern nicht vorschreiben, wie sie technisch verfahren müssen", sagte Fischbach. Ohnehin sei heute nur unzureichend feststellbar, ob ein Provider gegen die Prinzipien der Netzneutralität verstoße. Statt in die Technik einzugreifen solle der Staat besser die Leitungen der Provider überwachen.

Gleichwohl will Fischbach auch gegen Diskriminierung von Datenströmen vorgehen. "Ein freies Netz ist ein hoher Wert", erklärte er in Köln. Um den Anbietern den Anreiz zu nehmen fremde Datenströme auszubremsen, schlägt er ein gesetzliches Verbot der "vertikalen Integration" vor. Die Carrier sollten verpflichtet werden einen "zeitgemäßer Universaldienst" anzubieten, dürften sich aber zum Beispiel nicht als Content-Unternehmen betätigen. So soll den Telekommunikationsanbietern der Anreiz genommen werden, Konkurrenz-Angebote zu benachteiligen. Um eine solche Regelung effizient durchzusetzen, müsse der Staat aber wesentlich mehr Kompetenzen aufbauen als er heute habe.

Siehe dazu auch:

  • Der stille Machtkampf - Next Generation Networks: Wie sich Netzbetreiber und Ausrüster die Zukunft der Telekommunikationsnetze vorstellen

(jk)