Turbo-Software steigert Mobilfunk-Kapazität

Erlanger Wissenschaftler entwickelten ein Verfahren, das die Kapazität von GSM-Mobilfunknetzen um bis 80 Prozent steigert.

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Von
  • Richard Sietmann

Eines der Phänomene, mit dem die Betreiber von Mobilfunknetzen zu kämpfen haben, hängt damit zusammen, dass die elektromagnetischen Wellen nicht an den Grenzen der Funkzellen halt machen, in denen sie benötigt werden; abgeschwächt sind die Signale immer auch in Nachbarzellen zu empfangen. Zur Vermeidung von störenden Überlagerungen (Interferenzen) setzen die Netzplaner in benachbarten Zellen daher nicht dieselben Frequenzen zur Übertragung ein. Doch selbst bei der Wiederverwendung der knappen Frequenzen in weiter entfernten Zellen können diese sogenannten Gleichkanalstörungen je nach Wetterlage und örtlichen Gegebenheiten auch auftreten und die Handy-Kommunikation stark beeinträchtigen und sogar die Verbindung zusammenbrechen lassen.

Ein bekanntes und wirksames Gegenmittel wäre, Handys mit mehreren Antennen und Empfangsteilen auszustatten: Aus den feinen Unterschieden der einzelnen Eingangssignale könnten Signalverarbeitungsprozessoren die Interferenzanteile ermitteln und herausrechnen. Doch abgesehen von den zusätzlichen Kosten bezweifeln viele Fachleute, dass sich diese Technik je auf Handygröße schrumpfen läßt.

Denselben Effekt mit nur einer Antenne erzielt nun jedoch ein pfiffiges Verfahren, das vier Erlanger Wissenschaftler entwickelt haben, die "Single Antenna Interference Cancellation" (SAIC). SAIC nutzt dazu aus, dass die GSM-Basisstationen in der Mitte jedes gesendeten Datenpaketes (Bursts) eine Trainingssequenz mit einem bekannten Code übermitteln, der dazu dient, die Übertragungsfehler auf dem benutzten Frequenzkanal zu korrigieren.

Bei SAIC dient die Trainingssequenz des störenden Fremdsignals nun dazu, das Störsignal erst zu berechnen und dann von dem insgesamt empfangenen Signal zu subtrahieren, sodass unterm Strich das ungestörte Signal aus der eigenen Funkzelle übrig bleibt. Auf diese Weise lässt sich mit der Kenntnis über die Beschaffenheit des störenden Signals sein Einfluss eliminieren. Das Ergebnis sind eine deutlich verringerte Bitfehlerrate, eine bessere Sprachqualität und weniger Gesprächsabbrüche.

Weil sich der Algorithmus auf Chip-Ebene implementieren läßt, können GSM-Handys kostengünstig SAIC-fähig gemacht werden. Die ersten Geräte sollen bereits in diesem Jahr auf den Markt kommen. Besonders fasziniert die Mobilfunkbetreiber an dem Verfahren die Aussicht, in Zukunft dieselben Frequenzen sogar in direkt benachbarten Funkzellen wieder verwenden und auf diese Weise die Netzkapazität drastisch um bis zu 80 Prozent steigern zu können.

Für ihre Entwicklung wurden die vier Ingenieure der Universität Erlangen-Nürnberg -- Raimund Meyer, Wolfgang Gerstacker, Robert Schober und Johannes Huber -- am heutigen Freitag in Berlin mit dem mit 25.000 Euro dotierten Vodafone Innovationspreis 2004 ausgezeichnet.

Neben dem Team aus Erlangen erhielt Dirk Manteuffel den mit 5.000 Euro bedachten Förderpreis der Vodafone-Stiftung für die Entwicklung einer Technik zur Nutzung der vorhandenen Metallteile in einem Handy als Antenne, wodurch bei sinkenden Herstellungskosten die bisherigen Antennenabmessungen um bis zu zwei Drittel schrumpfen könnten. Ebenfalls mit einem Förderpreis geehrt wurde heute die Psychologin Wiebeke Schramek von der RWTH Aachen für ihre Arbeiten zu einer verständlicheren Zeichensprache mit leichter eingängigen grafischen Symbolen auf den Handy-Displays. (Richard Sietmann) / (dz)