ITU-Mitglieder uneinig über Zukunft von Interconnection-Regimen

Die Mitglieder der Internationalen Fernmeldeunion sind uneins, ob Interconnection-Verträge auch weiterhin reguliert werden sollen.

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Von
  • Monika Ermert

Zum Abschluss der zweiwöchigen Ratstagung der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) gab es noch einmal eine harte Auseinandersetzung zum Thema Interconnection. Zwar haben die Mitgliedsstaaten noch rund zwei Jahre Zeit, bevor die aus dem Jahr 1988 stammende "Vollzugsordnung für Internationale Fernmeldedienste" (ITR) neu gestaltet werden muss. Schon jetzt wird aber um prozedurale und inhaltliche Fragen gerungen.

Ein Teil der Mitgliedsländer, darunter die USA, befürworten einen Verzicht auf eine neue Regelung. Andere Mitgliedsländer stellen sich demgegenüber vor, dass ein neues Interconnection-Regime geschaffen wird, das nicht nur den Bereich der Telefonie, sondern auch den Datenverkehr, also Internetdienste abdeckt.

ITU-Generalsekretär Hamadoun Touré erinnerte daran, dass bei der Verabschiedung der aktuellen ITRs Telekommunikationsverkehr nach Uhrzeit, Entfernung und Ort tarifiert wurde. Längst habe der Austausch von Daten den klassischen Sprachverkehr abgelöst. "Wenn wir nichts tun, bricht das System zusammen", warnte Touré. Der ITU-Generalsekretär verglich die Situation mit der auf den Finanzmärkten, dort habe der Verzicht auf staatliche Regulierung zum Zusammenbruch geführt.

Der US-Diplomat Richard Beaird hatte darauf verwiesen, dass nur noch 6 Prozent der Zusammenschaltungs-Abkommen nach dem einschlägigen Artikel 6 der ITR abgewickelt würden, sondern stattdessen nach privatwirtschaftlichen, kommerziellen Verträgen. Touré sagte demgegenüber: "Wenn wir nichts tun, wird nicht mehr in die Telekommunikation investiert. Die Inhalteanbieter werden diejenigen sein, die alle Gewinne abschöpfen."

Wie weit die Kontrolle über den Netzverkehr gehen soll, offenbart der Tätigkeitsbericht (PDF-Datei) Telekommunikation 2008/2009 der Bundesnetzagentur. Die Vorstellungen gehen laut diesem so weit, dass "internationale Dienste wie IP-Telefonie oder Callback von Staaten für ihr Territorium unterbunden werden können müssen. Derartigen Vorschlägen, sowie pauschalen Verboten ungenügend definierter Tatbestände ('Betrug', 'Schaden') könne allerdings weder von deutscher noch von europäischer Seite zugestimmt werden.

"Wenn wir in der ITU das nicht machen, werden wir irrelevant – wenn wir etwas machen, sichern wir uns eine Führungsrolle", lautet ein weiteres Argument des ITU-Generalsekretärs. Die zukünftige Rolle wird bei vielen Themen mitdiskutiert. Im Herbst entscheidet die nur alle vier Jahre zusammen tretende Vollversammlung der ITU-Mitgliedsstaaten immerhin über den Kurs für das nächste halbe Jahrzehnt.

Die Rolle der ITU bei Internetfragen steht dabei ebenfalls immer ganz oben auf der Agenda, ein Streitthema ist IPv6. Nachdem in der letzten Ratssitzung noch die Idee diskutiert worden war, dass die ITU die
sechste IP-Adressregistry speziell für die neuen IPv6-Adressen werden könnte, traten zahlreiche Mitgliedsländer hier auf die Bremse. Zwar werden zwei "Korrespondenzgruppen" eingerichtet, die einerseits Werbung für die Einführung von IPv6 machen und andererseits "Fragen der Adresspolitik" weiter debattieren sollen. Aber Lösungen sollen immer zuerst innerhalb des bestehenden Systems gesucht werden, heißt es da nun auch.

Auch deutsche Vertreter meldeten sich im Verlauf der Ratssitzung mehrfach mit Mahnungen zu Wort, dass die ITU Doppelarbeit vermeiden sollte. Unter anderem zeigte sich die deutsche Delegation vorsichtig skeptisch zum Vorschlag, dass die ITU Interoperabilitäts- und Kompabilitätstests machen soll. Gemeinsam mit Schweden bot man an, eine Tagung mit Industrie- und anderen Organisationen zu veranstalten, um zu sehen, wo hier überhaupt Bedarf besteht. Grünes Licht gaben die ITU-Ratsmitglieder für die von ITU und UNESCO geplante Gründung einer "Breitbandkommission", die die rasche Verbreitung schneller Netze weltweit voranbringen soll. (it)