Online auf Verbrecherjagd

Das Berliner Kommissariat für Computerkriminalität gibt Einblicke in seine Tätigkeit.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 116 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Denni Klein
  • dpa

Ein aufgeschraubter Computer, ein Stapel Raubkopien und jede Menge beschlagnahmter Festplatten: So sieht es im Kommissariat für Computerkriminalität im Landeskriminalamt Berlin aus. Hektisch klackern die Tastaturen. Die Internet-Fahnder der Berliner Polizei sind online auf Verbrecherjagd. "So wie es in jeder Stadt dunkle Ecken gibt, bietet auch der virtuelle Raum reichlich Platz für kriminelle Energien, und dort setzt unsere Suche an", sagt Kommissariatsleiter Jochen Kunisch.

Täglich zeigen Opfer den Missbrauch von Kontodaten, astronomische Telefonrechnungen durch teure Einwählprogramme ("Dialer") oder die Sabotage von vertraulichen Daten an. 60 000 Fälle von Computerkriminalität erfasste das Bundeskriminalamt (BKA) allein im vergangenen Jahr. Straftaten, die sich des Internets nur als Kommunikationsmittel bedienen, werden statistisch erst gar nicht erfasst.

Doch häufig kann die Polizei nur mit den Schultern zucken, wenn die Geschädigten selbst schuld sind. "Gutgläubig antworten unbedarfte Internet-Nutzer auf Werbemails oder Spam-Mails und geben all ihre persönlichen Daten weiter", sagt Kunisch. Dann liegt keine Straftat vor. Auch Dialer werden trotz des Hinweises auf die Kosten heruntergeladen. "Das ist eine richtige Klick-Mentalität: Mausklick, ohne zu lesen." Oft hätten geeignete Schutzprogramme den Schaden noch abwenden können.

"Sicherheit kostet Geld und Arbeit. Viele investieren in den neuesten Computer 1000 Euro und mehr, aber an der Schutzsoftware wird gespart", kritisiert Lutz Vietor, Geschäftsführer der Sicherheitsgesellschaft. Das Berliner Unternehmen berät seit Jahren unter anderem Staatsbanken in Sicherheitsfragen.

Auch Firmen weisen immer wieder eklatante Sicherheitslücken auf und melden Einbrüche in ihre Computersysteme nicht. "Neben dem Hacker-Schaden, bei einer Bank zum Beispiel, wäre der Image-Schaden immens, wenn die Kunden erfahren würden, dass ihre Konten geknackt wurden", sagt Kriminalist Kunisch. Die Zahl der Straftaten in und um das Internet ist nach Angaben des BKA sprunghaft gestiegen. Allein 2002 entstanden durch Computerkriminalität 85 Millionen Euro Schaden.

Schwierig wird es, wenn die digitalen Spuren ins Ausland führen. "Die internationale Zusammenarbeit funktioniert bei Kinderpornografie, weil sie inzwischen überall geächtet wird", sagt der Kriminalhauptkommissar. "Aber politisch motivierten Taten wie der Verherrlichung des Nationalsozialismus auf der Seite von (Neonazi) Gary Lauck ist nicht beizukommen, da die Homepage auf amerikanischen Servern liegt und durch die Freiheit der Rede geschützt wird."

Auch für klassische Straftaten haben Verbrecher das Internet entdeckt. Besonders häufig seien Fälle von Warenbetrug bei Online-Auktionen. "Leute haben ein Notebook ersteigert und eine Tüte Mehl bekommen. Eine E-Mail verrät schon vieles, dann bekommen wir die Bankdaten von den Auktionshäusern und lesen die Protokolle der Provider", erklärt der stellvertretende Leiter der Service-Dienststelle "Internet", Christian Höhne. Seine Kollegen aus anderen Dezernaten stellen im Jahr mehrere hundert Anfragen, in zwei Drittel der Fälle führen die digitalen Spuren zum Täter.

Nach eigener Einschätzung kann die Polizei auf die immer neuen technischen Raffinessen der Online-Kriminellen nur reagieren. "Je früher wir von der Tat erfahren, umso besser sind die Chancen, den Betrügern auf die Schliche zu kommen. So schnell wie das Medium ist, so schnell muss gehandelt werden", sagt Höhne. (Denni Klein, dpa) / (mhe)