Fitness durch Hightech

Neue wissenschaftliche und technische Methoden helfen, komplexe Bewegungsabläufe besser zu verstehen – digitale Gadgets, ausgeklügelte Algorithmen und neue biochemische Erkenntnisse sollen auch Hobbysportlern zu höheren Leistungen verhelfen.

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Immer schnittiger, immer schneller, immer leistungsfähiger – die Entwicklung von Sportgeräten gleicht einem technischen Wettrüsten. Neue wissenschaftliche und technische Methoden helfen, komplexe Bewegungsabläufe besser zu verstehen – digitale Gadgets, ausgeklügelte Algorithmen und neue biochemische Erkenntnisse sollen auch Hobbysportlern zu höheren Leistungen verhelfen. Technology Review bietet in der aktuellen Ausgabe 5/2010 (seit heute am Kiosk oder portokostenfrei online zu bestellen) einen Überblick über Trends und Themen: Fitness durch Hightech.

Stellvertretend für innovative Methoden des Ausdauertrainings, speziell im Laufsport, steht beispielsweise eine am Mainzer Institut für Informatik entwickelte Software namens PerPot („Performance Potential“). Das Vorhaben hinter PerPot ist äußerst ambitioniert: Das Programm soll nur anhand von – bei Kalibrierungsläufen gemessenen – Puls- und Geschwindigkeitsdaten die „anaerobe Schwelle“ eines Sportlers bestimmen. Das ist der Leistungsbereich, bei dem der Körper genauso viel vom Stoffwechselprodukt Milchsäure oder Laktat auf- wie abbaut. Oberhalb dieses Wertes sammelt sich Laktat in den Muskeln an und führt zu deren Ermüdung. Der Puls steigt nicht linear mit der Geschwindigkeit, sondern nimmt oberhalb der anaeroben Schwelle wieder ab, weil der Körper dann auf eine andere Art der Energiegewinnung umschaltet. Die Software soll auf Grundlage der ermittelten Daten aus einer vorgegebenen Zeit die entsprechende Herzfrequenz errechnen können. Diese Pulsvorgaben werden auf eine Pulsuhr übertragen, die den Läufer während des Laufs piepend ermahnen, innerhalb des errechneten Puls-Korridors zu bleiben. Ließe sich die anaerobe Schwelle tatsächlich auch mit handelsüblichen Pulsuhren und Schrittsensoren berechnen, könnten auch Hobbysportler ihr Training gezielt nach der persönlichen Leistungsfähigkeit ausrichten.

Auch auf dem Sektor des Krafttrainings halten neue Technologien Einzug: Als sehr effektiv hat sich die elektrische Stimulation von Muskeln erwiesen, allerdings in anderer Form, als man sie aus dem Werbefernsehen kennt. Für die neueste Variante der Elektro-Stimulation tragen die Anwender enge Westen mit großflächigen Elektroden, die den ganzen Körper und nicht, wie bisher, nur einzelne Muskelgruppen anregen. Besonders effizient ist dieses Training, wenn man sich während der Stimulation nicht auf die Couch legt, sondern zusätzlich noch sportartspezifische Bewegungen macht. Als einzige Trainingsmethode lassen sich damit schnelle Muskelfasern selektiv ansteuern. Athleten der Wurfdisziplinen oder Sprinter können also zielgerichtet ihre Schnellkraft ausbauen, indem sie speziell diesen Typ der Muskelfasern trainieren.

Es nützt aber die größte Kraft nichts ohne eine gute Technik, und auch hier helfen neue Methoden Sportlern, ihren Bewegungsablauf zu optimieren. Dazu muss zunächst einmal die Bewegung erfasst werden. Dies geschieht beispielsweise mit Hilfe von Kraftmessplatten, die ermitteln, wie sich ein Schwimmer von einem Startblock abstößt. Am Körper aufgeklebte Trägheitssensoren melden, welches Körperteil sich wie bewegt. Und ausgeklügelte optische Systeme liefern digitale Abbilder von kompletten Bewegungsabläufen. Viele dieser Verfahren funktionieren bisher allerdings nur im Labor – aber es bieten sich Alternativen: Bei einzelnen Körpergliedern funktioniert die automatische markerlose Bewegungserfassung bereits. Sind die Bewegungsdaten erst einmal erfasst, übertragen die Forscher sie auf ein digitales 3D-Modell des Athleten. Dank dieser Avatare lassen sich nun Sportler, die noch nie gegeneinander angetreten sind, in einem virtuellen Wettkampf miteinander vergleichen.

Für Breitensportler kommen aufwendige Motion-Capture-Verfahren auf absehbare Zeit wohl nicht infrage. Doch auch ihnen steht ein preiswertes Werkzeug zur Verfügung, mit dem sie ihren Golf-Abschlag oder ihren Tennis-Topspin verbessern können: der Controller der Nintendo-Spielkonsole Wii, der Bewegungen mittels Trägheitssensoren erfasst. Eine Untersuchung, ob sich mit der Wii das Einlochen beim Golf verbessern lässt, kam zu einem überraschenden Ergebnis: Obwohl der Wii-Controller naturgemäß kein Feedback über den direkten Kontakt zum Ball bieten kann, konnte er die Putting-Leistung der Versuchspersonen durchaus steigern. Die Verbesserung war zwar nicht ganz so hoch wie beim Üben mit realen Golfschlägern, lag aber immer noch weit über der einer Kontrollgruppe, die gar nicht geübt hatte.

Mitunter geschieht ein Wissenstransfer sogar vom Freizeitbereich in den Spitzensport. Als Kyle Orton, Quarterback des Footballteams Denver Broncos, im Spiel gegen die Cincinnati Bengals an den Ball kam, sprintete er nicht etwa geradewegs zum Touchdown über die Auslinie. Stattdessen lief er noch ein Stück parallel zur Linie, um ein paar Sekunden Zeit zu schinden – eine Taktik, die Zockern aus dem Computerspiel „Madden NFL“ vertraut ist, die aber bis dato noch nie im realen Profisport beobachtet worden war. Da praktisch jeder Football-Profi mit dem jahrelangen Spielen von „Madden NFL“ aufgewachsen ist, hat die aktuelle Spielergeneration schon in jungen Jahren ein viel besseres taktisches Verständnis als ihre Vorgänger. Das macht sich zum Beispiel an den immer jünger werdenden Quarterbacks bemerkbar. (wst)