Kommentar zu Beta-Software: Finger weg!
Risikoreich: Betaversionen werden oft von Nutzern getestet. Sie können instabil sein und Systeme stören. Auf Produktivsystemen sind sie tabu, meint André Kramer
"Wir testen keine Betaversionen", gehört zu unseren Standardsätzen in der Kommunikation mit Softwareherstellern. Der Grund: Man findet haufenweise Programmfehler, der Hersteller bedankt sich und verspricht, sie bis zum Release zu beheben. Damit hat er einen Teil der mühsamen und langwierigen Qualitätskontrolle an uns abgetreten. Zu berichten gibt es nichts. Ignorieren können wir die Abstürze der Beta aber auch nicht – eventuell ist die finale Version genauso instabil.
"Was geht mich das an?", fragen Sie zu Recht. Nun, es gibt einen Trend, die angesprochene Qualitätssicherung nicht nur von unvorsichtigen Redakteuren, sondern von allen interessierten Nutzern erledigen zu lassen. Die dürfen sich besonders geehrt fühlen, einen "early access" zum Beta-Programm zu erhalten. Den exklusiven Zugang zum Neuesten vom Neuen bezahlen sie mit ersten Erfahrungen und Absturzberichten – völlig legitim.
Was sich früher an einen sorgfältig ausgesuchten Kreis richtete, der über Risiken und Chancen unterrichtet ist, adressiert immer häufiger die breite Masse. Adobe bietet vermehrt neue Betaversionen über seine Creative-Cloud-App an, oft mit dem lockenden Zusatz, sie seien kostenlos. Seit der Softwarehersteller generative KI nicht nur in Photoshop, sondern auch in Illustrator, Premiere Pro und After Effects integriert, erprobt er sie mit Vorliebe am breiten Publikum.
Und damit steht Adobe nicht allein da. Das Unternehmen Blackmagic Design listete auf der Downloadseite seiner Videobearbeitung DaVinci Resolve vor dem offiziellen Release lange Zeit zunächst die Version 19 Public Beta und erst danach das stabile Release 18.6. Viele Nutzer fühlen sich von der neuen Versionsnummer angezogen und installieren diese – unter Umständen mit Folgen für den Workflow.
Denn was die Downloadseiten verschweigen oder nur im Kleingedruckten erwähnen: Auf einem Produktivsystem haben Betaversionen nichts zu suchen. Eine auf einem c’t-Testrechner installierte und anschließend wieder (angeblich vollständig) deinstallierte Photoshop-Beta sorgte jüngst dafür, dass sich auch die vorhandene finale Version von Photoshop nicht mehr starten ließ. Am Ende half kein Basteln, sondern nur ein auf Werkseinstellungen zurückgesetztes System samt Neuinstallation. Es bleibt dabei: Finger weg von Beta-Software.
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(akr)