Buchhandelslobby geht gegen Bibliotheken wegen Kopienversand vor

Der subito-Verein der deutschen Bibliotheken soll seine digitalen und analogen Lieferdienste für Aufsätze und Bücher einstellen und sieht damit die Informationsversorgung der Wissenschaft existenziell bedroht.

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Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels liegt mit dem in Berlin ansässigen Dokumentenlieferdienst subito der Bibliotheken im Clinch. Vordergründig geht es in dem Streit um den Versand von Aufsätzen und Auszügen aus Büchern in digitaler Form ins Ausland. Doch der Kern der Auseinandersetzung dreht sich um die Frage, inwiefern einzelne Buch- und Zeitschriftenbeiträge im digitalen Zeitalter künftig jeweils individuell lizenziert werden müssen. Dadurch würden sich die elektronischen Dienste stark verteuern und durch die Einzelverhandlungen sehr aufwendig gestalten, fürchten Bibliothekare und Bildungspolitiker. Torpediert werden solle "die Versorgung der Wissenschaft" mit Informationen, fürchtet der subito-Vorsitzende Uwe Rosemann. Die moderne Fernleihe insgesamt sei bedroht.

Die Auseinandersetzung rankt sich um zentrale wirtschaftliche Fragen der Verlage auf der einen und der Förderung der Wissensgesellschaft mit den dahinter stehenden politischen Interessen auf der anderen Seite. Eine Eskalation steht nun unmittelbar bevor: Die Lobbyvereinigung der Verleger hatte dem zentralen Versandservice, der vom Bundesforschungsministerium und von den Kultusministern der Länder gefördert wird, über ihre Münchner Anwaltskanzlei Schulze, Küster, Müller, Mueller Mitte Mai eine gesalzene Abmahnung geschickt. Im Namen auch der Stichting STM, dem internationalen Verband der Verleger im Bereich Science, Technology und Medizin, soll sich subito verpflichten, Beiträge aus den Publikationen der angeschlossenen Wissenschaftsverlage per E-Mail oder über Download-Möglichkeit, per Post oder Fax Interessenten im In- oder Ausland nicht mehr anzubieten. Bei Missachtung der Unterlassungserklärung hat die Buchhandelslobby saftige Konventionalstrafen in Höhe von 20.000 Euro für jeden Einzelfall angesetzt. Zudem soll der Lieferdienst Auskunft erteilen über sämtliche bereits verschickte Kopien sowie die damit erzielten Umsätze und "jeglichen Schaden" ersetzen.

Ende vergangener Woche hat sich subito nun entschieden, den Forderungen nicht nachzukommen. "Wir werden unsere Dienste fortsetzen", erklärte Rosemann gegenüber heise online. Was die Verlage sich ausbedingen, käme einem "Totschlag" subitos gleich, warnt der Direktor der Technischen Informationsbibliothek Hannover (TIB), die seit langem mit dem Börsenverein um den Dokumentenversand ringt. Unterstützung im Kampf gegen den "Rundumschlag" der Verleger erhält Rosemann von Gabriele Beger, Direktorin bei der Zentral- und Landesbibliothek Berlin. Sie empört vor allem, dass den Informationsmaklern sogar der vom Bundesgerichtshof 1999 erlaubte analoge Dokumentenversand untersagt werden soll. Die Bibliotheken dürften nach Vorstellung des Börsenvereins wohl nur noch "die Brieftauben zurückholen".

Mit der Ablehnung der Unterlassungserklärung läuft die Auseinandersetzung nun auf eine Klage des Börsenvereins hinaus. Noch sei nichts entschieden, betonte dessen Justiziar, Christian Sprang, gegenüber heise online. "Doch wer A sagt, muss auch B sagen". Prinzipiell würden zwar auch die Verleger einen "One Stop"-Dienst wie subito wollen, da dies für die Nutzer sinnvoll sei. Aber die momentanen Schnäppchenpreise der Bibliotheken kämen nicht in Frage. Sprangs Klientel ist vor allem verärgert darüber, dass die Kultusminister den elektronischen Dokumentenversand von den allgemeinen Bibliotheksabgaben abgedeckt sehen wollen und die Verwertungsgesellschaft Wort mitten in den Gesprächen zwischen Verlegern und Bibliotheken zur Erteilung entsprechender gesetzlicher Pauschallizenzen aufgefordert hätten. Der Jurist kritisiert: "Man will also mit dem Mercedes fahren, aber nur den Fiat Panda bezahlen."

Durch Verhandlungen wird sich die Kluft zwischen den Streitparteien nun kaum noch schließen lassen. Sprang berichtet davon, dass Wissenschaftsverleger ihr zunehmendes "Artikel-Business" mit 30 US-Dollar pro Fachbeitrag veranschlagen. Bei subito erhalten Studenten im günstigsten Tarif dagegen Artikel digital schon für vier Euro. Einer Klage sehen die Bibliotheken aber relativ gelassen entgegen: Sie setzen auf den Gesetzgeber, der im so genannten 2. Korb der Urheberrechtsnovelle eine gesetzliche Regelung auch für den Dokumentenversand per E-Mail avisiert habe. Bei der ersten Reformstufe hatte der Börsenverein allerdings in letzter Minute noch eine Klausel verhindern können, die das Herstellen auch digitaler Kopien durch Dritte für zulässig erklären wollte. (Stefan Krempl) / (jk)