Die Nanowerkbank

Chinesische Forscher haben eine Möglichkeit gefunden, Materie mit einem Kraftmikroskop nanometergenau zu hobeln und zu schneiden. Da werden wir über Nano-Maschinen noch einmal neu nachdenken müssen.

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Von
  • Niels Boeing

Eine der Kernideen der Nanotechnik ist der so genannte Bottom-up-Ansatz: Anstatt ganze Materialblöcke zu formen oder Teile herauszuschneiden, sollen Objekte Atom für Atom zusammengebaut werden. Popularisiert hat diese Idee in den achtziger Jahren Eric Drexler mit dem Konzept der so genannten Assembler - winzige Maschinen, die diesen atomaren Zusammenbau übernehmen sollten. Also Addition von Atomen statt Subtraktion von Atomen, wie Jahrtausende üblich. Für Drexler ist dies der qualitative Sprung überhaupt, der die Nanotechnik ausmacht.

Eine Krux an seinem Konzept war freilich die Frage, wie überhaupt der erste Assembler entstehen könnte. Zwar wurden mit Rastertunnelmikroskop (STM) und Kraftmikroskop, ebenfalls in den Achtzigern, zwei Werkzeuge erfunden, die einzelne Atome bewegen können. Aber mit ihnen auch nur einen einzelnen Greifarm für einen Assembler zu bauen, wäre schon ein Herkulesprojekt. Der Manipulator, den Drexler 1992 in "Nanosystems" (S. 401) zeigte, würde aus vier Millionen Atomen bestehen. Wenn es gelänge, mit einem STM jeden Tag, rund um die Uhr, alle zwei Minuten ein Atom hinzuzufügen, würde das noch 15 Jahre und knapp drei Monate dauern.

Die einzigen Bottom-up-Verfahren, die es bislang gibt, beruht auf der physikalischen Selbstorganisation von Atomen beziehungsweise Molekülen zu periodischen Strukturen oder dem so genannten DNA-Origami. Für einen Nanomaschinenbau taugen sie bislang beide noch nicht. Aber vielleicht ist für Nanomaschinen der Bottom-up-Ansatz bald nicht mehr nötig. Eine Gruppe von chinesischen Forschern um Shen Dong vom Harbin Institute of Technology und Xiaodong Li von der Universität South Carolina hat nämlich eine höchst originelle Arbeit vorgestellt: Ihnen gelang es, mit einem Kraftmikroskop (AFM) wie an einer Werkbank dreidimensionale Nanostrukturen herauszuarbeiten. Und zwar nicht nur relativ "grobe" Strukturen.Nein: "Das AFM ermöglicht eine mechanische Bearbeitung mit Strukturgrößen von einem Nanometer oder weniger", sagt Li auf Nanowerk.com .

Ein mechanisches Top-Down-Verfahren im Nanometer-Bereich. Das ist ein Kracher. Das hatte man bisher nicht für möglich gehalten. Die Spitze des AFM hobelt, schneidet oder zerfurcht den Materialblock, wenn der Andruck nur groß genug ist und sie mit einer rückgekoppelten Präzisionssteuer-Plattform bewegt wird. Wie Nanobildhauer haben die Forscher als Proof of Principle ein 120 mal 120 Mikrometer und 120 Nanometer hohes Relief-Bild von Shen Dong aus einem Substrat herausgearbeitet.

Laut Li hat dieses "Nanomachining" einen hohen Durchsatz. Bearbeiten lassen sich Metalle, Halbleiter und Polymere. Wenn es Li, Dong und ihren Kollegen gelingt, eine richtige Nanowerkbank mit mehreren AFM-Spitzen zu bauen, eröffnen sich für den Nanomaschinenbau ganz neue Möglichkeiten. Zwar nicht für eine Serienproduktion etwa von Transistoren. Aber ein Greifarm wie der von Eric Drexler konzipierte ist plötzlich keine halbe Lebensaufgabe mehr, sondern könnte vielleicht schon innerhalb der nächsten fünf Jahren realisiert werden.

Dann werden wir über das oft belächelte Assembler-Konzept und seine Konsequenzen womöglich noch einmal neu nachdenken müssen.

Das Paper: Yongda Yan et al.: "Top-Down Nanomechanical Machining of Three-Dimensional Nanostructures by Atomic Force Microscopy", Small, Vol. 6, S. 724 - 728 (Abstract)

(nbo)