Kritiker wollen ACTA abspecken

Während einer erneuten Anhörung der Grünen im Europaparlament wurde deutlich, dass Verbraucherschützer und andere Aktivisten insbesondere Sanktionen gegen Patentverletzungen kritisch sehen.

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Von
  • Monika Ermert

Der Streit um das geplante Anti-Piraterie-Abkommen ACTA ist nach der Veröffentlichung des Textes voll entbrannt. Im Rahmen einer von den Grünen initiierten Anhörung im Europaparlament am Dienstag kritisierten Gegner verstärkt einzelne Bestimmungen des von der EU, den USA und neun weiteren Staaten verhandelten Abkommens. Die Verbraucherorganisationen Health Action International und Knowledge Ecology International (KEI) forderten dabei, Sanktionen gegen Patentverletzungen komplett aus ACTA zu streichen.

KEI-Chef James Love kritisierte die Verschiebung der Gewichte zugunsten der Rechteinhaber: Die Bestimmungen zu Schadenersatzzahlungen "haben Leute geschrieben, die immer als Kläger auftreten, aber nie selbst in der Rolle der Verklagten sind". Auch die Schrankenregelungen, die der US-Gesetzgeber vorsehe, würden mit ACTA einfach vom Tisch gewischt. "Die USA haben Bestimmungen eingebracht, die gegen geltendes EU-Recht verstoßen, die EU solche, die gegen US-Gesetze verstoßen", erklärte Love.

Letztlich gebe es nur eine gute Lösung für ACTA, befand Jeremy Zimmermann von La Quadrature du Net: "ACTA muss komplett abgelehnt werden". Bisherige Beschränkungsversuche wie des EU-Parlaments reichten nicht. Vielmehr solle konsequent die Legitimität des Verfahrens infrage gestellt werden. In der Schweiz, so berichtete Zimmermann, werde bereits diskutiert, ob das als Unterhändler auftretende Institut für Geistiges Eigentum überhaupt einen Vertrag von solcher Tragweite ohne Parlamentsbeteiligung aushandeln könne.

Joe McNamee von der Nutzerorganisation Europe Digital Rights (EDRI) erklärte, selbst wenn ACTA morgen aufgegeben werde, bleibe die Debatte um eine verstärkte Haftung der Internet Service Provider und die Übernahme von Hilfspolizeiaufgaben auf der Agenda. Die EU-Kommission betreibe dazu aktuell gleich drei verschiedene Verfahren. McNamee erklärte, die drohende Kontrollpflicht der Provider über ihre Nutzer sei mit den Grundrechten in Europa schlicht nicht vereinbar und verbiete sich auch, weil die EU verpflichtet sei, auch in anderen Ländern eine gesunde Demokratie zu befördern. Die Streichung der Three-Strikes-Fußnote aus dem aktuellen Entwurf überzeuge ihn nicht, denn im Zweifel werde auf die Entstehungsgeschichte eines internationalen Vertrages zurückgegriffen, um zu entscheiden, was die Vertragspartner eigentlich gemeint hätten.

Indien befürchtet erhebliche Einschnitte beim Handel mit generischen Medikamenten. Ashutosh Jindal von der indischen Botschaft begrüßte in der Anhörung zwar Ankündigungen der EU und den USA, dass ACTA bestehende internationale Vereinbarungen unangetastet lassen werde, die Regierungen flexible Regelungen für den Medikamentenzugang ermöglichten. Allerdings stehe der ACTA-Text dazu im Widerspruch. Jindal warnte insbesondere vor der Verschärfung der Maßnahmen der Grenzbehörden, die von Amts wegen und auf einen bloßen Verdacht hin tätig werden können. Durch solche Regelungen sei der Warenverkehr mit Generika stark bedroht. ACTA würde die "delikate Balance" stören, die etwa Abkommen über handelsbezogene Aspekte des Geistigen Eigentums (TRIPS ) zwischen den Interessen einiger weniger und denen von Milliarden von Menschen ziehe. (anw)