Mit WLAN im Verbund auf der Autobahn

Autos sollen in Zukunft mit Hilfe von IPv6 und WLAN zu "kooperativen Fahrzeugen" werden. Das Projekt Cooperative Infrastructure Vehicle Systems wurde gestern erfolgreich vorgeführt.

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Von
  • Detlef Borchers

Im Rahmen des Projekts Cooperative Infrastructure Vehicle Systems (CVIS) sind auf der A5 zwischen Frankfurt Rödelheim und Frankfurt Zeppelinheim die ersten 20 Roadside Units (RSU) installiert worden. Bei einer Vorführung wurde gezeigt, wie Fahrzeuge im regulären Verkehrsbetrieb via IPv6 und WLAN Informationen von diesen RSU bekommen und wie sie untereinander in einem Ad-Hoc-Netzwerk Informationen austauschen. Nun geht es darum, die Alltagstauglichkeit aller Komponenten zu testen.

Vier Jahre nach dem Start der ersten Planungen ist das erste größere digitale Verkehrsinformationssystem auf Basis von GSM/WLAN operabel und kann von "kooperativen Fahrzeugen" genutzt werden. Auf zehn Kilometern der verkehrsreichen A5 kommunizieren sie mit den RSUs, die etwa die aktuellen Geschwindigkeitsbegrenzungen von Streckenbeeinflussungsanlagen zum Fahrzeug schicken und im Gegenzug von der On-Board-Unit (OBU) im Fahrzeug Positionsdaten und Geschwindigkeit des Fahrzeuge gemeldet bekommen. Verkehrsdaten der Leitzentralen und Fahrzeugdaten fusionieren und sollen für eine bessere neue Informationsqualität als beim System Traffic Message Channel (TMC) sorgen.

Mit WLAN im Verbund auf der Autobahn (8 Bilder)

RSU (Road Side Unit)

CVIS ist ein gesamteuropäisches Projekt mit 62 Industriepartnern und einem Budget von 41 Millionen Euro. 22 Millionen Euro kommen dabei von der Europäischen Union. Innerhalb von CIVIS werden urbane Szenarien wie die intelligente Ampelkreuzung in Dortmund getestet oder die dynamische Anlieferung von Gütern durch Lieferwagen in Londons Camden Town. Eine inter-urbane Steuerung von Verkehrsflüssen wird zwischen Rotterdam und Antwerpen getestet.

In Hessen befindet sich dank der Aktion staufreies Hessen eine der größten Verkehrsleitzentralen weltweit, die über 2000 Induktionsschleifen mit Informationen über die Autobahnnutzung versorgt wird. Hier wird vor allem die "Always-On-Funktionalität" der Fahrzeuge und die Kommunikation mit der Leitzentrale im harten Alltagsbetrieb auf einer vielspurigen Autobahn getestet. Zunächst wird ausgehend von der Zentrale in Rödelheim mit WLAN gearbeitet, später nach dem CALM-Standard ( Communication Access for Land Mobiles), wo das Fahrzeug selbst den bestmöglichen Kommunikationskanal bestimmt und nutzt (WLAN, GMS/UMTS, Infrarot oder Bluetooth).

20 RSUs entlang der Autobahn werden per GSM/UMTS mit Verkehrsinformationen versorgt und funken diese in die Testfahrzeuge. Von diesen bekommen sie zunächst nur Position, Richtungsvektor und Geschwindigkeit sowie die IPV6-Adresse des Fahrzeugs gemeldet. Schon bald soll diese Adresse ein fester Bestandteil der Serialisierung aller Fahrzeuge sein.

Neben den OBUs in den Fahrzeugen und den RSU-Kästen an der Autobahn besteht CVIS aus Host-Systemen und dort laufender Middleware, die die Nachrichten der Leitzentrale in den LTSM-Standard umrechnen (Local Traffic States for Motorways) und zu den jeweiligen CVIS-Routern schicken, die abschnittsweise die RSU bedienen. Alle entwickelten Systeme basieren auf Ubuntu Linux, wobei in den OBU wie RSU ein spezieller Realtime-Kernel verwendet wird. Ähnlich wie die Festlegung von CALM und IPv6 gehört die Entscheidung für Ubuntu zu den europaweiten Standards, die mit CVIS gesetzt werden.

Im hessischen CVIS-Projekt besorgte die Firma Mat.traffic die Programmierung der CVIS-Hardware und entwickelte gemeinsam mit der PTV AG ein "Radar View" genanntes System aus dem COMO (Cooperative Monitoring) genannten Teilprojekt. Unterstützt von den RSUs aber auch über die direkte Car-to-Car-Kommunikation per WLAN wird die Position aller eingeloggten Fahrzeuge auf einer Landkarte gezeigt. Dieses System funktionierte während der Vorführung gut, gelegentlich verschwand ein Fahrzeug des Pulks, wenn die WLAN-Kommunikation bei Geschwindigkeiten um 120 km/h gestört war, tauchte jedoch nach wenigen Sekunden wieder auf. Im nächsten Schritt soll diese "Flottenanzeige" um spezifische Warnungen, wie zum Beispiel "Wagen bremst", ergänzt werden, die die Fahrzeuge untereinander austauschen.

Dritter Entwicklungspartner im CVIS-Projekt ist die Abteilung Stauforschung der Daimler AG, die mit ihren Rechnern auch die Vorhersagen für den neuen Reisezeitservice im Rhein-Main-Gebiet liefert. Daimler geht es um die Daten, die im Rahmen von CVIS über die Streckenbeinflussungsanlagen (SBA) etwa 50 Meter vor einer SBA-Brücke per WLAN in das Fahrzeug gesendet werden, das auf diese Weise über die neuesten Geschwindigkeitsvorgaben vor Ort informiert ist. Auch dieser Teil des Tests funktionierte während der Vorführung zumindest auf einer Fahrstrecke vorbildlich, hatte auf der Rückfahrt bei sehr starkem Regen aber Probleme. Offenbar hatten die ebenfalls beim CVIS-Projekt zu testenden eFCD-Geschwindigkeitssensoren (Enhanced Floating Car Data) Mühe, das Tempo zu bestimmen.

Unabhängig von CVIS forscht Daimler seit Jahren in Hessen über die Berechnung hochpräziser Verkehrszustände und nutzt das Testgebiet, um die Kernersche These 3-Phasen-Verkehrstheorie zu validieren. Die nüchterne Erkenntniss der Forscher steht im herben Gegensatz zu CVIS wie der ehrgeizigen Operation "staufreies Hessen" insgesamt: "Durch kollektives Verhalten im Verkehr entwickeln sich alle Staus auf Schnellstraßen in gleicher Weise." Unter dieser Prämisse geht es in Zukunft nicht nur darum, den Verkehr am Fließen zu halten, sondern auf dem entstehenden Markt der Verkehrsinformationssysteme den Anbieter zu finden, der die präzisesten Daten liefert, mit denen dann ein Stau umfahren werden kann. (anw)