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Verkanntes Talent

40 Jahre Porsche 928

Autos iga
Klassiker

Der Porsche 928 erschien vor vierzig Jahren als vermeintlicher Nachfolger des 911. Der V8 besaß mächtig Schub und moderne Technik. Bei seiner Einstellung 1995 weinte ihm zunächst niemand eine Träne nach. Heute scheinen ihm die Porsche-Fans vergeben zu haben

Der Porsche 928 erschien vor vierzig Jahren als vermeintlicher Nachfolger des 911. Der V8 besaß mächtig Schub und moderne Technik. Bei seiner Einstellung 1995 weinte ihm zunächst niemand eine Träne nach, doch heute scheinen ihm die Porsche-Fans vergeben zu haben und entdecken immer häufiger, dass der 928 zwar kein richtiger Sortwagen, dafür aber ein Granturismo mit hoher Alltagstauglichkeit ist, wie die steigenden Gebrauchtpreise beweisen.

Vor vierzig Jahren auf dem Genfer Autosalon vorgestellt sollte der 928 mit dem gewaltigen V8 nach dem Willen der Geschäftsführung in Weissach langfristig den 911 ablösen. Obwohl der Plan nicht funktionierte, hat sich der 928 in 18 Baujahren 61.291 Mal verkauft. Damit lag er immer deutlich unter den Stückzahlen des 911. Porsche hatte damals den entscheidenden Denkfehler begangen, den 928 als Nachfolger eines reinrassigen Sportwagens einzuplanen, dabei war er eigentlich ein Gran Tourismo und kam schon alleine aufgrund seines Gewichts nie an die Handlichkeit des heckgetriebenen 911 heran. Die Schmähungen der 911er-Fans taten dem 928 insofern unrecht, denn er war ein ausgezeichnetes Auto für den Alltag – sogar mit halbwegs großem Kofferraum und praktischer Heckklappe –, taugte auch für die Rennstrecke und hat bis heute nichts von seiner Faszination verloren.

Vermeintlicher 911-Nachfolger

Der Startschuss für die Entwicklung des 928 fiel bereits 1971 und im Lastenheft standen neben einem V8 vorne die Transaxle-Bauweise, die auch im Porsche 924 [1] verwendet wurde. Das Getriebe und Differenzial an der Hinterachse wurde über ein starres Transaxle-Rohr mit dem Motor verbunden. Das Ergebnis war eine paritätische Gewichtsverteilung auf Vorder- und Hinterachse, gleichzeitig gewann der Innenraum an Platz.

Porsche hatte einen wassergekühlten, kurzhubigen V8 aus Aluminium konstruiert mit je zwei Nockenwellen pro Zylinderbank und hydraulischen Tassenstößeln. Der 4,5-Liter-Motor spielte mit 240 PS und 350 Nm Drehmoment 1977 ganz oben mit bei den Kraftprotzen. Doch während seiner gesamten Bauzeit hatte er schwer zu tragen, schon das erste Modell brachte es auf 1450 kg. Immerhin katapultierte er den 2+2-Sitzer in 6,8 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h und erreichte für damalige Zeiten eindrucksvolle 230 km/h. Selbst bei hohen Geschwindigkeiten lag er unerschütterlich auf der Bahn, dank der sogenannten Weissach-Hinterachse, die bei Last (Schub oder Bremsung) selbstständig in eine stabilisierende Vorspur [2] ging.

1978 wurde der Porsche 928 zum „Auto des Jahres“ gewählt – als erster Sportwagen überhaupt. Seine markanten Klappscheinwerfer liebte oder hasste man, aber sie verbesserten die Aerodynamik der flachen Front, zumindest solange das Licht aus blieb. Seine ausufernden Trinksitten reduzierte Porsche ein Jahr später, indem die Verdichtung von 8,5:1 auf 10:1 angehoben wurde, was außerdem das maximale Drehmoment auf 380 Nm bei 3600/min ansteigen ließ. Der Fahrer musste allerdings das teurere Superbenzin zu tanken.

Bis 1982 verkaufte sich der 928 rund 19.000 Mal, dann wurde er endgültig vom 928 S abgelöst, der bereits 1980 herauskam. Er unterschied sich optisch deutlich durch schwarze Kunststoffspoiler vorne und hinten, die den cW-Wert auf 0,38 drückten. Der 928 S hatte einen 4,7-Liter-V8, dank einer um zwei Millimeter vergrößerten Bohrung, und brachte es auf 300 PS bei 5900/min sowie ein Drehmoment von 385 Nm bei 4500/min. Außerdem erhielt er eine geänderte Ansaug- und Abgasanlage. Die S-Version rollte auf geschmiedeten Fuchsfelgen mit Reifen in der Dimension 225/50VR16. So gerüstet stürmte der 928 S in 6,6 Sekunden auf 100 km/h und erreichte 250 km/h Höchstgeschwindigkeit.

Ab 1984 baute Porsche statt einer mechanisch eine elektronisch geregelte Benzineinspritzung von Bosch ein, was 310 PS und 400 Nm brachte. Ein ABS gab es schon ab 1983 gegen Aufpreis und im nächsten Baujahr erhielt der 928 S als erstes Auto weltweit das Anti-Blockier-System serienmäßig. Auch wenn das Leergewicht inzwischen auf 1530 kg geklettert war, stieg der Topspeed auf 255 km/h und der Sprint auf 100 km/h gelang nun in 6,2 Sekunden. 1986 gab es den 928 mit fünf Liter Hubraum und Katalysator, allerdings sank die Leistung deshalb auf 288 PS.

928 S4 mit neuer Karosserie

Der 928 S4 brachte ab 1987 deutliche Veränderungen an der Karosserie und kam auf einen cW-Wert auf 0,34. Er zeigte sich nun rundlicher und mit größeren Rücklichtern, am auffälligsten war der Flügel auf dem Heck. Doch auch unter der langen Motorhaube hatte sich einiges getan. Der Fünf-Liter-V8 glänzte mit neuen Zylinderköpfen und veränderten Brennräumen, neuen Kolben, zwei Elektrolüftern und einer überarbeiteten Einspritzung. Als Ergebnis standen 320 PS zu Buche und er sprintete mit Schaltgetriebe in 5,9 Sekunden auf Tempo 100 und schaffte 270 km/h, die Automatik-Version benötigte 0,4 Sekunden länger und kam auf 265 km/h. 1988 präsentierte Porsche ein Sondermodell mit der Bezeichnung 928 CS (für „Clubsport“). Sein Gewicht war um rund 120 kg reduziert und der Motor auf 320 PS erstarkt. Im Jahr darauf erschien der 928 GT mit Schaltgetriebe, der es – dank schärferen Nockenwellen – auf 330 PS und 430 Nm brachte, während der 928 S4 nur noch mit Automatik erhältlich war.

In seiner finalen Version ab 1992 nannte sich der V8-Porsche 928 GTS und beeindruckte mit 5,4 Litern Hubraum. Die hinteren Kotflügel waren weiter ausgestellt und er rollte auf 17-Zoll-Cup-Felgen. Der Motor mobilisierte 350 PS bei 5700/min und 500 Nm bei 4250/min. Sein Leergewicht kletterte auf 1620 kg, weshalb sich die Fahrleistungen auch nur marginal verbesserten, für den Sprint gab Porsche 5,7 Sekunden (Schaltung) bzw. 5,9 Sekunden (Automatik) an, in der Höchstgeschwindigkeit erreichten beide Versionen 275 km/h.

Verkanntes Talent

Im Oktober 1995 verließ der letzte Porsche 928 GTS das Werk in Zuffenhausen. Eine Ära ging zu Ende, er hatte den hausinternen Kampf gegen den 911, den er eigentlich beerben sollte, verloren. Damals gab es keinen Nachruf, keine Trauerbekundung der Porsche-Fans. Eher ging der Tenor dahin, dass man froh über das Aus für den schweren 928 war und Porsche den Fokus auf den agilen 911 legte.

Doch die Zeit korrigiert viele Ansichten. Wer heute das Glück hat, in einem der raren 928er den Motor anlassen zu dürfen, wird augenblicklich eine Gänsehaut bekommen. Der V8 verbreitet eine Klangkulisse, der sich niemand entziehen kann. Dumpf bollernd schon im Leerlauf, steigert sich die Tonlage über ein heiseres Fauchen bis zum ungenierten Röhren knapp vor dem roten Bereich, wohlgemerkt ohne dabei profan laut zu werden. Der 928 macht ganz unmissverständlich klar, dass hier ein mächtiger Motor seine Arbeit verrichtet und beeindruckt immer noch mit sattem Durchzug. Im 928 GTS liegen von 1200 bis 6000/min stets über 400 Nm Drehmoment an. Man cruist ständig auf einer Drehmoment-Woge und die Lässigkeit, mit der der 928 bei Gasbefehlen losstürmt, beeindruckt auch heute noch. Natürlich bietet er nicht die Agilität des 911ers, kann sich aber durchaus achtbar in Szene setzen. Besonders in schnellen, langgezogenen Kurven zieht er unerschütterlich seine Bahn und gehört sicher immer noch zu den ganz schnellen Fahrzeugen im Land.

Zumindest beim Thema Alltagstauglichkeit schlägt er den heckgetriebenen 911 sogar, immerhin lassen sich im Kofferraum unter der Heckklappe locker zwei große Koffer plus Kleinkram unterbringen, vorausgesetzt, die beiden Notsitze wurden vorher umgelegt. Die bieten übrigens für Passagiere im Fond mehr Beinraum als im 911. Der Innenraum ist auch nach über zwei Jahrzehnten immer noch sichtbar hochwertig. Wer auf den sehr bequemen Ledersizen Platz nimmt, fühlt sich auf Anhieb wohl und blickt auf das vertraute Porsche-Cockpit. Einzig beim Starten muss man sich umgewöhnen, das Zündschloss sitzt nämlich rechts vom Lenkrad. Zugegeben, der 928 ist beim Fahren ein wenig unübersichtlich, allein schon wegen der langen Motorhaube, lässt sich aber selbst im dichten Innenstadtverkehr problemlos bewegen. Mit 4,52 m ist er aus heutiger noch nicht einmal sonderlich lang.


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