zurück zum Artikel

Kurzes Innehalten des Downsizings nach Klopfzeichen aus dem Motor

Ausgeknockt?

Technik Florian Pillau
Downsizing

Wissenschaftler wollen das gefürchtete Klopfen enträtselt haben. Obwohl sie dabei nur längst Bekanntes gefunden haben versprechen sie den Motorenbauern nun noch höhere Literleistungen. Die Effizienz soll so um bis zu 30 Prozent steigen. Wenn das mal gut geht

München, 16. April 2013 – Auto-Praktiker und aufmerksame Menschen mit guten Ohren kennen das Phänomen, insbesondere, wenn sie mit älteren Otto-Motoren befasst waren: Das sogenannte Klingeln oder Klopfen. Benannt ist es nach dem charakteristischen Geräusch, das je nach Motor, Belastung und Drehzahl eher hoch (ähnlich Nägeln, die in unregelmäßiger Folge auf eine Blechplatte fallen), dumpf hämmernd, klackend oder auch nagelnd wie bei einem Dieselmotor tönen kann. Anglophone nennen es „knock“ und das Phänomen kann tatsächlich schnell einen veritablen Knockout für den Motor bedeuten. Denn ausgelöst wird es von Explosionen – und die haben in einem Verbrennungsmotor – der Name sagt es – nichts zu suchen!

Möglicher Knockout

Die Verbrennungsgeschwindigkeit, mit der sich die Flammfront von der Zündkerze kugelförmig ausbreitet, liegt bei Ottomotoren etwa im Bereich zwischen 20 und 35 m/s, das ist der Normalfall. Nur bei Selbstentzündung des Gemischs kann es zu unerwünschten Explosionen und sogar Detonationen kommen. Die Neigung des des Treibstoffs zur Selbstenzündung ist abhängig von seiner chemischen Zusammensetzung. Die Oktanzahl ist ein Maß für die Empfindlichkeit für Selbstentzündung von Ottokraftstoffen. Eine hohe Oktanzahl bedeutet einen langen Zündverzug oder eine geringe Zündwilligkeit des Kraftstoff-Luft-Gemisches. Anders ausgedrückt: Je kürzer der Zündverzug ist, desto höher ist die Gefahr der Selbstzündung. Um den Wirkungsgrad heutiger Motoren erreichen zu können, wurde die Klopffestigkeit des Sprits durch Additive ab den 1930er-Jahren immer weiter heraufgesetzt – analog der steigenden Verdichtung und Literleistung der Motoren.

Gefährliches Störfeuer

Eine Explosion hat eine Flammfrontgeschwindigkeit zwischen 100 und 500 m/s, eine Detonation mehr als 500 m/s. Der Unterschied zur Verbrennung ist gewaltig: Während diese im Motor den Druck erzeugt, mit dem der Kolben die Kurbelwelle dreht, ist der plötzliche, kurzfristige Druckaufbau bei einer Explosion nicht nur ineffizient, sondern zerstört über kurz oder lang auch den Motor.

Das kann je nach Art des Klopfens und abhängig vom Motor den Kolben oder die Pleuellagerung betreffen. Mir persönlich ist auch schon die Variante angeschmolzener Aluminium-Zylinderköpfe untergekommen. Bei modernen Motoren geben Trägheitssensoren dem Steuergerät ein Signal, sobald die Verbrennung außer Kontrolle gerät. Dann wird als erste Maßnahme der Zündzeitpunkt zurückgeregelt, auch kann kurzzeitig das Gemisch angefettet werden. Fetteres Gemisch neigt zwar zu späterer Selbstentzündung, ist jedoch unerwünscht im Sinne der Motoreffizienz.

Unerwünschter Brandbeschleuniger

Heutige hoch verdichtende Motoren mit Turboaufladung – früher ein Widerspruch in sich – und magerem Gemisch – früher gar nicht lauffähig – sind zwar sparsam und bieten eine hohe Literleistung, allerdings auch die schwierigsten Randbedingungen für eine kontrollierte Verbrennung. In solchen Downsizing-Motoren [1] kommt es sogar zum sogenannten Superklopfen, das den Motor in Sekunden zerstören kann. "Super"-Klopfen, heißt es, weil es ein auf dem normalen Klopfen gewissermaßen aufsitzendes Phänomen ist, die Wortbildung funktioniert analog der "Super-Infektion", in der eine Infektion auf einer schon bestehenden quasi aufsitzt. (Lat. super bedeutet auf Deutsch drüber. Dieser Wissenschaftsjargon hat nichts mit Vulgär-Wortbildungen wie Super-RTL zu tun). Eine der gängigen Theorien besagt, dass ein paar herkömmliche Selbstentzündungen Verbrennungsrückstände, etwa Ölkondensat, lösen, dessen Partikel dann als Brandbeschleuniger für eine Detonation weit vor dem „normalen“ Klopfen wirken können. Das heimtückische an dieser Variante ist, dass man es weder hören noch mit üblichen Mitteln unterbinden kann. Hier muss zuverlässig die Einspritzung ausgesetzt werden – mit spürbarem Rucken und Ruckeln. Unakzeptabel für heutige Autokäufer.

Lästiger Sicherheitsabstand

Die Gefahr der schnellen Zerstörung machte irreguläre Verbrennungen schon seit der Frühzeit des Motorenbaus ab 1912 zu den gefürchtetsten Betriebsstörungen. Seither haben sich die Ingenieure einiges einfallen lassen, dieses Phänomen zu verhindern. Dennoch gehört ein großer Sicherheitsabstand zu extremen Verdichtungsverhältnissen oder Aufladegraden immer noch zu den grundsätzlichen Maßnahmen. Das ist unbefriedigend, weil es die Effizienz auch heute noch deutlich einschränkt. Immerhin gilt immer noch die Faustregel, dass die Erhöhung des Verdichtungsverhältnisses um einen Punkt etwa zwei Prozent Verbrauchsreduktion bringt. Hier der Erkenntnisstand aus den Jahren 1912 und 1913:

„Die Gefahr der vorzeitigen Zündung wird um so größer, je höher die Verdichtung. Obschon dies einen Vorteil bedeutet für die Beherrschung der Druck- und Temperaturverhältnisse, so sind andererseits wesentliche Nachteile gegeben in der geringeren Wärmeausnutzung und in der geringen Völligkeit des Diagramms. Der Brennstoffverbrauch ist also relativ ungünstiger …“. Polytechnische Rundschau, 1912, ROMBERG, Seefischerei-Motoren, Band 327 (S. 17–20). „Es gibt eine Grenze, bei der eine Vergrößerung der Verdichtung den Wirkungsgrad der Maschine nicht mehr erhöht, aber schon vorher wird die für die Flächeneinheit abgeleitete Wärmemenge so groß, daß die Kühlung sehr schwierig wird. Frühzündungen, die hierbei auftreten, rühren dann wohl von der Ueberhitzung der inneren Wandfläche oder der darauf sitzenden Verunreinigungen her. Wenn die Wände rein und kühl bleiben, werden auch bei vergrößerter Verdichtungsspannung die Frühzündungen vermieden“. Polytechnische Rundschau, 1913, Band 328 (S. 374–382, Kein Autor angegeben).

Ausweg Kühlschrankprinzip

Hier werden bereits zwei Auslöser genannt: Zu große Hitze und Glutnester aus Ölablagerungen. Zu heiß können aber nicht nur das Gas oder die genannten Verunreinigungen werden: Auch eine Zündkerze mit zu geringem Wärmewert, die zu wenig Hitze ableiten kann, glühende Auslassventilteller oder so genannte Altgasnester, also Bereiche im Zylinder mit heißem Restgas aus der vorangegangenen Verbrennung können Selbstentzündungen auslösen. Und das sind nur die häufigsten Ursachen.

Als Abhilfe wirken nur recht aufwändige, konstruktive Maßnahmen, die alle im Motorsport erprobt sind: Möglichst kompakte Brennräume ohne Ventiltaschen und sonstige Winkel. Doppelzündung, um mit gewissermaßen halbierter Flammfront ein schnelleres Durchbrennen des Gemischs zu erreichen, was einen späteren, „kühleren“ Zündzeitpunkt ohne Leistungsverlust ermöglicht. Zentraler Kerzensitz, was die Doppelzündung meist erübrigt. Mehrventiltechnik, um die Ventilsitzfläche zu vergrößern und die Kühlung über die Ventilschäfte zu verbessern und damit die Ableitung der Wärme zu begünstigen. Direkteinspritzung des Kraftstoffs in die verdichtete Luft mit erheblicher Verdunstungskälte nach dem Kühlschrankprinzip.

Neue Grenze

Die Ergebnisse dieser kombinierten Maßnahmen sind verblüffend: Heute haben brave Kleinwagen Literleistungen jenseits 100 PS, was bis vor Kurzem reinen Sportmotoren vorbehalten war – wie etwa der Fiat Panda Twinair mit 77 kW/105 PS aus 875 ccm – und die Drehmomentelastizität aufgeladener Downsizing-Aggregate übersteigt mittlerweile die ihrer Diesel-Pendants.

Jüngstes Beispiel: Die neuen 1,6-Liter-Motoren von Opel [2]. Der Ottomotor [3] bringt es maximal auf 147 kW/200 PS bei bemerkenswert niedrigen 4700/min und liefert seine 300 Nm Drehmoment bereits bei 1700/min. Der 1.6 CDTI [4] dreht mit 320 Nm zwar noch etwas kräftiger, allerdings erst bei 2000 Touren. Ein ähnliches Bild bei den Motoren von Mercedes-Benz: Der Ottomotor M270 [5] mit 1,6 Litern Hubraum und 115 kW/156 PS hat 250 Nm bereits ab 1250/min und hält diese bis 4000/min, während der Diesel OM651 [6] mit 1,8 Litern Hubraum und 100 kW/136 PS seine 300 Nm erst ab 1600/min erreicht und „nur“ bis 3000/min liefert.

Die Ottomotoren sind also dank hoher Verdichtung plus Aufladung im Drehmoment inzwischen ganz nah bei den Dieseln, bieten es aber über einen weiteren Drehzahlbereich. Für die Fahrbarbeit ist diese Elastizität ein unschätzbarer Vorteil. Der Hinweis auf die Aufladung ist wichtig, denn man hat heute Kompression und effektiven Mitteldruck erhöhen können, was gleichermaßen der Fahrbarkeit (ohne Turboloch) und der Effizienz dient: früher soffen die in ihrer Verdichtung auf etwa 7:1 zurückgenommenen Turbo-Motoren ja über alle Maßen. Unter effektivem Mitteldruck kann man sich das Maß des Drehmoments bezogen auf den Hubraum abzüglich der Reibungsverluste vorstellen. Je höher, desto effizienter. Und doch scheint mit dem hochgefährlichen Superklopfen gerade wieder eine Grenze erreicht, die man gerne überwinden würde

Karlsruher Feuergucker

Hier setzt die Forschungstätigkeit der Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) an. Sie halten einen Effizienzgewinn von ganzen 30 Prozent für möglich, wenn sich mithilfe der Aufladung der Mitteldruck noch weiter anheben lässt. Dazu wurden an einem Zweiliter-Turbomotor mit Direkteinspritzung derlei Phänomene mit Endoskopen direkt beobachtet. Zu Beginn der Untersuchungen stand als erster und einziger Motor mit Direkteinspritzung und Aufladung nur der Audi 2.0 TFSI zur Verfügung. Um die Vorentflammungen auslösen und dabei den Ladedruck variieren zu können, wurde ein extern angetriebener mechanischer Kompressor dazugeschaltet, die Klopfregelung abschaltbar gemacht und der Motor mit einem von 0,7 auf bis zu 2,4 bar erhöhten Ladedruck und entsprechenden Einspritzmengen auf ein Drehmoment von 360 Nm hochfrisiert.

Die Wissenschaftler wurden während dieser Beobachtungen von der Weiterentwicklung ihres eigenen Versuchsobjekts beinahe eingeholt: Der damals aktuelle 2.0 TFSI hatte bei einem effektiven Mitteldruck von 18 bar serienmäßig eine Leistung von 147 kW bei 5700/min und ein Drehmoment von 280 Nm bei 1800 bis 4700/min, heute kommt der 2.0 TFSI mit 165 kW [7] zwischen 4500 bis 6250/min und 350 Nm bei 1500 bis 4500/min bei einem effektiven Mitteldruck von über 22 bar in Serienfahrzeugen wie dem Audi Q5 schon knapp an das Drehmoment des Versuchsmotors heran.

Entzündliche Reaktionen

In den Versuchsreihen zeigte sich, dass Vorentflammungen meist in der Nähe des Kolbenbodens oder der Zylinderwände auftreten. Beim Direkteinspritzer scheinen noch nicht verdampfte Kraftstofftropfen mit dem Schmierfilm an Zylinderwand glühende Brandbeschleuniger bilden zu können, darüber hinaus scheinen dem Schmieröl beigefügte Additive einen Einfluss auf die Entzündungswahrscheinlichkeit zu haben. "Generell sollte der Kraftstoff nicht in flüssiger Form an die Zylinderwand gelangen", sagte dazu Prof. Dr. Ulrich Spicher, der Leiter des Forschungsprojekts.

Diese Erkenntnis ist zwar nicht neu, wurde nun aber erstmals in einem aufgeladenen Direkteinspritzer sichtbar gemacht: „Die Schmiergefäße müssen eine sehr genaue Einstellung der Oelmengen und eine leichte Kontrolle gestatten, da zu reichliche Schmierung die Bildung von Oelrückständen am Kolben, an den Ventilen und in den toten Räumen zur Folge hat und außerdem Oelansammlungen die erwähnte Gefahr einer Explosion bilden können“. SPETTMAN, Die Schmierung der Verbrennungsmotoren, Polytechnische Rundschau, 1925, Band 340 (S. 1–3). Ebenfalls nicht neu sind die am KIT untersuchten Gegenmaßnahmen.

Bewährte Rezepte

Aus Karlsruhe tönt ein ermutigendes "weiter so!", denn: Als hilfreich konnte das KIT eine gezielte Beschleunigung der in den Motor strömenden Luft zu einer besseren Durchmischung des Luft-Kraftstoff-Gemisches im Zylinder identifizieren. Dazu werden schon seit Mitsubishis 97er GDI-Motoren, den ersten modernen Direkteinspritzern, sogenannte Drall- oder Tumble-Klappen eingesetzt. Und natürlich hat auch der Versuchs-TFSI serienmäßig Tubleklappen, deren Auslegung von Audi an die Aufladung angepasst wurden: Der Tumblewert, also die auf die Drehzahl bezogene Drehung des Gases im Brennraum musste gegenüber dem FSI erhöht werden.

Die elektrisch verstellbare Tumbleklappe versperrt im voll angestellten Zustand rund 2/3 des Ansaugkanalquerschnittes. Die dadurch erhöhte Ladungsbewegung ermöglicht größere Überschneidungen bei der Einlassnockenwelle. Entscheidender, aber eigentlich auch nichts Neues: Es gelang den Wissenschaftlern, die Kraftstofftröpfchen vom Motoröl an den Zylinderwänden fernzuhalten, indem man die Einloch-Einspritzdüsen gegen solche mit sechs Löchern tauschte. Die bei gleicher Einspritzmenge kürzeren Einspritzstrahlen konnten so nicht mehr die Zylinderwand erreichen. Noch geringer wurde die Neigung zu Vorentflammung, wenn der Kraftstoff nicht auf einmal, sondern portionsweise eingespritzt wird – womit nur bestätigt wurde, was man ohnehin schon in Großserie macht: Der aktuelle TFSI kann pro Arbeitstakt zwei beziehungsweise drei Einzel-Einspritzungen absetzen.

Sportliche Vorgabe

Die Wissenschaftler sind sich sicher, dass allein aufgrund der Beachtung ihrer eigentlich nicht besonders neuen Erkenntnisse der effektive Mitteldruck von derzeit maximal 20 bis 24 bar auf bis zu 30 bar angehoben werden kann. Solche Motoren könnten nach Meinung der Projektleitung noch mehr Drehmoment und Beschleunigung bieten, bei weniger Verbrauch. Ob es die in der Pressemitteilung des Instituts stehenden, vielleicht etwas sensationsheischigen 30 Prozent werden können, halten wir für optimistisch, auf jeden Fall aber für eine sportliche Vorgabe für die Entwickler neuer Motorengenerationen. Die Audi AG verspricht uns, „am Ende des Jahrzehnts eine Mittelklasselimousine mit TFSI-Motor anzubieten, die im CO2-Ausstoß unter 100 Gramm pro km bleibt“.

Verbrauchskosmetik

Doch selbst, wenn es dereinst gelingen sollte, die gefährlichen Klopfzeichen aus dem Motor auch bei Höchstaufladung sicher abzustellen, stellt sich angesichts des hohen technischen Aufwands und der damit stark steigenden mechanischen und thermischen Bauteilbelastungen die Frage, ob sich dieser Aufwand lohnt, wenn man ihn mal mit den TCO (Total Costs of Ownership) gegenrechnet: Kann die über ein Autoleben eingesparte – unbestritten beträchliche – Spritmenge das hohe Risiko teurer Reparaturen bei Downsizing-Motoren überhaupt aufwiegen oder dient das Ganze nicht viel eher einer zweifelhaften Flottenverbrauchs-Kosmetik der Hersteller? Anders gefragt: Wer bezahlt mir eigentlich meine geplatzten Motoren nach Ablauf der Garantie?


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-1842988

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Energieriegel-Der-1-0-Liter-Ecoboost-Motor-von-Ford-1436879.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Opels-Antriebs-Welle-rollt-1839129.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Opels-neue-Spardynamik-1727706.html
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Der-neue-1-6-CDTI-von-Opel-1785514.html
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/Die-neuen-Antriebe-der-Mercedes-A-Klasse-1578270.html
[6] https://www.heise.de/autos/artikel/Diesel-unter-Hochdruck-448085.html
[7] https://www.heise.de/autos/artikel/Kraeftiges-Organ-1778697.html