Das Expertensystem

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Ich habe mich immer gefragt, wie es von Punkt eins (Dudoskope) zu Punkt zwei (Expertenmeinung) kam. Heute ist es ja so, dass selbst hochkarätige, besser namenlos bleibende Redakteurs-Kollegen (sorry, Quellenschutz) empfehlen, zu allem mit vier Rädern den Dudenhöffer anzurufen. Die Begründung: "Jeder zitiert den, und der sondert auch für jeden ein paar O-Töne ab. Bring mir einen O-Ton, Inhalt egal." Die sich selbst erfüllende Prophezeiung des Pressezitats also: Ich experiere, also bin ich ein Experte. Meistens kommt so ein Unternehmen in Schwung, wenn die für jeden Artikel scheinbar lebensnotwendigen O-Töne einer Quelle in Sachen Reichweite eine kritische Masse erreichen. Ab diesem Punkt schleicht sich das Gefühl ins Autoredakteursherz, seine Berichterstattung sei ohne Dudoskop nicht komplett.

Ferdinands Geist bringt Schmankerl

All diese meine Vorbereitung trug jetzt Früchte. Ich stand im Mercedes-Museum in Stuttgart, denn französische Fernsehleute suchten irgendjemand mit deutschem Pass, der irgendwas zu Autos in die Kamera sagt. Irgendjemand: check. Deutscher Pass: check. Irgendwas mit Autos: check and doublecheck. Während eine schminktechnische Argrararbeiterin einige Meter hautfarbenes Sediment in unsere Gesichter schaufelte, damit Zuschauer mit HD-Fernsehen nicht gefühlt in autoreifengroße Hautporen fallen, fragte mich die Assistentin, wie sie mich denn betiteln solle, denn einen aktuellen Lebenslauf musste ich ihr mangels Existenz verwehren. "Autojournalist vielleicht?" "Um Gottes Willen, bloß nicht!", rief ich aus, einen Erdrutsch auslösend. "Da stellen sich alle einen dicken Mann vor, der sich im spendierten 5-Sterne-Hotel über die Temperatur eines spendierten Rotweins beschwert. Das geht nicht."

Da erschien mir auf einmal der Geist Dudenhöffers mit der Inspiration: "Schreibt doch einfach hin: 'Clemens Gleich, Experte'" Langsam nickende Köpfe. Experte. Genial. Der Begriff passt mir perfekt: Rechtfertigend und unklar gleichzeitig. Das wird der Start in mein automobiles Expertentum. Der Spitzname "Autopapst" ist weg, na gut, aber ich könnte der deutsche "Autojesus" sein oder der "Autoprophet", vielleicht gar der finstere "Autonostradamus". Ansonsten: "Autogott" klingt herrlich. Mein "Institut gegen industrielle Telematik-Tuntigkeit" (IGITT) wird die astrologische Konkurrenz bei allen Horoskopstudien preisbrecherisch um kategorisch mindestens 15 Prozent unterbieten. Die Geister unserer Ahnen verraten mir, dass eine Buchung dort sich sehr segensreich auf Prognosen auswirken wird. Für die Presse werde ich stets eine Süßigkeit bereithalten – ach, was red' ich? Ein Schmankerl gar! Warten Sie auf meine Experten-Studie über Studien, die Experten machen. Die wird echter Kaiserschmarrn. (cgl)