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Überhöht?

Fahrbericht: Audi Q2 2.0 TDI

Fahrberichte Wolfgang Gomoll
Audi

Der neue Audi Q2 dürfte dem Q3 das Leben schwer machen. Bei einer Ausfahrt zeigte er zahlreiche Talente und nur wenige Schwächen. Zu denen gehört allerdings ein gehobenes Preisniveau. Ist der Q2 das viele Geld wert?

München, 8. November 2016 – Es war der Peugeot-Chef, der im Rahmen des Genfer Autosalons 2016 davor warnte, alle Kapazitäten auf SUV zu setzen. Dieser Boom hat Grenzen, so Picat. Die sind bislang allerdings noch nicht erkennbar, geschweige denn abgesteckt. Nach wie vor scheint das Wachstum in diesem Segment so groß zu sein, dass sich Hersteller in Nischen weiteres Wachstum ausrechnen. Audi erweitert nun sein SUV-Angebot mit dem Q2 nach unten. Das könnte den größeren und teureren Q3 durchaus in Bedrängnis bringen, wie eine kurze Ausfahrt mit dem Neuen zeigt.

Gute Raumnutzung

Die beiden trennen nicht nur rund fünf Jahre Entwicklungszeit. Der Q3 ist knapp 20 cm länger als der Q2, doch der Radstand mit rund 2,6 m nahezu identisch. Dementsprechend sind die Platzverhältnisse für die Insassen ebenfalls fast gleich. Auch beim Kofferraum sind die Einschränkungen kleiner, als die üppigeren Außenabmessungen es vermuten ließen. Der Q2 fasst 405 Liter (mit Allradantrieb 355 Liter), der Q3 460. Die Ladekante ist beim Q2 mit einer Höhe von 74 Zentimetern ziemlich hoch. Alles in allem lässt sich festhalten, dass der Neue die Verkehrsfläche wesentlich effizienter nutzt als das ältere Modell.

Nicht erhöht

SUV wurden einst unter anderem damit beworben, dass die Aussicht durch die erhöhte Sitzposition besser wäre als bei „normalen“ Autos – ein Argument, was sicher den ein oder anderen überzeugt haben mag. Wie schon beim Mercedes GLA [1] zieht dieses Argument nicht mehr: Ein VW Golf ist im Konfigurator mit 1,49 m angegeben, der Q2 mit 1,51 m. Das Audi SUV kauft man aus optischen Erwägungen, denn es kommt weder abseits einer befestigten Straße wirklich weiter als ein Nicht-SUV-Allradler und auch seine Sitzposition bietet keinen Vorteil mehr. Die Zielgruppe wird beides kaum stören.

Zumal sich Audi alle Mühe gibt, eventuelle Nachteile zu kaschieren. Der Q2 wirkt handlich, was sicher auch mit seinen kompakten Abmessungen zu tun hat. Allerdings ist die Rundumsicht durch die breite C-Säule sehr eingeschränkt. Zumindest die Einparkhilfe hinten sollte also mitbestellt werden. Bei Bedarf kann auch ein Assistent geordert werden, der beim Einparken hilft.

Leise

Die elektro-mechanische Lenkung ist gut abgestimmt. Im von uns gefahrenen Diesel mit 150 PS ist der Allradantrieb serienmäßig, Antriebseinflüsse sind kaum zu spüren. Im Testwagen waren adaptive Dämpfer eingebaut, die eine deutlich spürbare Bandbreite bieten. Anders als im BMW X1 [2] ist hier auch der Sportmodus nicht so hart, dass die Fahrdynamik leidet. Im „Eco“- und auch im „Comfort“-Modus gleitet der Audi sehr gekonnt. Dazu passt dann auch die gute Geräuschdämmung. Ist der Diesel einmal warm, ist er in diesen beiden Programmen akustisch sehr zurückhaltend. Auch Wind- und Abrollgeräusche beschränken sich auf ein Minimum.

Die vorläufige Antriebspalette besteht aus einem Benziner und drei Dieselmotoren. Alternativen dazu sind vorerst nicht geplant. Der Benziner ist noch der 1.4 TSI mit Zylinderabschaltung und 150 PS. Mit dem waren wir kürzlich im Superb unterwegs – eine leise Maschine, die ausreichend kräftig erschien und so sicher auch in den Q2 gut passt. Wir rechnen damit, dass der Q2 im Laufe des nächsten Jahres den neuen 1.5 TSI mit 130 und 150 PS bekommt. Auch der Dreizylinder mit 115 PS wäre sicher noch eine Überlegung wert, sollte der Q2 nicht den angedachten Erfolg haben.

Ausreichend flott

Der aktuelle Testwagen hatte den bekannten 150-PS-Diesel eingebaut, der momentan nur in Verbindung mit Allradantrieb und einem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe gibt. Mit einem Leergewicht von 1550 kg ist der Q2 nicht gerade ein Musterbeispiel an Leichtbau, doch der subjektive Eindruck ist, dass man hier mehr als ausreichend flott unterwegs sein kann. Oberhalb von 160 km/h wird es etwas zäher, woraus einige Menschen eine Berechtigung für den 190-PS-Diesel ableiten mögen.

SCR für die großen Diesel

Bei der Abgasnachbehandlung geht Audi nach wie vor verschiedene Wege. Der 1.6 TDI bekommt einen Speicherkat, die beiden Zweiliter-Diesel einen SCR-Kat mit AdBlue. Letzteres hat sich als deutlich wirksamer erwiesen, ist allerdings teurer. Audi bleibt mit dieser Strategie bei den großen Motoren jene Blamage erspart, die Seat kürzlich eingestehen musste [3]. Dort wurde der Zweiliter-Diesel im Ateca mit einem SCR-Kat nachgerüstet, weil bei Tests mit der Frontantriebsversion hohe NOx-Werte aufgefallen waren. Im NEFZ verspricht Audi für den Q2 2.0 TDI 4,8 bis 5 Liter, wir kamen auf 7,4. Im Alltag lassen sich mit etwas Zurückhaltung Werte unter sieben Liter locker herausfahren – Q3-Fahrer kommen mit diesem Motor bei Spritmonitor [4] auf knapp sieben Liter.

Teuer

Wie gehabt dokumentiert Audi seinen selbsterwählten Premiumanspruch durch ein gehobenes Preisniveau. Das wird im Falle des Q2 erst richtig deutlich, wenn man sich nicht nur die Grundpreise ansieht, sondern auch das, was darin enthalten ist. Im Basismodell für 24.900 Euro sind selbst Kleinigkeiten wie Tempomat, Lederlenkrad, Höhenverstellung für den Beifahrersitz, USB-Anschluss oder Alufelgen nicht enthalten. Die serienmäßige manuelle Klimaanlage schaut in dem sauber verarbeiteten Armaturenbrett so verloren aus, dass man schon aus optischen Gründen die Klimaautomatik wählen könnte.

Dazu kommen Zwänge, die den Q2 noch teurer machen. Ein Beispiel ist das Digitalradio (DAB+), das nur zusammen mit einem teuren Radio oder einem der Navigationssysteme zu haben ist. Kostenpunkt insgesamt so mindestens: 740 Euro. Etwas günstiger ist das Soundsystem von Audi für 255 Euro, das sich aber ebenfalls nicht mit dem Serienradio kombinieren lässt. In beiden Radioanlagen sind serienmäßig nur vier Lautsprecher eingebaut. Wer Ansprüche in dieser Richtung hat, die über das Abhören des Verkehrsfunks hinausgehen, sollte also mindestens in das kleine Soundsystem investieren.

Online anfüttern

Eine besondere Feinheit hat sich Audi auch beim etwas weniger teuren der beiden Navigationssystem einfallen lassen. Mit der Online-Funktionalität „Audi connect-Dienste“ lassen sich beispielsweise Echtzeit-Verkehrsdaten, Online-Parkplatzsuche und eine Übersicht der Kraftstoffpreise nutzen. Sie ist für Neuwagenkäufer ohne Zusatzkosten freigeschaltet – für drei Monate. Die Taktik ist leicht zu durchschauen: Nach einer kurzen Phase des „Anfütterns“ sollen die Kunden in Jahresverträge einsteigen. Oder gleich zum teuren Navi greifen, in der dieser Service für drei Jahre kostenfrei ist. Allerdings kostet das große Navi auch 2650 Euro. Das ist auch die Grundvoraussetzung für das optionale Display als Ersatz für das klassische Kombiinstrument.

Es sind solche Kleinigkeiten, die den Audi Q2 nochmals deutlich teurer machen als vergleichbare Konkurrenz von Opel, Ford oder Renault. Mit etwas Glück wird man einen Teil des Mehrpreises beim Weiterverkauf zurückbekommen. SUV sind derzeit auch gebraucht gefragt, jene von den selbsternannten Nobelmarken besonders. Der Audi Q2 wird aber vermutlich schon als Neuwagen recht gefragt sein, trotz der stolzen Preise. Manch einer mag sich damit trösten, dass sie noch immer unterhalb des Q3 liegen.


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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Niedriger-Einstieg-2058955.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Im-Test-BMW-X1-xDrive-20d-3130148.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Produktion-gestoppt-Seat-Ateca-TDI-mit-zu-hohem-NOx-Wert-3329228.html
[4] http://www.spritmonitor.de/