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Was ist besser am neuen Biturbo-V6? Der Porsche Cayenne S im Fahrbericht

Substitute

Fahrberichte Florian Pillau
Porsche

Nun wird auch der Cayenne S zwangsbeatmet: Aus 4,8-Liter-V8 mach 3,6-Liter-V6-Biturbo. Alles im Sinne der Umwelt natürlich und besser gehen soll er auch noch. Ersetzen kann man charakterstarke Motoren aber nicht – nur mehr oder weniger gut substituieren. Wie gut geht das beim Cayenne S?

München, 2. Dezember 2014 – Der NEFZ macht dem großvolumigen Saugmotor auch im hochpreisigen Segment das Leben schwer. Die fadenscheinigen Normverbräuche, die mit dem Realverbrauch kaum etwas zu tun haben, lassen sich mit kleineren Hubräumen und Aufladung nun mal einfacher simulieren, äh, erreichen. Im echten Leben überholen sie im Verbrauch dann bisweilen sogar das Aggregat, das sie ersetzt haben. Absurder geht es kaum, aber hier geht es ja auch nur um politische Signale. Die Hersteller machen gerne mit – in froher Hoffnung auf eine Belebung ihres Absatzes durch vermeintliche technische Verbesserungen.

BMW hat es beim neuen M3/M4 vorgemacht, Mercedes-AMG opfert seinen herrlichen 6,2-Liter-Sauger zugunsten eines 4,0-Liter-Biturbos und auch Porsche macht Schritt für Schritt Tabula rasa mit seinen frei atmenden, hochdrehenden Aggregaten. Sogar in der Ikone 911 gibt es ab kommendem Jahr mit Ausnahme von GTS und GT3 keine Sauger mehr. Die in dulci jubilierenden 3,4- und 3,8-Liter-Boxer in Carrera und Carrera S werden durch kleinere Turbo-Maschinen ersetzt.

Und nun wird auch der Cayenne S zwangsbeatmet: Aus 4,8-Liter-V8 mach 3,6-Liter-V6-Biturbo. Alles im Sinne der Umwelt natürlich und besser gehen soll er auch noch. Wesentlich. Ich weiß nicht, wie es Ihnen dabei geht, aber in meinem Kopf erklingt dazu der Klassiker von The Who "Substitute" als Soundtrack. Ersetzen kann man diese Motoren nämlich nicht – nur eben mehr oder weniger gut substituieren. Wie gut kann es Porsche beim Cayenne S?

Kleiner aber kräftiger

Im Cayenne S leistet der V6 aus dem kleineren Macan Turbo nochmal 20 PS mehr. Mit 420 PS und 550 Nm übertrifft der Biturbo den alten V8 um Längen. Damit schiebt er das Sport-SUV vier Zehntel schneller auf 100 km/h (5,5 statt 5,9 Sekunden) und soll im Schnitt 0,9 Liter weniger verbrauchen. Ob es bei einem 2,2-Tonnen-Laster erwähnenswert ist, dass die Achtgang-Tiptronic nun in Verbindung mit dem optionalen Sport-Chrono-Paket über eine Launch-Control verfügt, weiß ich nicht. Erwähnt habe ich es jetzt aber. Und eine Zehntel-Sekunde von null auf 100 km/h bringt es auch noch. Also ist alles gut.

Das Aggregat macht das Gefährt völlig mühelos unglaublich schnell und zwar relativ unabhängig von der Drehzahl. Das alles passiert sehr elegant, gleichmäßig und auch im letzten Viertel des Drehzahlmessers noch erfreulich motiviert. Bleibenden Eindruck, in Form von strammstehenden Härchen auf dem Unterarm oder dem Wunsch, aus dem Motor unverzüglich einen legendären Wohnzimmertisch zu bauen, hinterlässt die neue Antriebsquelle des Cayenne S aber nicht. Er nähert sich der Charakterstärke eines handelsüblichen Mikrowellenherds, was auch am etwas enttäuschenden Soundtrack liegen könnte.

Perfektion schlägt Emotion? Eine Feststellung, die sich bei der Achtgang-Box verbietet. Nein, keine Sorge, sie schaltet perfekt. Perfekter denn je höchstwahrscheinlich. Aber unter Volllast haut sie die nächste Stufe rein wie ein beleidigter Lamborghini Aventador. Mir gefällt das, schließlich ist das hier das sportlichste SUV auf dem Markt. Das darf man hin und wieder auch mal spüren.

Flauschiger aber exakter

Modellpflege heißt beim Cayenne auch Anpassung des Fahrwerks. Eine größere Spreizung der Fähigkeiten war das Ziel – also bitte komfortabler und dynamischer, wenn möglich. Dazu wurde die grundsätzliche Fahrwerksabstimmung ein wenig entstrafft. Gleichzeitig verbesserte man die Aufhängungspunkte und installierte für eine präzisere Radführung neue Lager an den Querlenkern sowie dem Hinterachsradträger. Klingt nach Kleinkram. Aber der Cayenne – in diesem Falle mit dem aufpreispflichtigen Luftfahrwerk – federt nun spürbar flauschiger, geht aber trotzdem mit kaum vorstellbarer Verve um die Ecke. Dabei spielt es nur bedingt eine Rolle, ob man sich nun im Normal- oder im Sport-Plus-Modus befindet. Die Unterschiede sind meiner Meinung nach nicht groß, lediglich das Getriebe macht in Sport-Plus etwas zu sehr auf Rennstrecke. Wer weiß, wie dynamisch ein Mercedes ML ist, kann kaum glauben, dass das hier die gleiche Fahrzeugklasse sein soll. Der Cayenne S ist wirklich beeindruckend handlich und er driftet sogar, wenn man das will.

Der Mehrheit der Cayenne-Kundschaft dürfte das lebendige Heck ihres SUVs jedoch reichlich egal sein. Vielmehr soll man sich wohlfühlen können in den Weiten der Kanzel. Das neue Sportlenkrad ist ähnlich wie in Zuffenhausens Hybrid-Mega-Sportler. Man könnte fast denken, man säße in einem Porsche 918 [1], der auf einer Hebebühne steht. Ein bisschen Schliff an Material und Verarbeitung und wären da nicht nach wie vor 375 Knöpfe auf der Mittelkonsole, das Cayenne-Cockpit wäre ein Muster an sportlich-technokratischer Hochwertigkeit, wenn es auch in einem Range Rover Sport [2] noch ein Eck verschwenderischer zugeht. Wenig zu meckern gibt es seit Cayenne-Generation Zwei ja beim Fond- oder Kofferraum. Hier hat sich mit dem Facelift nichts geändert. Praktisch ist das Luftfahrwerk, mit dem sich die Ladekante nun per Knopfdruck um 5,2 Zentimeter senken lässt.

Das alles hört sich ganz vortrefflich an und macht den Cayenne nach seiner Überarbeitung auch zu einem tierisch starken Automobil. Unverzüglich zum Porsche-Händler sprinten sollte aber nur, wer auf die schickere Optik mit leicht geschliffener Front und weniger gewaltigen Rückleuchten steht. Eine sanftere und noch zügigere Reise kann ich Ihnen ebenfalls versprechen.

Kräftiger aber sparsamer

Das mit den 9,5 Liter Verbrauch könnte aber schwierig werden. Sonderlich wild wurde der große Sportler während seines zweiwöchigen Besuchs bei uns eigentlich nie bewegt, gut 13,5 Liter im Schnitt kamen am Ende aber dennoch zustande. Damit ist man in der Realität immerhin besser dran als mit dem alten V8. Und ganz ehrlich: Irgendwo müssen die 420 PS und 2,2 Tonnen ja auflaufen. Preislich hat sich im Vergleich zum Vorgänger übrigens fast gar nichts verändert. Der Cayenne S verteuert sich um 70 Euro und kostet nun mindestens 80.183 Euro. Unser mit Extras vollgeräumter Testwagen kommt auf 114.359 Euro. Zum Vergleich: Der 450 PS starke BMW X6 50i ist mit 82.500 Euro im Grundpreis sogar etwas teurer.


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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Porsche-918-Spyder-je-887-PS-fuer-918-Enthusiasten-1865204.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Feine-Sportschaft-2261416.html