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Oldtimer – Wertanlage oder Verlustgeschäft?

Gilb-Anlage

Klartext Ingo Gach
Gilb-Anlage

Es gibt Leute, die behaupten, Oldtimer seien solide Wertanlagen mit hoher Rendite. Andere behaupten, das sei purer Unsinn, wer sein Geld vermehren will, sollte in Aktien investieren. Wer hat Recht?

Es gibt Leute, die behaupten, Oldtimer seien solide Wertanlagen mit hoher Rendite. Andere behaupten, das sei purer Unsinn, wer sein Geld vermehren will, sollte in Aktien investieren. Wer hat Recht?

Oldies nur für Liebhaber!

Oldtimerbesitzer sind normalerweise Liebhaber, die ihre Kaufentscheidungen nicht rational, sondern aus emotionalen Gründen treffen. Sie erfreuen sich an schönen Formen, am Sound der Motoren, sogar an der Patina die dem Metall, Holz und Leder anhaftet. Oft sind es Jugendträume, die sie sich im fortgeschrittenen Alter endlich erfüllen können und widmen sich mit Hingabe ihren vier- oder zweirädrigen Schätzen. Da wirkt das Wort „Spekulationsobjekt“ so deplaziert wie ein Banker mit Schlips und Anzug in der Fankurve des FC St. Pauli. Dennoch tauchen immer wieder Oldtimerkäufer auf, die sich alte Fahrzeuge als Wertanlagen zulegen.

Je seltener, desto wertvoller

Bei Autos gilt, wie bei allen Sammelobjekten: je seltener, desto teurer. Die „Blaue Mauritius“ ist ja auch nicht deshalb so wertvoll, weil sie so schön ist, sondern weil sie berühmt ist und nur noch eine Handvoll Exemplare davon existieren. Nicht anders verhält es sich bei klassischen Fahrzeugen, erst die Kombination „selten“, „begehrt“ und „sehr guter Zustand“ lässt nach etlichen Jahren auf Gewinn hoffen.

Tatsächlich hat sich der Wert vieler Oldtimer in den letzten Jahren deutlich gesteigert. 2011 waren beim Kraftfahrtbundesamt 231.064 Kraftfahrzeuge mit einem H-Kennzeichen registriert. Das sind Fahrzeuge, die älter als 30 Jahre [1] und in weitgehend originalem Zustand sind. Dieser Bestand [2] hat sich innerhalb von zehn Jahren mehr als verdoppelt. Laut VDA (Verband der Automobilindustrie) lag in Deutschland der durchschnittliche Oldtimer-Kaufpreis 2011 bei 13.800 Euro, woraus er ein Handelsvolumen von 220 Millionen Euro errechnet hat. Allerdings sind in den Zahlen die abgemeldeten oder mit rotem Kennzeichen fahrenden Klassiker nicht berücksichtigt.

Oldtimer sind keine Aktien

Da es auf dem Oldtimermarkt aber nicht zugeht wie an der Aktienbörse, lässt sich der Wert eines alten Modells nicht so einfach ermitteln. In Deutschland ist es vor allem Classic Data in Bochum zu verdanken, dass es einen Überblick für die Oldie-Preise gibt. Seit Jahren sammeln sie dort fleißig Daten, haben ein wachsames Auge auf Verkaufsangebote, Messen [3], Händler und Auktionen. Die eruierten Preise fließen dann in die jährlich neu erscheinende Liste ein. Für Käufer und Verkäufer ist das Werk also eine große Hilfe.

Ausschlaggebend ist der Zustand des Autos auf einer Skala von 1 bis 5. Den realistisch einzuschätzen gestaltet sich aber schwierig. Frank Meißner von Data Classic rät: „Das Auto sollte von einem Sachverständigen begutachtet werden, um einen genauen Wert zu ermitteln.“ Wer aber jetzt als Spekulant einfach nur auf die nackten Zahlen schaut und sieht, dass sich der Wert eines bestimmten Modells um einen gewissen Prozentsatz erhöht hat, stellt eine Milchmädchenrechnung auf. Autos sind keine Aktien, die einfach im Tresor deponiert werden können.

Wer seinen Oldie liebt, der zahlt

Einen Oldtimer in einen guten Zustand [4] zu versetzen und diesen zu erhalten, ist teuer und aufwendig, denn (alte) Autos sind nicht gerade für ihre Haltbarkeit bekannt. Rost und Materialverschleiß setzen dem Fahrzeug arg zu. Es fallen laufende Kosten für regelmäßige Servicearbeiten und Verschleißteile an. Im Falle einer Reparatur – bei Oldtimern keine Seltenheit – braucht man Ersatzteile und die sind, je nach Modell und Marke, unterschiedlich schwierig zu bekommen und entsprechend teuer.

Wer nicht selber ein begnadeter Hobbymechaniker ist, muss seinen Wagen in die Werkstatt bringen. Aber nicht jeder Mechaniker in der Markenwerkstatt kennt sich mit den alten Modellen aus, manchmal existiert die Marke selber auch nicht mehr. Es müssen also Spezialisten konsultiert werden, was meist ein noch teureres Vergnügen ist. Außerdem kommen noch Steuern, Versicherungen und Sprit als Kostenfaktoren hinzu.

Wer diese Kosten umgehen will und seinen Oldtimer abgemeldet in die Garage stellt, darf sicher sein, dass sein altes Schätzchen ihm das übel nimmt. Auch im Stand verfällt die Substanz, wenn sie nicht gewartet wird. Metall korrodiert, Flüssigkeiten oxidieren und Kunststoffe werden spröde. Tatsächlich sind Autos, die regelmäßig bewegt werden, oft in einer besseren Verfassung, als Exemplare, die hinter verschlossenen Toren im Koma liegen. Wer rastet, rostet eben.

Die laufenden Kosten fressen die Wertsteigerung auf

Da hilft es auch nicht, dass die Oldtimer laut VDA momentan im Schnitt etwa fünf bis sieben Prozent pro Jahr an Wert zulegen. Die jährlich fälligen Kosten liegen bei den meisten Modellen weit über der Wertsteigerung. Selbst beim klassischen Mini [5], dessen Ersatzteilversorgung sogar noch gut ist, muss nach Einschätzungen des Spezialisten Hans Uwe Gerdes pro Jahr mit rund 1000 Euro an Kosten nur für Wartungen und Reparaturen gerechnet werden.

Nur die wenigsten Oldtimer können Gewinn abwerfen

Selbsternannte Experten ziehen gerne teure Edelkarossen als Beweis heran, dass Oldtimer eine hervorragende Wertanlage sind. Natürlich, wer sich in den frühen 1990er Jahren einen Ferrari 250 GTO zugelegt hat, kann sich den heute in Gold aufwiegen lassen, hat aber damals schon rund zehn Millionen Mark hinblättern müssen. Mit anderen Worten: Nur sehr teure Oldtimer fahren Gewinne ein, weil die Modelle schon immer begehrt waren und es auch bleiben.

Wer aber hofft, dass sein Golf GTI [6], Baujahr 1976, bald ein Vermögen wert sein wird, dürfte herb enttäuscht werden. Im Zustand 3 hat sich der Wert des Urgroßvaters der Kompaktsportler in den letzten fünf Jahren zwar um etwa elf Prozent gesteigert, liegt aber zurzeit immer noch bei nicht gerade üppigen 4200 Euro. Der GTI ist bekannt und beliebt, aber eben nicht gerade selten und noch lange nicht als Klassiker im kollektiven Bewusstsein angekommen.

Bei Rekordhoch sollte man nicht kaufen

Also, auch wenn der vor zehn Jahren gekaufte Oldie inzwischen seinen Marktwert verdoppelt hat, bleibt unterm Strich für den Besitzer oft ein dickes Minus auf dem Konto zurück. Liebhaber werden das mit einem Achselzucken abtun, schließlich geht es hier um ihr Hobby, aber Spekulanten, die auf Gewinne gehofft haben, werden enttäuscht – und das ist gut so, denn dann werden die Preise nicht noch weiter angeheizt.

Aus Spekulantensicht befinden wir uns ohnehin an einem ungünstigen Zeitpunkt zum Kauf eines Oldtimers. Der Durchschnittswert der alten Schätzchen steigt seit Jahren und befindet sich auf Rekordhöhe. Jeder Börsenmakler würden nur dann zum Kauf von Aktien raten, wenn sie im Preis gefallen sind, aber eine baldige Chance auf Kursgewinne besteht.

Ob der Höhenflug anhält, ist ungewiss

Wie die Entwicklung auf dem Oldtimermarkt weitergehen wird, ist schwer zu sagen. Es gibt unter professionellen Händlern zwar Optimisten, die zuversichtlich sind, dass der Marktwert von Oldtimern weiter steigt. Skeptiker befürchten aber eine Rezession und sinkende Preise, weil die finanziellen Probleme etlicher EU-Länder noch lange nicht ausgestanden sind und ein Kursverlust des Euros sich negativ auf den Oldtimermarkt auswirken könnte.

Anfang bis Mitte der 1990er Jahre purzelten die Oldtimerpreise kräftig, die Nachfrage brach weg. Erst kurz vor der Jahrtausendwende ging es wieder aufwärts und seit 2005 sogar kräftig. Die Frage ist, ob der Höhenflug weiter anhält, zumal da die Geschichte bewiesen hat, dass Krisen zum Zyklus gehören.

Youngtimer als heißer Tipp

Wer aber unbedingt jetzt ein Schnäppchen machen will, in der Hoffnung in einigen Jahren Gewinn einzufahren, sollte sich eher unter den Youngtimern [7] umsehen. Das sind Autos, die über zwanzig Jahre alt sind, also quasi Anwärter auf den Oldtimerstatus. Viele von ihnen sind auf dem Tiefpunkt ihres Wertes angelangt, doch einige Modelle werden demnächst wieder anziehen, weil deren Liebhaber langsam nostalgische Gefühle entwickeln.

Das klingt zunächst etwas merkwürdig, aber wenn ein Fiat Panda 45, der Mitte der 1980er Jahre gebaut wurde, in den letzten fünf Jahren, laut Classic Data, seinen Wert verdoppelt hat, kann man erahnen, wie der Markt tickt. Ein Modell, das über zwei Jahrzehnte lang bestenfalls Mitleid, oft aber Wut über die Unzuverlässigkeit und schlechte Qualität geweckt hat, steigt im Wert, weil die Nachfrage anzieht. Top erhaltene Exemplare unter Youngtimern sind aber rar und daher gilt auch für sie, dass man sich vorher genau über Restaurierungskosten informieren sollte!

Wer sich die Mühe macht, über geeignete Youngtimer-Kandidaten nachzudenken und Gebrauchtpreise wälzt, wird sicher auf einige vielversprechende Autos treffen. Sie sollten ebenfalls die Kriterien „selten“, „begehrt“ und „guter Zustand“ erfüllen. So könnte beispielsweise die insolvente Firma Saab [8], früher angesehen und geschätzt, aussichtsreiche Modelle stellen. Das haben auch schon einige clevere Käufer gemerkt, so ist z. B. das 900 turbo Cabrio (Bauzeit von 1986 bis 1993) in den letzten fünf Jahren im Wert um 14 % gestiegen und liegt zurzeit im Zustand 3 bei 9900 Euro. Es gilt als solide und sieht auch noch schick aus.

Um erneut den Vergleich mit den Aktien zu bemühen: jetzt günstig kaufen, lange warten und sich am steigenden Wert erfreuen. Aber bitte nicht den Fehler machen, das Objekt in den Tresor zu packen, Autos wollen gefahren werden!


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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Kulturtechnik-Auto-Klassiker-werden-beliebter-1568565.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Das-sind-die-30-begehrtesten-Oldtimer-1239746.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Ein-Rundgang-ueber-die-Techno-Classica-2013-1841177.html
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/GTUe-Jedes-fuenfte-Auto-faellt-bei-Hauptuntersuchung-durch-Oldtimer-deutlich-seltener-1819378.html
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/autos_artikel_436360.html
[6] https://www.heise.de/autos/artikel/autos_artikel_434128.html
[7] https://www.heise.de/autos/artikel/Rundschau-Auto-Jubilare-2013-1790992.html
[8] https://www.heise.de/autos/artikel/Letzter-Vorhang-fuer-Saab-1400958.html