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Es passierte jedoch anders. Erste Anzeichen: "Das Motorrad macht nicht mehr, was du am Gas sagst, sondern was du meinst", erklärte KTM-Produktmanager Jörg Schüller. "Es macht viele Fehler schlicht nicht mit." Unerhört! Meine Fehler, die sind doch quasi heilig, eine Sache zwischen mir und dem Motor! Was hat sich ein Gasgriff da einzumischen? Die Testfahrt gab Antworten. Dieser Atomreaktor von Motor lässt sich an einem einzelnen Haar führen wie eine zahme Schwebfliege. Der Gasgriff macht tatsächlich einige sehr typische Fehler nicht mehr mit, vor allem im On-Off-Betrieb. Der Übergang vom Schiebebetrieb auf Last ist unmerklich weich, meistens lässt die ECU die Drosselklappen gleich ein bisschen offen, das reduziert auch das Motorschleppmoment. Es funktioniert ohne Zweifel ausgezeichnet, es hinterließ jedoch ein seltsames Gefühl: Ein vergleichsweise einfach aufgebautes Servosystem kann besser Gas geben als ich.

Grundlagen der Zivilisation

Das E-Gas ist natürlich nicht die einzige Nachricht an der 1290er. Im Gegenteil ist es erst wirklich sinnvoll im Gesamtkontext: Das ganze Motorrad wurde darauf zurechtgeschliffen, dass es möglichst vielen Fahrern möglichst zugänglich ist. Der Motor der KTM RC8 R zeigte zum Beispiel, dass die Gleichmäßigkeit der Verbrennung und das Ansprechverhalten mit einer normalen mechanischen Gasbetätigung auf einem sehr hohen Niveau geboten werden können. Die neue Super Duke geht diesen Weg nur konsequent weiter mit dem zusätzlich sehr guten E-Gas. Auch die zivile Geometrie tut ihr Übriges. 180 PS, die von jedem Fahranfänger beherrscht werden können.

Die Crux mit den Traditionalisten ist diese: Sie sind sehr laut, sie beschweren sich schnell. Aber sie kaufen sehr wenig, denn die Tradition, die gibt es ja schon billiger als Gebrauchte. Wer den Traditionalisten heute ein neues Motorrad baute, kann auch gleich die Mainzelmännchen als Zielgruppe umwerben, denn die Verkaufszahlen werden vergleichbar nonexistent sein. Selbst mein Selbsttest zeigt dasselbe. Ich liebte die alte 690 Duke, diese zickige Ziege, die erst dann gescheit fuhr, wenn sich der Fahrer auf sie eingeschossen hatte. Andersherum machte sie eben diesem Fahrer keine eigenen Zugeständnisse. Es war ein wunderbares Krad. Aber ich kaufte es nicht. Ich kaufte die Nachfolgerin, die denselben Motor in einem neuen, zugänglichen Konzept anbietet. Genauso träume ich bis heute davon, mir den krassen Kettenhund KTM 990 Super Duke in die Garage zu stellen. Aber ich tat es bis heute nicht. Ich werde es auch nicht tun. Ich brauche mein Geld für die 1290er. (cgl)