Klartext: Am Boden

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In Deutschland kamen 2013 auf eine Milliarde gefahrene Kilometer 4,9 Todesfälle, in den USA 7,1. Darin enthalten: alle Motorradunfälle. Vorreiter Waymo hat im Februar die Marke "5 Millionen Testkilometer" geknackt. Bis wir belastbar wissen, ob die Technik besser oder schlimmer fährt als der Mensch, wird also noch sehr viel Zeit vergehen. Bis jetzt schaut es vor allem für Uber statistisch finster aus.

Erstmal einen raushauen

Deshalb sind Autohersteller ja so vorsichtig beim Testen und Ankündigen ihrer Systeme. Im finanziellen Dunstkreis des Silicon Valley dagegen gilt: um jeden Preis erstmal einen raushauen. Bis jetzt bildet Waymo hier eine löbliche Ausnahme, deren lange Erfahrung ihnen wahrscheinlich zeigt, dass sie hier mit Raushauen nicht weiterkommen. Stattdessen fuhren sie lange Zeit schlicht sehr langsam. Üblicher im Valley-Umfeld ist jedoch das selbstbewusste Trommeln. Elon Musk hat Teslas "Autopiloten" solange als solchen bezeichnet und gelobt, bis nicht mehr wegzudiskutieren war, dass die Kunden sich davon eben doch beeinflussen lassen. Aber ich möchte Tesla nicht in einen Topf mit Uber werfen, weil Uber trotz aller Umstrukturierungen immer noch eine der größten Arschlochfirmen des immens arschlochreichen Silicon-Valley-Umfelds sein dürfte.

Probleme

Erinnern wir uns: Ubers Autonomobil hatte von Anfang an Probleme, rote Ampeln zu erkennen. Zum Vorfahrtunfall letztes Jahr gab Uber leider kein Video heraus, das die Situation zeigt. Der Unfallgegner nahm dem Uber-Volvo laut Polizeibericht die Vorfahrt. Aber mir haben auch schon tausend aspirierende Unfallgegner die Vorfahrt genommen, ohne dass ich einen Volvo auf die Tür gelegt habe. Ob was passiert, hängt auch davon ab, ob man rücksichtsvoll fährt oder um recht zu haben.

Wo Waymo- und Mercedes-Prototypen oft noch sehr zögerlich vorgehen, saust Uber einfach durch. Wenn sie das auf einem Funktionsniveau täten, das eine überlegene Technik demonstriert, würde das kaum jemanden stören. Stattdessen erhalten wir immer wieder Schlüssellocheindrücke aus dieser Firma, die auf eine gruselige Kultur hindeuten, an der auch der neue CEO Dara Khosrowshahi nichts Grundsätzliches geändert hat. Aus dieser Kultur erwächst unausgegorene Technik, deren Schwächen aus Angst und Druck kaum kommuniziert werden können.

Das Opfer

Vielleicht tut es allen Beteiligten gut, dass der erste tödliche Unfall in die Zeit des aktuellen Überenthusiasmus' fällt, damit er ebendiesen bremse. Davon hat die Tote und ihre Familie nichts, aber sie verhindert durch ihr Opfer vielleicht andere Unfälle aus denselben Gründen. Es wäre schön, wenn die US-Rechtssprechung mal etwas Feuer durch den Uber-Komposthaufen blasen würde. Wir erinnern uns an den Fall VW: Was da plötzlich alles ging in Sachen Rechtsstaat! Trotz Inlandsfirma scheint die Politik nicht unbeeindruckt: Der US-Bundesstaat Arizona untersagte Uber heute nach Aussagen der New York Times den Betrieb ihrer Versuchsfahrzeuge – unzulängliche Sicherheit.

Verständlicherweise reagieren andere Firmen betrübt, die sich mehr Mühe geben. Waymos CEO John Krafcik sagte der Presse am Sonntag nach einigem Nachbohren: "Wir sind uns sehr sicher, dass unsere Technik robust genug wäre, Situationen wie diese zu bewältigen." Und weiter: "Unfälle wie diesen zu vermeiden, genau das treibt uns doch als Firma an." Eine verständliche Reaktion. Aber er könnte es auch anders sehen: Einen schlimmeren Beleg gibt es derzeit nicht für die These, dass es bei autonomen Autos erhebliche Unterschiede in der Entwicklung gibt.

Autonomobile sind unfertig

Vielleicht trauert Krafcik auch der weltweiten enthusiastischen Zustimmung für autonome Fahrzeuge nach, die hier ihren Dämpfer fand – gut so! Autonomobile sind unfertig. Nicht nur ihre Technik ist experimentell, sondern obendrein viele ihrer Entwicklungsmethoden. Die bisherigen Prototypen haben bis jetzt nicht einmal annähernd die durchschnittliche Performance belegt, die Menschen inklusive aller Trunkenheitsfahrer, Smartphone-Unaufmerksamen und übermotivierter Alleinunfaller an den Tag legen. Da ist branchenweit noch viel Luft in Sachen Vorsicht, nirgends mehr als im Silicon Valley. Ich weiß, das wirkt hart. Das hat der Boden der Tatsachen so an sich ... (cgl)