Klartext: Die obere Hälfte des Motorrads

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Ob egal welcher Motorradhersteller so etwas zufriedenstellend hinkriegt, bevor Fahrer und Maschine über eine bessere Schnittstelle als das Gesäß miteinander kommunizieren, muss die Zeit zeigen. Ich habe beim aktuellen Stand der Technik keine Meinung dazu. Wer mag, darf gerne die lange Zukunft vorhersagen und sich dabei vorhersagbar lächerlich machen. Wenn es gut funktioniert, dann immer her damit. Doch was ABS, Traktionskontrolle, Fahrwerksverbesserungen und weitere Fortschritte jeweils konkret gebracht haben, wissen wir gar nicht. Als Hersteller würde ich Auto-analog zuerst einmal in die Unfallanalytik investieren, bevor ich irgendein neues Fass aufmache.

Äpfel, Birnen, Motorräder, Fahrräder

Beim Motorrad reichen die reinen Unfallzahlen ohne Analyse für den Antrieb der Szene: Die Totenzahlen sinken nicht gleich schnell. Schlussfolgerung: Das Motorrad muss auf das Niveau des Autos gebraucht werden! Dem liegt die Annahme zugrunde, dass diese beiden Dinge im Grunde gleich funktionieren. Wer beide Fahrzeuge fährt, erkennt den Einschätzungsfehler. Im Auto kannst du bremsen, den Insassen per Gurtstraffer in den Sessel spannen und hoffen, dass die Fahrgastzelle ihn vor den Unbillen des Unfalls schützt, falls er trotz allem nicht vermieden wird. Am Motorrad kannst du nicht einmal sicher sein, dass der Fahrer nach einer automatischen Vollbremsung noch draufsitzt.

Die Motorradindustrie hat mit besseren Fahrwerken, Fahrhilfen, vor allem jedoch mit viel besserer Bedienbarkeit ihre eigene, ganz erstaunliche Senkung der Unfallraten, der Toten erreicht. Sie wird das auch weiter tun. Wie gesagt: Eine moderne KTM 1290 Super Duke fährt sich kinderleicht, obwohl sie 177 PS ausstampft. Ihre Ahnin, die viel schwächere 990 Super Duke war dagegen ein Rodeo-Rind, dem jemand drei Tage lang Testosteron mit Vodka zum Frühstück gespritzt hat. Ich weiß, auf welches der beiden Kräder ich einen Anfänger zwecks längeren Lebens setzen würde. Aber ich weiß ehrlich gesagt nicht genau, welche Antwort ich einem Politiker geben würde, der nach DEM Einzelsystem fragt, das diese Veränderungen bringt, damit er dessen Abwesenheit verbieten kann.

Betrachten wir weiterhin nur die Unfallstatistik, fällt auf, dass seit 2005 die Toten unter den Fahrradfahrern fast um denselben Prozentsatz zurückgegangen sind wie jene unter den Motorradfahrern. Dort gab es weder ABS noch Traktionskontrollen. Selbst der Fahrradhelm scheint ein schwacher Hauptverdächtiger, denn im selben Zeitraum sanken auch die Verkehrstoten unter den helmlosen Fußgängern um einen ähnlichen Betrag. Waren es die Auto-Assistenten? Straßenbaumaßnahmen? Gestiegene Vernunft gar? Die reine Unfallanzahlen lassen belastbar nur zwei eindeutige Unfallgründe erschließen: jugendlichen Übermut und die Winterpause. Verbieten wir also die Jugend und den Winter! (cgl)