Klartext: Influenza gehen um

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Die Freude war von kurzer Dauer. Eine Bewertung unter fünf Sternen bei Amazon muss abgesprochen und genehmigt werden. Der freundliche Gegenleser strich der Gemahlin die echte Kernkritik aus ihrem Text und ließ die Kleinigkeiten drin, wie es professionelle Testschreiber aus Angst schon von alleine tun. Sie meldete sich ab, aber gleichzeitig bestellte sie unwissentlich ein Influenza-verseuchtes Produkt, weil es so gut bewertet wurde von Leuten, die sich als Kunden ausgaben.

Es ging um ein Nahrungsmittel, das sich angerührt anfühlte wie frischer Zement und genauso schmeckte. Auf Amazon erhielt das Zeug unfassbar gute Bewertungen en masse. Der „tolle Geschmack“ wurde gelobt, die „einfache Löslichkeit“ des Pulvers. Beides existierte nicht in der Realität. Die Schreiber bestanden zum Großteil aus redigierten Agentur-Produkttestern. Ein schlauer Mensch schrieb unter die verlangten fünf Sterne die Wahrheit: dass er den scheußlichen Schlick nicht kaufen würde. Ein hartnäckiger Mensch erstritt sich drei Sterne und einen kritischen Text, unter den er schreiben musste, das sei seine eigene Meinung über ein geschenktes Testprodukt. Ein unaufmerksamer Mensch kopierte versehentlich einen Influenz-Text für ein Waschmittel. Fünf Sterne fürs superweiße Hemd! Der Artikel war so geflutet von geinfluencten Bewertungen, dass die Mehrheitsmeinung echter Kunden herauszufinden sehr schwierig geworden war.

Mission erfüllt für die Agentur, auch wenn die meisten derart in die Irre geführten Kunden wohl dasselbe tun werden wie wir: Fehlkauf entsorgen und die Herstellerfirma fortan weiträumig meiden. Egal. Lieber so verkauft als nichts verkauft. Geniales Modell! Dabei fließt noch nicht einmal Geld, sondern die freiwilligen Werbeschreiber erhalten nichts mehr als zum Beispiel einen Pott Gesichtsfett bestenfalls mittlerer Qualität. Wie amphetaminverdächtig werden ihre Texte dann erst, wenn sie obendrauf einen kleinen Betrag Eurozonenwährung erhalten?

Sind auch Sie Influenza?

Kein Wunder also, dass Beeinflussung so beliebt geworden ist. Werbung wirkt, das wusste der Werber schon in den Sechzigern. Und: Jeder elfte Deutsche ist ein Influencer, behauptet eine „Hochschule Macromedia“. Also sicher auch Sie! Oder Sie da drüben! Auf nach Snapchat, für Ruhm, Ehre und vielleicht sogar ein paar Euros! Was mich jedoch wundert, ist die Zielgruppe der Auto-Influenza-Attacken: Stets werden junge Leute angesprochen. Vielleicht kommt das von billigen Dingen wie Fanta auf Youtube, die sich die jungen Zuschauer selber kaufen. Aber ein Auto? Die Hersteller sprechen da von langfristigen Strategien, davon, dass die Jungen ja ältere Geschwister und Eltern haben und so weiter. Das ist doch falschrum gedacht! Die jungen Leute haben keine Kohle! Man muss gleich die Alten einsacken!