Die Autohersteller haben das "Influencer Marketing" professionalisiert

Klartext: Influenza gehen um

Influencer Marketing heißt der nicht mehr ganz neue heiße Scheiß für Agenturen oder Autohersteller. Nach leicht stolpernden Anfängen in dieses #Neuland haben sie die Sache jetzt durchprofessionalisiert

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Von
  • Clemens Gleich
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„Bist du auch Influenza?“, fragte mich kürzlich ein freundlicher Mann. Meine Antwort war ein Augenblick des Schweigens, den mein Hirn brauchte, um alle möglichen Bedeutungen dieser Frage inklusive Fehlhörungen durchzugehen. Offenbar eine übliche Antwort, denn gleich präzisierte er: „INfluenza. *IN*fluenza. Englisch! Influencer.“ Ach so. Es folgte ein hochinteressantes Gespräch über eine Werbetechnik, die mit Social Media eine Renaissance erlebt.

Als ich vor einigen Jahren das erste Mal davon hörte, wie Autofirmen durch die asozialen Mediennetzwerke stolperten, dachte ich meistens „lasst es, bringt so nichts“. Die Autofirmen und Agenturen entwickelten ihr Verständnis jedoch sehr schnell weiter und mittlerweile ist das Influenza Marketing (sorry, ich kann nicht anders) straff durchorganisiert, durchgemessen und durchprofessionalisiert. Dieselbe Entwicklung vollzog sich auf der Geldnehmerseite. Eine veritable Subbranche entstand.

Kia Rio, Model, Instagram

Im Medienmagazin Horizont findet sich ein Artikel, der den Stand der Dinge beschreibt. Die Leute, denen die Hersteller Autos hinstellen, werden vorher sorgfältig ausgesucht und nachher ebenso sorgfältig nachbewertet in dem, was sie aus der Leihgabe machen. Kia lieh zum Beispiel einem Model einen Rio. Dabei ging es wohl nicht um ihren Beruf, sondern darum, dass sie auf Instagram bekannt ist. Sie setzte sich einmal hinein und einmal oben darauf, beides kameradokumentiert, hochgeladen und geleikt, geherzt oder wie auch immer Instagrams Daumen-hoch-Klick heißen mag. Das Interessanteste an der Aktion fand ich, dass sich in den Kommentaren gleich die nächste Agentur meldet mit: „Wir machen auch Influenza! Tschäcke uns aus!“

Kias Marketing-Chef kommt im Artikel zu Wort. Er erklärt, warum das Model zwei Bilder gemacht hat: Sie wollen eins von außen und eins von innen sehen für ihr Geld. Der Rest sei offen. Ich sehe nichts vom offenen Rest, verstehe das Model aber. Ich arbeite auch nicht für umme. So setzt sich das dann fort bei erfolgreichen Instagrammern, also vor allem PR-Publizisten aus den Bereichen Mode, Lebensart, Essen, Körperpflege, Sport und vielleicht auch ein paar Autofans, wenn die verstehen, dass es ums Anfiebern geht statt ums Bewerten, also wer ihr Kunde ist. Bei Mercedes gibt es eigens für Influenza-Fahrten die „Social Cars“: Fuhrparkautos für Fahrten quer durch Instagram, Snapchat oder sogar das olle Facebook, wenn es keine hipperen Aktionen mehr gibt. Die dabei entstehenden Fotos enthalten meistens ein paar Perlen. Aber ich war schon immer ein Freund guter Werbefotografie.

Die Influenza kommt ins Haus

Dass die Influenza funktioniert, merkte ich, als ich sie im Haus hatte. Meine Frau hatte wieder etwas zum Ausprobieren gefunden: „Man meldet sich hier an und wird Produkttester. Man testet Sachen aus verschiedenen Bereichen und bewertet sie dann bei Amazon. Lass uns da mitmachen! Wie, ‚Nein‘? Dann mach ich alleine mit.“