Klartext: Reiseenduros von unten

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Eine lange Zeit wurde der traditionelle Reiseendurist alleine gelassen, weil die Hersteller schlicht nicht merkten, dass es ihn gab. Der neue Markt kaufte GS-Klone, um mit ihnen in der Stadt oder auf der kurzen Hausstrecke Benzin spazierenzufahren. Der alte Markt kaufte unter dem Radar der Hersteller gebraucht. Eine Transalp läuft lange. Aber nichts läuft ewig. Irgendwann fragte dieser Teilmarkt also kleine, unkomplizierte, echte, neu gefertigte Reiseenduros nach, die im hinteren Kasachstan keinen lokal lebensverändernden Wert mehr haben. Es gab nur keine in Europa. Manche kauften also Modelle wie die Honda CRF 250 L und bauten einen größeren Tank darauf, andere warteten ab, für die meisten reichte der Gebrauchtmarkt noch. Als die Nachfrage auf dem Radar der Industrie auftauchte, war es gar nicht schwer, sie zu bedienen, denn die Hersteller hatten schon einige Modelle für den indischen Markt, dessen Nachfrage langsam vom Nutz- zum Spaßfahrzeug mutiert. Deshalb gibt es heute eine Kawasaki Versys 300, eine BMW G 310 GS, demnächst eine Husqvarna 401 Svartpilen und eine Suzuki V-Strom 250, alle gefertigt in Indien.

Zum Abgewöhnen

Die 250er Frau Strom bin ich kürzlich gefahren im britischen Hinterland. Den Stahlrahmen hat Suzuki vertrauensbildend überdimensioniert. Ich hätte keine Bedenken, ihm wie Ted Simon (ab 16,20 €) meinen halben Hausrat aufzuladen. Ein solider Alu-Gepäckträger und moderne Seitenkofferträger sind Serie. Die Feder-Dämpfer-Elemente sind zu hart für eine Person ohne Gepäck, was sie vermutlich ideal für eine voll bepackte Fahrt über eine afghanische Schlaglochpiste macht. Der Sitz ist so niedrig, dass selbst kleine Menschen ihren Hausrat an der Ampel ohne Angst balancieren können. Meine einzige substanzielle Kritik wäre die an der Höchstgeschwindigkeit von 125 km/h. Das würde mich auf Europas Fernstraßen ein bisschen stören. In Afrika oder Indien dagegen ist Höchstgeschwindigkeit vollkommen egal, weil selbst auf der Suzuki die äußeren Umstände ebendie definieren, nicht die Getriebeübersetzung.

Also stelle ich die These auf, dass die kleinen Reisemaschinen die besseren sind, wenn du wirklich reisen willst statt nur davon zu träumen. Sie sind leichter, billiger, robuster, einfacher zu fahren und wenn wir uns anschauen, was Reiseenduristen tatsächlich machen, dann können sie zwar nicht alles, was du willst, aber praktisch alles, was du tatsächlich tust. Nur das mit den maximal 30 Prozent Drosselklappenöffnung musst du dir abgewöhnen. (cgl)