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Die überarbeitete Mercedes E-Klasse im Fahrbericht

Billion Dollar Model

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Mercedes hat die aktuelle E-Klasse überarbeitet.

Mercedes hat kräftig investiert, um die E-Klasse optisch und technisch auf den neuesten Stand zu bringen. Zahlt sich dieser Aufwand aus? Eine Ausfahrt mit dem E 250 sollte das zeigen

München, 8. Februar 2013 – Im Normalfall versuchen Hersteller, den Aufwand bei einem Facelift in Grenzen zu halten. Mit etwas Kosmetik soll schließlich nur der Kauflaune ein wenig nachgeholfen werden. Mercedes hat sich die Überarbeitung der E-Klasse dagegen eine stolze Milliarde Euro kosten lassen. Eine Ausfahrt mit dem aufgefrischten Modell sollte zeigen, ob sich dieser ungewöhnliche hohe Einsatz gelohnt hat.

„Entkantet“

Anders als bei manchem Mikro-Lifting wurde bei der aktuellen E-Klasse nach vier Jahren Laufzeit das ganz große Skalpell rausgeholt. Unübersehbar sind die nun unter einem Glas zusammengefassten Scheinwerfer. Einzig die Grafik des LED-Tagfahrlichts erinnert an die einstigen Doppelleuchten. Apropos LED: Auch das Abblendlicht arbeitet mit Dioden, gegen Aufpreis sind Voll-LED-Scheinwerfer erhältlich. Die sind mit mehr als 1700 Euro aber teurer als zum Beispiel die im neuen Seat Leon [1]. Weitere markante Änderungen sind betreffen den Frontstoßfänger und den Bereich der hinteren Radhäuser. Hier entfällt künftig die so genannte "Ponton-Sicke". Recht diskret ist die Überarbeitung der Heckleuchten, sie bekommen ein rotes Deckglas.

Traditionelle Tugenden

So raumgreifend das Außendesign modifiziert wurde, so dezent sind die Modifikationen im Innenraum. Das bislang schon gut durchdachte Cockpit ist nun etwas hochwertiger, etwa durch ein neues Lenkrad und eine Analoguhr in der Mittelkonsole. Wer automatisch schaltet, tut das per Wählhebel am Lenkrad. Schwächen in der Bedienung fallen nur dann auf, wenn man nie oder selten Mercedes fährt. Etwas Eingewöhnung fordert die Fußfeststellbremse und den Tempomathebel links am Lenkrad. Bequeme Sitze und ein großzügiges Platzangebot runden den guten Eindruck ab. Dass die Verarbeitung bis ins Detail ausgezeichnet ist, kann der Kunde in dieser Klasse erwarten. Nach wie vor schluckt das Gepäckabteil einiges weg: Schon bei der Limousine sind es 540 Liter, ins T-Modell passen 695 Liter.

Strahl-Kraft

Die Dieselmotoren sind aus dem Vorgänger bekannt und leisten zwischen 136 und 252 PS. Die Benziner stellen 184 bis 408 PS bereit, die AMG-Modelle nicht mitgerechnet. Ganz neu ist ein aufgeladener Vierzylinder mit strahlgeführter Direkteinspritzung, variabler Nockenwellenverstellung sowie einer geregelten Ölpumpe. Heraus kommen 211 PS im E 250, ein Plus von 7 Pferdestärken gegenüber dem bisherigen E 250 CGI. Anders als bei kleinen Vierzylindern in der A-Klasse [2] hat sich Mercedes hier entschlossen, doch auf eine Schichtladung zu setzen. Das spart in der Theorie Kraftstoff, weil nur noch im direkten Umfeld um die Zündkerze herum zündfähiges Gemisch ist, der Rest hat einen hohen Luftüberschuss. Der Haken ist eine deutlich aufwendigere Abgasnachbehandlung. Mercedes kombiniert erstmals einen Turbolader mit einer externen Hochdruckabgasrückführung. Mit diesen und anderen technischen Kniffen soll der 211-PS-Vierzylinder im NEFZ mit 5,8 l/100 km auskommen und erfüllt die Euro-6-Norm. Gekoppelt ist er grundsätzlich an eine Siebengang-Automatik.

Im Stand überrascht der Vierzylinder mit einer leicht „dieseligen“ Klangkulisse, ansonsten brummt er gut gedämmt, ohne akustische Highlights im Hintergrund vor sich hin. Soundmäßig also eher "Naja", bei der Kraftentfaltung dagegen "Aha": Nach einer Gedenksekunde liegen 350 Nm maximales Drehmoment an, die Kurve erstreckt sich von 1200 bis 4000/min. In 7,4 Sekunden geht es auf Tempo 100, das T-Modell ist nur ein Hauch langsamer. Erst bei 233 km/h ist Schluss, was auch für deutsche Autobahnen ausreichen sollte. Viel wichtiger ist im Alltag das Gefühl, stets mehr als ausreichend Leistung zu haben. Dazu passt auch die Siebengangautomatik, die sehr unauffällig schaltet.

Weiche Airmatic

E-Klasse-Fahrer haben ab Mitte April 2013 die Wahl zwischen vier Fahrwerken. Die Basisversion und die Elegance-Linie weisen ein so genanntes "Direct Control"-Fahrwerk mit selektivem Dämpfungssystem auf, in der Avantgarde-Linie ist es um 15 Millimeter tiefer gelegt. Nummer drei ist ein Sportfahrwerk mit Tieferlegung, die V8-Modelle bekommen serienmäßig eine Luftfederung. Der Testwagen war mit dem Avantgarde-Fahrwerk bestückt. Es bietet in den meisten Fällen einen guten Komfort, grobe Querfugen werden jedoch spürbar weitergereicht. Mit der Luftfederung "Airmatic" rollt die E-Klasse deutlich weicher ab, dennoch ist die gefühlte Verbesserung nicht so groß, dass der üppige Aufpreis von 2.023 Euro gerechtfertigt wäre.

Unterstützung

Die wichtigsten Assistenzsysteme hat Mercedes in einem Paket für 2677 Euro zusammengeschnürt. Inklusive sind hier ein Tempomat mit Abstandsregelung und der Fähigkeit zum teilautonomen Staufolgefahren, aber auch Helferlein zur Spurhaltung und Vermeidung des toten Winkels. Ebenfalls mit an Bord ist ein Bremsassistent, der auch Querverkehr sowie Fußgänger erkennt und die Bremsung des Fahrers verstärkt. Bei der Sichtung von Fußgängern kann die E-Klasse sogar bis zu einem Tempo von 50 km/h von selbst bis zum Stand bremsen.

Unverständlich bleibt die Tatsache, warum Mercedes einige weitere Systeme enorm verteuert. So kostet der Fernlicht-Assistent Plus, der andere Fahrzeuge im Fernlichtkegel ausblendet, zwar nur 119 Euro, es gibt ihn aber nur zusammen mit den LED-Scheinwerfern. Macht insgesamt 1845 Euro. Richtig üppig wird es bei der Verkehrszeichenerkennung: Sie gibt es nur mit dem schon per se heftig eingepreistem Comand-Navigationssystem.

Große Geldbeutel gefragt

Überhaupt lässt sich die Ausstattung der E-Klasse stark in die Höhe treiben, der 76-seitigen Preisliste sei Dank. Die Basisversion der E 250 Limousine steht für 46.275 Euro beim Händler, das ist auf den ersten Blick mehr als bislang. Wenn man aber die bislang nicht serienmäßige Automatik zum alten E 250 hinzurechnet, war dieser sogar knapp 800 Euro teurer. Was ist noch im Preis inklusive? Neben dem klassischen Stern auf der Haube unter anderem Tempomat, 16-Zoll-Alus mit 225er-Bereifung, elektrisch einstellbare Vordersitze, Zwei-Zonen-Klimaautomatik, Teil-LED-Scheinwerfer und ein CD-Radio mit USB-Schnittstelle.


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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Ein-Ausflug-mit-dem-neuen-Seat-Leon-FR-1756248.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Die-neuen-Antriebe-der-Mercedes-A-Klasse-1578270.html