Ostbewegung

Report: Alte Diesel in Osteuropa gefragt

Diesel, die maximal die Abgasnorm Euro 5 erfüllen, sind hierzulande kaum noch verkäuflich. Im Osten läuft das besser, und so werden massenhaft alte Selbstzünder in Länder wie Polen, Bulgarien und Rumänien verschoben. Umweltschützer kritisieren diese Entwicklung heftig

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  • dpa
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Kein Frage: Der Dieselmotor hat in seiner langen Geschichte schon deutlich bessere Tage erlebt. Durch den von Volkswagen verursachten Betrug hat der Ruf des Selbstzünders nachhaltig Schaden genommen, zumindest in Deutschland. In den östlich gelegenen Nachbarländern sieht die Sache etwas anders aus. Dort wird das, was bei uns als austauschreif deklariert wird, gern genommen. Umweltschützer sind davon nicht begeistert und fordern ein Umdenken.

Eine Invasion

In Rumänien, seit langem ein großer Abnehmer alter Autos aus Westeuropa, stieg die Zahl der registrierten Gebrauchtwagen mit Dieselmotor laut Kfz-Zulassungsstelle von 2017 bis 2018 um mehr als 31.000. Auch in Tschechien boomt das Geschäft mit den alten Selbstzündern. Man könne fast von einer „Invasion“ sprechen, sagte Petr Prikryl vom tschechischen Verband der Gebrauchtwagenhändler. „Die Importeure fahren nach Deutschland und nutzen selbstverständlich aus, dass der deutsche Verbraucher verunsichert ist.“ Was sich an einem entsprechend niedrigen Preis abzeichnet.

Laut einer Marktuntersuchung des Gebrauchtwagenhändlers AAA Auto, einem der Großen in der Branche in Mittelosteuropa, stammen 63 Prozent der in Tschechien inserierten Importgebrauchtwagen aus Deutschland – und 60 Prozent der importierten Gebrauchtwagen haben einen Dieselmotor. In der benachbarten Slowakei lag der Diesel-Anteil sogar bei 78 Prozent.

Nur weg

Diese Entwicklung macht sich auch bei den deutschen Autohändlern bemerkbar. Knapp ein Drittel von ihnen wird häufiger direkt von Händlern aus dem Ausland kontaktiert, die dann auch Diesel-Gebrauchtwagen abkaufen. Das geht aus einer Befragung, dem DAT-Diesel-Barometer vom November 2018, hervor. Viele deutsche Händler dürften froh sein, die nur noch schwer verkäuflichen Selbstzünder mit Abgasnorm Euro 5 oder älter vom Hof zu haben. Um einen Gewinn geht es dabei nur noch selten, vielmehr gilt es oft schlicht, die Verluste nicht weiter steigen zu lassen.

Umweltzonen gibt es in Tschechien wie auch in Polen, Kroatien und Serbien bisher nicht. „Wir fahren hier noch ungestört und in Freiheit, ganz ohne Einschränkungen“, sagte Prikryl, der nach eigenen Angaben rund 400 Händler vertritt. „Der Kunde fragt, was das Auto schluckt, wie viel es verbraucht – das interessiert ihn.“ Da liegt der um 20 bis 30 Prozent sparsamere Diesel im Vorteil.

Was zählt: billig

Den serbischen Käufern komme es vor allem darauf an, dass die Autos billig seien, sagte Slobodan Curguz, Besitzer eines Kfz-Handels in Belgrad. Das heiße, dass die Pkw älter seien und mehr Kilometer hinter sich hätten. Nach Angaben des Verbands der serbischen Kfz-Importeure beträgt das Durchschnittsalter der gebrauchten Importwagen zwölf Jahre. Serbien ist eines der wenigen Länder der Balkanregion, das den Import von Fahrzeugen der Schadstoffklasse Euro 3 noch erlaubt.

In Rumänien waren Autos laut dem Jahresbericht 2018 des Automobilherstellerverbands ACEA zuletzt im Schnitt sogar gut 16 Jahre alt, obwohl es seit langem Geldprämien fürs Verschrotten gibt. Nicht viel besser sah es mit über 14 Jahren in Tschechien, mehr als 13 Jahren in Polen und gut 14 Jahren in Kroatien aus. Zum Vergleich: In Deutschland sind die Autos im Schnitt mit gut neun Jahren deutlich jünger.

Kritik von Umweltverbänden und der EU

Umweltorganisationen sind über die Entwicklung empört. „Süd- und Mittelosteuropa darf nicht zur Müllhalde alter, nicht mehr benötigter und dreckiger, die Luft verschmutzender Produkte werden“, sagte Jan Pinos von der Regenbogen-Bewegung (Hnuti Duha) in Prag. Leider hinke das Umweltbewusstsein in der Region hinterher. Das Auto sei für viele ein Statussymbol – je größer, umso besser. Im vergangenen Jahr hatte schon EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska, dass Diesel, die maximal die Abgasnorm Euro 5 erfüllen, vor einem Export umgerüstet werden müssten. Die spannende Frage, wer die im Verhältnis zum Restwert enormen Kosten übernehmen soll, ließ die Industriekommissarin offen.

Alternative Antriebe legen zu

Ein Blick in die Statistik der deutschen Neuzulassungen des vergangenen Jahres zeigt, dass Neuwagenkäufer zunehmend auf der Suche nach einer Alternative zum Dieselmotor sind, dieser aber noch lange nicht abgeschrieben werden sollte. 2017 wurden hierzulande 1.336.776 Neuwagen mit Diesel zugelassen, 2018 waren es mit 1.111.130 allerdings 16,9 Prozent weniger. Zugleich stieg die Zahl der Neuzulassungen mit Elektro-, Hybrid- oder Gasantrieb von 147.290 auf 213.229.

(mit Material der dpa)