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Autohersteller sehen Energieversorger am Zuge

Wann kommt die Infrastruktur für Elektrofahrzeuge?

News ssu

Daimler und das UN-Umweltprogramm UNEP fordern geeignete Tankmöglichkeiten für Elektro- und Brenstoffzellenautos. Die Technologien sind marktreif, nun seien die Energieversorger am Zuge

Magdeburg, 4. Juli 2008 – Den Aufbau einer Strom- und Wasserstoff-Infrastruktur für Fahrzeuge mit Elektro- oder Brennstoffzellenantrieb fordern Autobauer Daimler und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNEP [1] (United Nations Environment Programme) gemeinsam auf dem 5. Magdeburger Umweltforum [2]. Dort diskutieren bis zum 4. Juli rund 250 Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik sowie Regierungs- und Nicht-Regierungsorganisationen unter dem Motto "Sustainable Mobility – The Post 2012 CO2-Agenda" Lösungen für den Straßenverkehr der Zukunft.

UNEP: Systemverändernde Lösungen für die Mobilität

Ein ausreichendes Netz von Elektro- und Wasserstoff-Tankstellen sei die Voraussetzung für die schnelle Markteinführung von lokal emissionsfreien Antrieben, erklärten UNEP und Daimler, die 2005 ein Memorandum of Understanding (MoU) unterzeichneten, um das emissionsfreie Fahren voranzubringen und die gemeinsam als Gastgeber des Umweltforums in Magdeburg auftreten. "Automobilhersteller, die ihre Innovationskraft für die Entwicklung wegweisender Technologien nutzen und Partnerschaften mit innovativen Kraftstoffherstellern und Stadtplanern eingehen, können den so dringend benötigten Wandel herbeiführen. Jene, die diesen Weg nicht beschreiten, werden auf der Strecke bleiben", prognostizierte Achim Steiner, Executive Director des UNEP – Klimawandel, wachsendes Verkehrsaufkommen und steigende Rohölpreise erfordern Steiner zufolge "systemverändernde Lösungen für die Anforderungen nationaler und globaler Mobilität".

Zetsche: Technik ist marktreif

"Wir haben die Technologien entwickelt und sind jetzt in der Lage, sie in den Markt einzuführen", erklärt der Vorstandsvorsitzende der Daimler AG, Dieter Zetsche. Für 2010 plant der Autokonzern die Markteinführung von akkubetriebenen oder mit Strom aus Brennstoffzellen gespeisten Fahrzeugen – derzeit läuft in London ein Feldversuch [3] mit 100 Elektro-Smarts mit Lithium-Ionen-Akkus, und in diesem Frühjahr absolvierte ein Fahrzeug der Mercedes-B-Klasse mit Brennstoffzellenantrieb ausführliche Kältetests [4], bei denen das Vehikel nach Herstellerangaben seine Startfähigkeit bei einer Temperatur von bis zu minus 25 Grad unter Beweis stellte.

Die Technologie steht Zetsche zufolge damit "in den Startlöchern", jetzt sei es an der Zeit, dass auch Energieversorger und Mineralölkonzerne ihr Engagement unter Beweis stellen. "Wir gehen auf mögliche Partner zu und geben hier die Initialzündung", kündigte der Automanager an. Bei Lichte besehen weiß wohl derzeit keiner der Autohersteller momentan so recht, wann und in welcher Form das Henne-Ei-Problem aus neuer Tankstellen-Infrastruktur und Erfolg einer der möglichen emissionsfreien Antriebstechnik gelöst wird. Einstweilen begnügen sich die Konzerne mit Kleinserien wie im Fall des Honda FCX Clarity [5] mit Brennstoffzelle oder präsentieren Konzeptautos wie die Renault-Nissan-Allianz den Scénic ZEV H2 [6] mit Brennstoffzelle.

Wann kommt die Infrastruktur für Elektrofahrzeuge?

Öko-Wackelkandidat Wasserstoff

Zusätzlich zur Herausforderung, alltagstaugliche Brennstoffzellenautos zu einem wettbewerbsfähigen Preis anzubieten, und dem ungelösten Problem, wer die Investitionen für ein Wasserstoff-Tankstellennetz stemmen soll, ist umstritten [7], wie der benötigte Wasserstoff mit einer guten Energie- und Ökobilanz hergestellt werden soll. Dies räumt auch Daimler-Entwicklungsvorstand Thomas Weber in einem Interview [8] mit der Wirtschaftswoche ein und fordert den Einsatz regenerativer Energiequellen, um das lokal emissionsfreie Fahren in Ballungszentren mit möglichst wenig CO2-Ausstoß bei der Energieerzeugung zu ermöglichen.

Vielfalt der Hybrid-Antriebe

"Im Prinzip ist in den nächsten fünf bis sechs Jahren mit allen Antriebsspielarten zu rechnen", prognostiziert der Leiter der Antriebsforschung bei Volkswagen, Wolfgang Steiger, im Gespräch mit heise Autos [9] mit Blick auf die Vielfalt von ganz oder teilweise elektrischen Auto-Antrieben, die der Konzern erprobt. Auch der VW-Mann sieht nun die Energieversorger am Zug, um möglichst saubere Energie zu den fahrenden Verbrauchern zu bringen: Eine Lösung wäre eine Gleichspannungstraverse, die Europa von Nord nach Süd durchzieht, und die dazu geeignet wäre, Strom über weite Entfernungen "fast verlustfrei" zu übertragen. So könnte man im Norden die Energie aus Offshore-Windanlagen und im Süden Solarenergie einspeisen. Damit ließe sich ein stabiles Energieangebot verwirklichen, und zwar unabhängig von der Jahreszeit, erklärt Steiger.

Lösung Austausch-Akku?

Wie und wo die viel zitierten "Laternenparker" dann aber den so erzeugten Strom in ihre Autos einspeisen können, steht freilich auf einem anderen Blatt. Der Überlegung der US-Firma Project Better Place [10], die in Israel, Dänemark und in San Francisco [11] Elektrofahrzeuge mit austauschbaren Akkus und eine Infrastruktur entsprechender Wechselstationen plant, steht VW-Forscher Steiger skeptisch gegenüber: Erstens sei es schwierig, Auto-Akkueinheiten, die auf eine Spannung bis zu 400 Volt ausgelegt sind, sicher zu trennen, etwa wegen der Gefahr der Funkenbildung. Die je nach Kapazität mehrere Zentner schweren Batterien müssten mit Robotersystemen getrennt werden. Zudem sei es sehr schwierig, im Auto einen Platz für den Akkupack zu finden, der einerseits einen Wechsel zulässt und gleichzeitig die Anforderungen der Crash-Sicherheit erfüllt.


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https://www.heise.de/-455775

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.unep.org/
[2] http://www.environment-forum.com
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Sauber-und-effizient-Der-Smart-Fortwo-mit-Elektroantrieb-im-Test-489126.html
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Brennstoffzellenauto-im-Kaeltetest-Mercedes-B-Klasse-F-Cell-445519.html
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/Honda-startet-Kleinserienfertigung-des-FCX-Clarity-mit-Brennstoffzelle-454260.html
[6] https://www.heise.de/autos/artikel/Renault-Nissan-zeigt-Konzeptauto-Scenic-ZEV-H2-mit-Brennstoffzelle-455139.html
[7] https://www.heise.de/autos/artikel/Auf-Wiedersehen-Wasserstoff-793121.html
[8] http://www.wiwo.de/unternehmer-maerkte/das-ist-die-zukunftstechnologie-schlechthin-299107/
[9] https://www.heise.de/autos/artikel/Fahren-wir-in-Zukunft-elektrisch-455325.html
[10] https://www.heise.de/autos/artikel/Daenemark-strebt-Fuehrungsrolle-bei-Elektroautos-an-446455.html
[11] https://www.heise.de/news/San-Francisco-soll-Elektroauto-Infrastruktur-erhalten-207859.html