Business? Nein, danke!

Software zu entwickeln bedeutet, Code zu schreiben. Um die Business-Aspekte sollen sich andere kümmern. Ist die Welt für Entwickler wirklich so einfach?

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(Bild: Andrii Yalanskyi/Shutterstock.com)

Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Golo Roden
Inhaltsverzeichnis

Viele Menschen fürchten sich davor, Fehler zu machen. Ich persönlich sehe das ein wenig anders: Ich finde es per se nicht schlimm, wenn etwas misslingt. Natürlich freue ich mich über einen Erfolg mehr als über einen Misserfolg, aber man kann aus Fehlern eine ganze Menge lernen, und das wiederum ist unglaublich viel wert. Einen Fehler, den ich selbst vor langer, langer Zeit gemacht habe, beobachte ich immer wieder bei zahlreichen Entwicklerinnen und Entwicklern – und so "schön" Fehler in gerade eben genanntem Sinne sind: Denselben Fehler immer und immer wieder zu machen, ist letztlich ineffizient, auch wenn es jeweils unterschiedliche Personen betrifft.

the next big thing – Golo Roden

Golo Roden ist Gründer und CTO von the native web GmbH. Er beschäftigt sich mit der Konzeption und Entwicklung von Web- und Cloud-Anwendungen sowie -APIs, mit einem Schwerpunkt auf Event-getriebenen und Service-basierten verteilten Architekturen. Sein Leitsatz lautet, dass Softwareentwicklung kein Selbstzweck ist, sondern immer einer zugrundeliegenden Fachlichkeit folgen muss.

Worum geht es? Vor rund 15 Jahren, irgendwann zwischen 2009 und 2011, arbeiteten ein befreundeter Entwickler und ich in unserer Freizeit, also abends und am Wochenende, an einem gemeinsamen Projekt, das wir uns überlegt hatten. Technisch gesehen zielte unser Vorhaben darauf ab, den Zugang zu Downloads zu beschränken, oder besser gesagt: Zu kontrollieren. Wir wollten beispielsweise Downloads nur für eine begrenzte Zeit verfügbar machen, oder sie nur im Tausch gegen einen Zugangscode ermöglichen, oder ausschließlich für bestimmte Nutzerinnen und Nutzer freischalten. Wir hatten uns damals überlegt, dass das ein unglaublich praktischer und durchaus wertvoller Service werden könnte, etwa für E-Books, digitale Musik oder Video-Streaming.

Die Idee war, dass wir die Software bereitstellen würden, die legitime Zugriffe auf digitale Inhalte ermöglichen und gleichzeitig die Rechte der Urheber schützen würde. Wir stellten uns vor, dass das ein riesiger Markt sein müsste. Und wir hatten alles, was das Entwicklerherz begehrt: Unsere Codebase war extrem gut strukturiert, der Code war sauber und aufgeräumt, wir hatten für praktisch alles Unit- und Integrationstests und so weiter. Und natürlich hatten wir auch einen bedeutsamen Namen und, ganz wichtig, ein schickes Logo. Das Einzige, was uns fehlte, waren Kunden. Und noch viel schlimmer: Wir hatten absolut keine Idee, wie wir potenzielle Kunden hätten identifizieren oder gar ansprechen sollen.

Und genau das ist der typische Fehler, den viel zu viele Entwicklerinnen und Entwickler machen: Zu glauben, man bräuchte nur ein technisch herausragendes Produkt, und der Rest würde dann von alleine passieren. Die Realität ist aber: Wenn man ein technisch herausragendes Produkt hat, dann hat man genau das – ein technisch herausragendes Produkt. Aber außer einem selbst weiß niemand davon, und deshalb kauft es auch niemand. Wenn man nicht weiß, wie man ein Produkt vermarktet und wie man ein Business rund um ein Produkt aufbaut, dann kann man es sich eigentlich schon fast sparen, überhaupt mit der Entwicklung anzufangen.

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Und dabei hatten wir bis zu diesem Punkt sogar eine ganze Menge richtig gemacht: Wir hatten uns gut organisiert, wir haben die Arbeit sinnvoll auf uns beide verteilt, wir waren uns einig über Aspekte wie Qualität, Zeit und Kosten, wir hatten einen guten Draht zueinander und damit auch eine gute Kommunikation, und so weiter. Und all diese Dinge, die man üblicherweise wahrscheinlich unter Schlagwörtern wie "Projektmanagement" und auch "Teambuilding" zusammenfassen würde, selbst diese sind ja schon nicht selbstverständlich!

Denn wie viele Teams gibt es, die bereits daran scheitern? Die keinen guten Entwicklungsprozess haben? Wo ständig umgeplant wird, weil es (wenn man mal ehrlich wäre) gar keinen wirklichen Plan gibt? Wo das Verhältnis zwischen Entwicklung und Management von gegenseitigem Misstrauen und Missgunst geprägt ist? Und so weiter?

Doch selbst wenn wir das mit der Vermarktung und der Kundenansprache hinbekommen hätten, wären wir rasch an einem ganz anderen Punkt gescheitert, über den wir vorher ebenfalls nicht nachgedacht hatten: Wir hatten uns nämlich keinerlei Gedanken gemacht, wie wir ein Unternehmen um das Ganze herum aufbauen könnten. Zu jenem Zeitpunkt waren wir beide sehr unerfahren, was das Thema "Gründen" angeht. Wir hatten keinerlei Ahnung von den rechtlichen Aspekten, von Rechtsformen, Verträgen, Buchhaltung, Steuern und all den Themen, die dazu gehören.

Und deshalb, so hart das auch ist, muss ich mir rückblickend eingestehen: Das, was wir damals gemacht haben, war kein "Start-up", auch wenn wir damals beide der Illusion nachhingen, dass es sich so anfühlen würde. Es war de facto noch nicht einmal eine Geschäftsidee. Tatsächlich waren wir, ganz realistisch betrachtet, einfach nur zwei Jungs, die ihren Spaß daran hatten, gemeinsam ein bisschen auf der grünen Wiese zu programmieren. Und wenn das das Ziel ist, dann ist ein solches Vorgehen auch völlig in Ordnung. Aber für das, womit die meisten von uns Geld verdienen, dafür genügt das allein nicht. Dafür braucht es mehr.

Und ich weiß, das ist etwas, das viele Entwicklerinnen und Entwickler nicht gerne hören, weil sie es sich in ihrer technischen Komfortzone bequem gemacht haben, aber: Wenn man Software entwickelt, um damit Geld zu verdienen – völlig unabhängig davon, ob man nun selbstständig ist, ein eigenes Unternehmen hat oder in einem Unternehmen angestellt ist – dann ist es fahrlässig, sich auf die Position zurückzuziehen, man sei lediglich für den Code zuständig.

Denn, und das ist entscheidend: Software wird nicht deshalb entwickelt, weil es so faszinierend ist, Software zu entwickeln. Sondern Software wird entwickelt, weil es da draußen (hoffentlich) jemanden gibt, dessen fachliche Probleme man damit löst. Um das aber zielgerichtet und effizient machen zu können, muss man nicht nur über das notwendige Domänenwissen verfügen, sondern es ist auch enorm hilfreich, wenn man versteht, wie das Ganze drumherum funktioniert: Wie Projektplanung funktioniert, wie man Zeit und Ressourcen plant, wie man Aufwände schätzt, wie man mit Risiken umgeht, wie man ein Team aufbaut, wie man wertschätzend kommuniziert, wie man eine Marke aufbaut, wie man verkauft, wie man Werbung macht, wie man über das, was man macht, berichtet – sei es in Blogs, in Artikeln, auf Meetups, auf Konferenzen oder sonst wo – und wie das Business hinter all dem funktioniert.

Nun werden viele Entwicklerinnen und Entwickler sicherlich nicht mit all diesen Punkten aktiv in Berührung kommen, und gerade wenn man in einem größeren Unternehmen arbeitet, dann werden dort für die meisten Aspekte, die ich gerade genannt habe, eigene Teams vorhanden sein, wie zum Beispiel ein Marketing- oder ein Sales-Team. Aber auch mit diesen Teams gibt es am Ende des Tages Berührungs- und Anknüpfungspunkte.

Denn – und ich weiß, dass die Realität oft leider ganz anders aussieht – auch ein Marketing-Team kann nur das bewerben, was in der Entwicklung vorhanden ist, und vor allem auch nur das, was es von dem Vorhandenen wirklich verstanden hat. Deshalb ist es hilfreich, wenn Entwicklerinnen oder Entwickler wissen, wie Marketing funktioniert, damit sie besser mitreden und proaktiv Vorschläge machen können. Und das gilt natürlich nicht nur für das Marketing: Das gilt gleichermaßen für Sales, für Legal, für HR, und so weiter. Und natürlich muss man nicht alles aus diesen Bereichen wissen, aber es hilft, eine grobe Vorstellung zu haben und die grundlegenden Konzepte zu kennen.

Und ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Wenn mich jemand vor 15 Jahren nach diesen Themen gefragt hätte, hätte ich geantwortet, dass ich das weder als meine Aufgabe ansehen würde (denn ich habe mich als reinen Entwickler verstanden), noch dass ich Zeit oder gar Lust gehabt hätte, mich mit diesen Themen zu befassen (denn ich habe mich, wie gesagt, als reinen Entwickler verstanden). Ich hätte überhaupt nicht gewusst, warum ich mich mit diesen Themen beschäftigen sollte, und ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass das auch nur ansatzweise Spaß machen könnte. Und heute?

Ich bin so froh, dass ich das heute anders sehe. Und das beginnt schon auf unserem YouTube-Kanal: Jedes Video, das wir veröffentlichen, muss zeit- und ressourcentechnisch eingeplant werden. Es gilt, diverse rechtliche Aspekte zu beachten. Es gibt auch steuerliche Aspekte zu berücksichtigen. Einen guten Titel zu finden, einen passenden Beschreibungstext zu verfassen, das ist Marketing. Jedes Mal, wenn ich sage: "Und falls Du das noch nicht gemacht hast, dann abonniere jetzt unseren Kanal", dann ist das ein Pitch, mit dem ich versuche, jemanden als dauerhafte Zuschauerin oder als dauerhaften Zuschauer zu gewinnen.

Daher: Falls Sie das noch nicht gemacht haben, dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt, unseren Kanal zu abonnieren! Und wenn Sie das machen, dann denken Sie daran, auch die Glocke zu aktivieren, damit Sie von YouTube über neue Videos von uns benachrichtigt werden.

Wer diesen Blogpost im Anschluss gleich noch einmal liest, wird feststellen, dass ich nicht einfach nur sage, dass Entwicklerinnen und Entwickler meiner Meinung nach dies und jenes tun sollten, aus diesen und jenen Gründen, sondern ich habe das Ganze mit einer persönlichen Geschichte verknüpft. Auf diesem Weg hebe ich das Thema nämlich auf eine emotionale Ebene und mache es lebendiger und greifbarer.

Das nennt man übrigens Storytelling, und auch das ist ein Begriff aus dem Marketing. Das heißt, dass vieles von dem, was ich in diesem Blogpost angesprochen habe, durchaus praktisch sein kann, aber dass einem im Alltag oft gar nicht direkt bewusst ist, wo das alles drinsteckt. Deshalb kann ich nur noch einmal sagen: Ich wünschte, ich hätte vieles über all diese Themen deutlich früher gewusst. Und ich kann jeder und jedem nur nahelegen, sich damit zu beschäftigen. Wie es in dem Film "Matrix" so schön heißt: "Ich kann Dir nur die Tür zeigen. Durchgehen musst Du selbst."

PS: Für alle, die zu diesem Thema mehr erfahren wollen, veranstaltet die the native web GmbH ab dem 8. Juli 2024 eine Webinarreihe: "Business-Grundlagen für Entwickler". (map)