Das traurige Ende der Geldkarte

Die Geldkarte wird scheibchenweise beerdigt. Ein Nachruf auf ein unterschätztes Zahlungsmittel.

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Die Geldkarte wird scheibchenweise beerdigt. Ein Nachruf auf ein unterschätztes Zahlungsmittel.

Bin ich froh, dass ich so selten Briefmarken brauche. Der Erwerb einer solchen ist wirklich eine Pest. Seit mindestens zwei Wochen sind 4 der 4 frei zugänglichen Automaten in Hannovers Innenstadt außer Betrieb. Als ich dann doch noch einen funktionierenden gefunden habe, nahm der keine Geldkarten mehr an. „Die Akzeptanzquote der Geldkarte geht seit Jahren kontinuierlich zurück und liegt mittlerweile im niedrigen einstelligen Bereich“, schreibt mir die Post. "Aufgrund der sehr geringen Nachfrage steht der Umsatz in keinem Verhältnis zu den Kosten, so dass wir auf die Geldkarte als Zahlungsmittel verzichtet haben."

Na super. Wechselgeld rücken die Dinger nämlich auch nicht raus, nur in Form von Briefmarken, die ich ja gottseidank – siehe oben – höchst selten brauche. Das ist ein weiterer Nagel im Sarg der Geldkarte. Schade eigentlich. Mag ja sein, dass es lästig war, sie immer neu aufladen zu müssen. Aber ich fand sie cool: Anonym und schnell, was will man mehr? Schneller jedenfalls als EC- oder Kreditkarte. Ich bekomme immer die Krise, wenn ich Leute an der Supermarktkasse vor mir mit Plastikgeld herumfuchteln sehe, für Beträge von vielleicht neun Euro nochwas. In der gleichen Zeit hätte auch die tattrigste Oma ihr Kleingeld aus dem Portemonnaie gepult.

Noch schneller als mit Bargeld oder Geldkarte geht’s eigentlich nur mit NFC-Kreditkarten, doch dann ist wieder die Anonymität zum Teufel. Außerdem füttere ich mit den Gebühren die beiden Duopolisten – auf Kosten des Händlers, und das muss ja nicht sein.

Aber was hilft’s: Weil bisher offenbar zu wenig Leute meine Vorliebe für die Geldkarte geteilt haben, wird sie jetzt halt scheibchenweise beerdigt. Es fing ja schon damit an, dass die Bahn-Fahrkartenautomaten auf einmal keine Geldkarten mehr haben wollten. Fahrkartenautomaten! Ich meine, wo sonst führen dysfunktionale Zahlverfahren zu wüsteren Verwünschungen als angesichts abfahrbereiter Züge?

Meine Kollegen konnten mich heute über das gesamte Mittagessen mit Anekdoten unterhalten: Automaten, die entweder keine Münzen oder keine Scheine nehmen; Menüführungen, die sich nur durch einen kompletten Neustart zu helfen wissen, sollte bei der Zahlung irgendwas zwicken; Apps, die einem aus unerfindlichen Gründen jedes zweite Angebot nicht verkaufen können; und, und, und.

Aber nein: Für die schlichte und unspektakuläre Geldkarte gibt es offenbar keinen Bedarf mehr. Die Automaten des hiesigen Verkehrsverbunds nehmen sie seltsamerweise noch, aber auch das wird sich vermutlich legen. Immerhin scheint sie in den Landesregierungen von Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg noch einige Freunde zu haben: Diese wollen das Taschengeld für Flüchtlinge künftig nicht mehr in bar, sondern auf Geldkarten ausgeben. Super Idee - nur was sollen sich die Leute damit kaufen? Fahrkarten schon mal nicht. Aber vielleicht ist das ja Absicht.

Ob moderne Verfahren wie NFC die Geldkarte irgendwann ablösen werden? Bei so viel bisherigem Murks bin ich skeptisch, dass Unternehmen wie Post oder Bahn das überhaupt vernünftig implementiert bekommen. Einem Laden, der über Wochen seine bestehenden Automaten nicht repariert bekommt, traue ich in der Hinsicht jedenfalls wenig zu. (grh)