Die Liebe zur Maschine
Der Regisseur Spike Jonze erzählt in seinem neusten Film die Geschichte eines Mannes, der sich in eine Maschine verliebt. Wer glaubt, das kann nur Nerds passieren, wird sich noch wundern.
Der Regisseur Spike Jonze erzählt in seinem neusten Film die Geschichte eines Mannes, der sich in eine Maschine verliebt. Wer glaubt, das kann nur Nerds passieren, wird sich noch wundern.
Her, der neue Film von Spike Jonze, wird im Feuilleton überraschend gut besprochen. Dabei geht es im wesentlichen um einen Mann um die 40, Typ kreativer Büroarbeiter, der sich in die virtuelle Persönlichkeit seines Betriebssystems verliebt. Und natürlich spielt der Film mit dem Klischee des armen, lebensuntüchtigen Träumers, der"richtige" Beziehungen nicht auf die Reihe kriegt.
„Samantha“ ist so eine Art Super-Siri, eine künstliche Intelligenz, die darauf programmiert ist, ihren Nutzer so gut wie möglich zu verstehen - also auch sich in in einzufühlen. Was tut die Maschine also? Sie stellt Fragen. Sie hört zu. Und sie kommentiert, was sie gehört hat.
Dass Zuhören wichtig ist, Teilen, Herstellen von Gemeinsamkeiten („Wirklich, Sie lieben die Filme von Jonze auch? Na das ist ja ein Zufall“) oder das Teilen von Kindheitserinnerungen („Das habe ich eigentlich noch nie jemand erzählt, aber als ich Sie eben gesehen habe musste ich an einen Sommertag vor 30 Jahren denken…“), erzählt einem jeder Verkaufstrainer, viele Psycho-Coaches und die meisten Anbagger-Artisten. Für viel Geld natürlich.
Sie glauben nicht, dass Maschinen so etwas auch können? „Kohlenstoff-Chauvinismus“ hat irgendein KI-Forscher das mal genannt. Leider habe ich seinen Namen vergessen. Aber die Formulierung trifft zu.
Denn Menschen sind Meister darin, ihre Umwelt zu interpretieren und alles was sie erleben, erst mal mit Sinn zu versehen. Also haben sie eine ganz starke Tendenz dazu, Maschinen zu vermenschlichen. Ein Mund, ein paar Augen, eine Nase, eine Stimme - fertig ist die Person. Die Maschine muss gar nicht so raffiniert sein. Der Mensch, der auf sie reagiert, macht mindestens die Hälfte der Arbeit. Die Soziologin Sherry Turkle nennt das, was die Maschine da macht, „evolutionäre Knöpfe“ drücken. Wir haben das bereits 2008 und 2009 in zwei Geschichten - Maschinen zum Verlieben und Mein Freund, der Roboter- ausführlich erklärt.
Was mich allerdings immer wieder erstaunt, ist, wie sehr das Thema „Mensch-Maschine-Beziehung“ problematisiert wird. In der sehr empfehlenswerten Fernsehserie „Real Humans - Echte Menschen gelten Menschen, die mit Robotern zusammen leben, als krankhafte Perverse. Dabei muss man doch nur mal mit einem leidenschaftlichen Autofahrer über Tempolimits diskutieren, mit einem Apple-Fan über das richtige Betriebssystem streiten oder versuchen, einem Teenager das neue Smartphone weg zu nehmen, um zu wissen: Die Liebe zwischen Mensch und Maschine ist längst Alltag. Und sie betrifft nicht nur ein paar pickelige Nerds. (wst)