Klassiker neu gelesen: Gödel, Escher, Bach

Selbst heute noch kann das Werk von Douglas Hofstadter etwa auf Kneipentouren angewandt werden.

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Herr Ameisenbär frisst gern Ameisen. Ebenso gern führt er tiefsinnige Ge­spräche mit einem Ameisenhaufen: "Gewisse Ameisenpfade enthalten Informationen in codierter Form. Wenn man das System kennt, kann man das, was sie sagen, wie ein Buch lesen", erklärt er seinen Freunden Carl Krebs, Theo Schildkröte und Achilles. Einen Widerspruch zu seinen Ernährungsgewohnheiten sieht er darin nicht: "Fressen tue ich nur Ameisen und nicht Kolonien."

Und schon sind wir mittendrin in einer Diskussion über Holismus und Reduktionismus, also darüber, wie sich das Ganze zu seinen Bestandteilen verhält. Mit nerdigem Humor und skurrilen Protagonisten hat Douglas Hofstadter 1979 abstrakte Themen wie dieses einem Massenpublikum nahegebracht. Sein 800-Seiten-Wälzer "Gödel, Escher, Bach" bekam den Pulitzer-Preis, die deutsche Übersetzung stand 19 Wochen an der Spitze der "Spiegel"-Bestsellerliste.

Der 1945 geborene Physiker und ­Informatiker hangelt sich darin von der Musik über Kunst, Literatur, Logik, ­Informatik, Mathematik, Linguistik, ­Semiotik, Genetik, Neurologie, Chaos­theorie und Zen-­Buddhismus bis zur künstlichen Intelligenz. Kleinster gemeinsamer Nenner ist die Frage, wie aus relativ dummen Elementen (Ameisen, Neuronen) komplexe Phänomene (Intelligenz, Bewusstsein) ­entstehen. Der Schlüssel dazu sind "seltsame Schleifen" wie das Paradox des Kreters, der behauptet: "Alle Kreter lügen."

Hofstadter hat die vielen Themen elegant miteinander verflochten: Die Dialoge sind etwa wie eine Fuge gegliedert oder wie ein Krebs-Kanon, überall klingen seltsame Schleifen in Wortspielen an. Trotzdem ist das Buch keine leichte Kost – es strotzt vor mathematischen Formeln. Dafür belohnt es die Leser mit Einsichten, die sie ihr Leben lang nicht vergessen werden: Kneipentouren etwa sind nach der Lektüre nicht mehr dasselbe. Denn im Grunde handeln wir bei ­jedem Gelage wie der Ameisenbär: Wir töten unzählige Neu­ronen, aber dem Gehirn als Ganzem ist das egal, solange es seinen Spaß hat.

Douglas R. Hofstadter: "Gödel, Escher, Bach – ein Endloses Geflochtenes Band". Klett-Cotta, 844 Seiten, 25 Euro

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(jle)