Spaß mit Bahn und Rad

Rätsel der Verkehrspolitik: Irgendetwas Traumatisches, zutiefst Emotionales muss es geben, das die irrationale Verachtung der Deutschen Bahn gegenüber dem Fahrrad als solchem begründet.

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Wahrscheinlich musste der Vorstand der Bahn in seiner Jugend mit dem Fahrrad zur Schule fahren – bei jedem Wetter, während die Kumpels schon mit dem Mofa gefahren sind. Irgendetwas Traumatisches, zutiefst Emotionales muss es da geben, was die irrationale Verachtung der Deutschen Bahn gegenüber dem Fahrrad als solchem begründet. Ich verstehe es jedenfalls nicht – aber ich ärgere mich darüber.

Darum, und falls wie durch ein Wunder jemand aus der Bahn-Chefetage oder Presseabteilung diesen bescheidenen Text zu Gesicht bekommen möge, will ich das Problem und seine Lösung noch einmal in ganz einfachen, gut verständlichen Worten darlegen: Eigentlich bin ich so etwas wie ein natürlicher Kunde der Bahn. Ich bin ein bildungsbürgerlicher Mittelschichtler mit Öko-Touch – zwischenzeitlich hat man das Loha genannt. Wenn ich zwischen Auto und Bahn wählen kann, um irgendwo hinzukommen, wähle ich in der Regel die Bahn. Da kann ich nicht nur lesen, arbeiten, oder ein Nickerchen machen. Ich finde es auch ziemlich bescheuert, eine Tonne Metall durch die Gegend zu schieben, um einen einzelnen Menschen zu bewegen. Für kleinere Strecken wähle ich hingegen gerne das Fahrrad. Bringt einen Schreibtischarbeiter wie mich wenigstens ab und an in Bewegung.

Ich könnte und würde also auch höhere Preise für die Fahrradbeförderung in einem komfortablen Schnellzug zahlen. Und ich bin sicher, ich bin nicht der Einzige – Urlaub mit Bahn und Rad ließe sich heutzutage sicher prima vermarkten. Oder – für die Wirtschaftsfraktion noch mal ganz kurz: Es gibt hier viel Geld einzusacken. Ihr müsst es euch nur holen. Indem ihr ein entsprechendes Angebot schafft.

Warum schreibe ich das? Ich habe gestern versucht, für einen Urlaub mit dem eigenen Rad Online eine Zugfahrkarte zu buchen, leider ohne Erfolg. Heute Vormittag habe ich dann einen äußerst freundlichen und geduldigen Schalterbeamten – man sollte diese offensichtlich aussterbende Spezies auf die Rote Liste setzen – eine geschlagene Dreiviertel Stunde damit beschäftigt, dasselbe noch mal zu versuchen. Er hatte Erfolg, allerdings hat er die Karten gleichsam aus dem System herausgeschmeichelt, hat geduldig die Strecke eingekreist, an der keine Fahrrad-Reservierungen mehr möglich waren, und eine Ausweichroute gefunden. Warum war das überhaupt so schwierig? Weil es nur noch sehr wenige Züge gibt, in denen man über längere Strecken ohne ständiges Umsteigen Fahrräder mitnehmen kann – die ICs und ECs wurden systematisch durch die schnelleren ICEs verdrängt. In denen aber gibt es keine Möglichkeit, Fahrräder mitzunehmen. Und weil es nur noch wenige überregionale Züge gibt, in denen das möglich ist, sind die zu Urlaubszeiten gerne mal ausgebucht.

Dieses System ist ökonomisch und verkehrspolitisch total gaga. Angeblich ist die Fahrradbeförderung im ICE nicht möglich, weil das Ein- und Aussteigen zu lange dauert. Wer so argumentiert, hat noch nie eine mit Rolllkoffern bewaffnete Touristenhorde beobachtet, die versucht, am ICE-Bahnhof des Frankfurt Flughafens den ICE zu entern. Ganz abgesehen davon, dass Ingenieure, die ein Geschoss bauen, dass mit 250 Sachen über die Schienen brettert, auch dieses kleine Detailproblem lösen könnten. Man muss nur wollen.

An dieser Stelle kann man lange über die psychologische Befindlichkeit der Bahn-Chefetage spekulieren. Brutal lustig allerdings ist noch eine ganz andere Pointe: Die Bahn ist im Staatsbesitz. Aber der Verkehrsminister ist nicht in der Lage, das Unternehmen dazu zu zwingen, in Hochgeschwindigkeitszügen Fahrräder mitzunehmen. Das ist politischer Fortschritt - das ist die Logik des Marktes in ihrer ganzen, leuchtenden Schönheit. Im wahrsten Sinne des Wortes echt abgefahren. (wst)