Uber-Kapitalismus

Sind Online-Dienste wie Uber die Vorboten einer neuen, besonders aggressiven Unternehmenskultur?

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Sind Online-Dienste wie Uber die Vorboten einer neuen, besonders aggressiven Unternehmenskultur?

„Disruptive“ Online-Dienste scheinen im Moment wie Pilze aus dem Boden zu schießen. Das Strickmuster ist immer dasselbe: Eine Online-Zentrale vermittelt weltweit Dienstleistungen - und kassiert dafür Provisionen. Der Betreiber des Online-Dienstes verdient sich eine golden Nase. Die „Dienstleister“, die vorher vielleicht noch mehr oder weniger feste Verträge hatten, werden zu Mini-Ich-AGs. Tag und Nacht bereit und im ständigen Konkurrenzkampf gegen alle anderen, versuchen sie sich gegenseitig zu unterbieten.

Und weil das so schön ist für die gut verdienende Mittelschicht, haben Uber und Konsorten ganz oft ganz schnell viele Mitstreiter, die fordern, „überholte“ oder gern auch „verkrustete“ staatliche Regulierungen abzuschaffen, um noch mehr solcher Dienste zu kreieren. Ich habe an dieser Stelle schon öfter darüber berichtet.

Mein Verdacht: Da formiert sich eine neue Form von Kapitalismus, die gerade dabei ist, den Globus zu überrollen. Aber warum dort? Warum jetzt? Was treibt diese hyperaktiven Silicon-Valley-Neoliberalen? Menschenverachtung? Nackte Gier?

Eine interessante Antwort habe ich jetzt in einem Interview mit Christoph Keese, unter anderem ehemals Chefredakteur der Welt am Sonntag, gefunden. Keese war für die Axel Springer SE im Silicon Valley und hat über seine Erfahrungen ein Buch geschrieben.

Im Interview mit der Tageszeitung Junge Welt fasste er das, was er dort gelernt hat, so zusammen: „Versetzen wir uns kurz in die Rechenmethode, wenn Sie so wollen, in die kalte, kapitalistische Seele des Venture-Kapitalisten, der einen Fonds von 100 Millionen Dollar auflegt... Er will aus 100 Millionen in fünf bis sieben Jahren 200 Millionen machen … Das sind etwa sieben Prozent pro Jahr“, sagt Keese.

„Die statistische Wahrscheinlichkeit, dass ein Start-Up scheitert, liegt bei etwa 90 Prozent. Er weiß also, dass 90 Millionen Dollar ohnehin voraussichtlich verloren gehen. Aus den restlichen 10 Millionen muss er also 200 Millionen machen. Nach dem kalifornischen Modell investiert er aber nie in die Firmenmehrheit… Zudem gibt es noch andere Investoren. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird der Investor aus unserem Beispiel beim Verkauf des Unternehmens oder beim Börsengang etwa zehn Prozent an dieser Firma halten. Um auf seine 200 Millionen zu kommen, muss die Firma das Zehnfache dieses Wertes haben. Das heißt, sie muss am Ende zwei Milliarden Dollar schwer sein. Nur disruptive, stark skalierende Modelle schaffen es, in kurzer Zeit in solche Größenordnungen zu kommen.“

Die Blitzkrieg-Strategie der neuen Online-Dienste entspricht also nackter ökonomischer Notwendigkeit. Um zu überleben, reicht es nicht, erfolgreich zu sein. Man muss den ganzen Markt aufrollen. Auf Einzelschicksale kann man dabei keine Rücksichten nehmen. Aber das soll ein gewisser Kalaschnikow ja auch schon gewusst haben.

(wst)