Einbrenneffekte am OLED: Garantiefall oder keine Störung?
Wenn man Handbücher von OLED-TVs liest, scheinen am Display eingebrannte Bilder weder ein Problem noch Grund für Reklamationen. Beides finde ich ärgerlich.
Garantiebedingungen sind eine ähnliche Sache wie Beipackzettel von Arzneimitteln: Entweder man liest sie und macht sich anschließend Tausend Gedanken, was alles passieren kann. Oder man nimmt die Tabletten/schaltet das Gerät an und verbannt den Zettel/die Garantiebedingung ungelesen in die hinterste Schublade. Auch die OLED-TVs beigelegte Lektüre verwirrt zuweilen mehr als sie aufklärt – etwa wenn es um Maßnahmen gegen das sogenannte Einbrennen geht. Beispiel gefällig: "Bildeinbrennen kann auftreten, wenn Bilder wiederholt oder für längere Zeit an derselben Stelle angezeigt werden. Dies ist keine Störung des Fernsehgeräts. Vermeiden Sie die Anzeige von Bildern, die zu Bildeinbrennen führen."
Würden die Hersteller hier deutlicher, müssten sie eingestehen, dass sie noch kein probates Mittel gegen das Einbrennen am OLED-Display gefunden haben. Weshalb einige den Einbrenneffekt als Garantiefall schlicht ausschließen. Dabei fehlt eine eindeutige Klärung, in welchen Fällen der Nutzer für das Einbrennen verantwortlich ist und somit der Hersteller außen vor bleibt. Unklar ist zudem, ab wann Einbrenneffekte untragbar und damit ein Reklamationsgrund sind. So auch im Fall unseres aktuellen "Vorsicht Kunde" im c't magazin: Die stolzen Besitzer eines knapp zweieinhalb Tausend Euro teuren OLED-Fernsehers wurden vom Hersteller abgewimmelt, als sie nach 18 Monaten unübersehbare Einbrenneffekte reklamierten.
- Eingebrannt: LG verweigert Garantie bei OLED-TV
Ähnliches kennt man von Pixelfehlern: Diese wurden und werden in den Garantiebedingungen gern ausgeschlossen – selbst wenn das kaum haltbar ist, sollte das Display mehr defekte Pixel zeigen als gemäß der einschlägigen ISO-Norm erlaubt sind. Die Norm klassifiziert mögliche Fehlertypen und stellt darüber sicher, dass Kunden erfahren, ab wann sie ein Gerät reklamieren dürfen beziehungsweise ob sie ein Recht auf Austausch haben. Etwas Vergleichbares fehlt für das Einbrennen am OLED-Display.
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Einbrenner gab es auch bei LCDs
Auch bei den LC-Displays haben wir in den Anfangszeiten immer wieder über Einbrennen an Monitoren oder großen Infobildscreens etwa an Flughäfen berichtet. Inzwischen sind Einbrenneffekte bei der privaten Nutzung von LCD-Monitoren und -TVs kein Thema mehr. Und für den 24/7-Betrieb großer Bildschirme in Eingangshallen von Firmen oder im öffentlichen Raum bieten die Hersteller spezielle LC-Displays an, die genau für diese Betriebsart konzipiert wurden – und die deutlich teurer sind als der LCD-Fernseher für daheim. Solche Lösungen wird es irgendwann vielleicht auch für OLEDs geben. Bis dahin sollten Zuschauer, die ihr TV sehr intensiv nutzen, besser nicht zum organischen Display greifen.
OLED-Monitore gibt es bislang keine und die wenigen Notebooks mit OLED-Display wie das X1 Yoga G2 von Lenovo verschwanden erstaunlich schnell wieder aus dem Handel. Das dürfte zwei Gründe haben: Erstens ist die OLED-Technik für den preisgetriebenen Monitormarkt aktuell viel zu teuer und zweitens provoziert der Desktop-Betrieb mit Ikons, Auswahlleisten und statischen Symbolen geradezu Einbrenner. Ohne eine Lösung dafür werden wir bis auf Weiteres auf organische Displays in Notebook und Monitor verzichten müssen.
Standby oder Stecker ziehen?
LG begründet seine Garantieverweigerung beim OLED-TV auch damit, dass der Kunde den Fernseher über Nacht per Funksteckdose abgeschaltet hat. Ärgerlicherweise sind die Formulierungen zum ausgeschalteten Zustand – Standby-Modus oder Netztrennung – in den Handbüchern vieler OLED-Fernseher in sich widersprüchlich: An einigen Stellen heißt es, man solle das Gerät komplett ausstöpseln, an anderer Stelle desselben Handbuchs wird zum Standby mit laufender Stromversorgung geraten.
Zugleich haben Anwender über Jahre gelernt, ihre Geräte und insbesondere den Fernseher über Nacht vom Stromnetz zu trennen, um den Energiebedarf zu senken und die Feuergefahr zu mindern – TVs gehören zu den häufigsten Brandverursachern im Haushalt. Findet man dann in den Tiefen eines Handbuchs Hinweise, dass die Netztrennung des nachts doch keine so tolle Idee ist, wirft das für mich zwei Fragen auf: 1. Was passiert da über Nacht? und 2. Wer bitte liest Handbücher?
MaĂźnahmen gegen das Einbrennen
Aktuell sind die Maßnahmen um Einbrenner zu verhindern ziemlich brachial: Beim vermeintlichen Refresher wird die organische Leuchtschicht mit einem Signal beaufschlagt, das den Bereich um die eingebrannten Schatten ebenfalls stärker beansprucht. Ziel ist es, die Leuchtschicht gleichmäßig abzunutzen, denn die Einbrenner sind in der Praxis Ausbrenner – an den betroffenen Stellen hat sich die organische Leuchtschicht abgenutzt, sie leuchtet nicht mehr so hell wie zuvor. Deshalb sieht man eingebrannte Logos als Schatten im Bild, beispielsweise in unserem Video überdeutlich auf roten Bildinhalten.
Zugleich steuern die Hersteller nach und beaufschlagen die Pixel mit etwas höheren Strömen, wodurch diese wieder heller leuchten, der Energiebedarf aber auch ein wenig steigt. Das geht natürlich nicht unendlich so weiter: Wenn irgendwann die Belastungsgrenze erreicht ist, sinkt stattdessen die maximale Leuchtdichte des Schirms. So rät Sony in den Handbüchern dazu, den darin "Panelaktualisierung" genannten Refresher "nur einmal jährlich durchzuführen". Falls man ihn öfter manuell anstoßen würde, könne dies "die Lebensdauer des Bildschirm-Panels verkürzen". Auch bei Sony wird der Pixelrefresh aber wie bei LG "automatisch durchgeführt, um die Gleichmäßigkeit des Bildschirms des Fernsehgeräts nach langem Gebrauch anzupassen."
Die zweite Maßnahme, der sogenannte Pixelshift, verhindert keineswegs Einbrennen. Er reduziert lediglich die Kantenschärfe der eingebrannten Stellen, indem helle Logos im Betrieb um wenige Pixel nach rechts, links, oben und unten verschoben werden.
Neuerdings werden potenzielle Auslöser fürs Einbrennen wie Senderlogos, Balken für Laufschriften etc. an einigen OLED-TVs automatisch abgedunkelt. Das mindert die Einbrenngefahr und stört nicht beim Fernsehgucken – und ist deshalb eine wirklich gute Idee.
Wenig geeignet finde ich dagegen Maßnahmen wie sie beispielsweise bei Sony im Handbuch beschrieben werden: "Wenn das gesamte Bild oder ein Teil des Bildes statisch bleibt, wird die Bildschirmhelligkeit allmählich reduziert, um Bildeinbrennen zu verhindern." Natürlich sei dies "keine Störung des Fernsehgeräts" – ganz schön frech, wenn ich an die Wiedergabe von HDR-Videos denke, die ja gerade von hohen Leuchtdichten profitiert. (uk)