Trotz neuer Schutzmaßnahmen können Verbraucher Tracking kaum entgehen
Die Tracker-Blockierer in Firefox und Safari zeigen Wirkung und sogar Google will mit Chrome weniger Daten sammeln. Ein Sieg für den Datenschutz? Eher eine kurzfristige Eindämmung der Schnüffelei.
- Torsten Kleinz
Die Anfang September veröffentlichte Firefox-Version 69 hat deutsche Website-Betreiber und die Werbeindustrie deutlich getroffen. Der Open-Source-Browser blockiert in seiner Standard-Einstellung Third-Party-Cookies, die vor allem in der Werbebranche zur Personalisierung der angezeigten Werbemittel eingesetzt werden.
Die Änderung vollzog sich in enormen Tempo. Dank automatisierter Updates waren bereits nach wenigen Tagen 80 Prozent der Firefox-Nutzer mit den neuen Standard-Einstellungen unterwegs, wie Alwin Viereck von United Internet Media auf dem Online Ad Summit im Vorfeld der Fachmesse dmexco in Köln erläuterte.
Firefox und Safari blocken
Die Mozilla Foundation, die Firefox herausbringt, eifert mit ihrem Schritt Apple nach. Der iPhone-Konzern hat in seinem Browser Safari bereits im vergangenen Jahr eine „Intelligent Tracking Prevention“ aktiviert, die ebenfalls verhindert, dass Werbetreibende Nutzer über verschiedene Webseiten verfolgen und so ihre vermeintlichen Vorlieben identifizieren können.
Tracking ist die Basis für die sogenannte „programmatische Werbeausspielung“, bei der Online-Marketeers Werbeplätze in Echtzeit exakt auf vordefinierte Zielgruppen ersteigern (mehr zum Programmatic Advertising im c't-Artikel Siegeszug der Daten). Auch für Website-Betreiber ist Tracking attraktiv: Sie können deutlich höhere Preise pro Werbeplatz verlangen. Das führt dazu, dass etliche Websites mit Dutzenden Trackern versuchen, dem Besucher nachzuspüren.
Kommt ein Besucher mit einem aktuellen Firefox oder Safari vorbei, können die Website-Betreiber allerdings nur noch nicht personalisierte Werbung ausliefern, die relativ schlecht bezahlt wird. Angesichts des hohen Marktanteils der beiden Browser in Deutschland – zusammen kommen beide über 30 Prozent – bedeutet dies einen erheblichen Verlust. Viereck kalkuliert aktuell mit 15 Prozent geringeren Werbeeinnahmen.
Abwehrreflexe und -maßnahmen
Einige Vertreter der Werbebranche sprechen den Browser-Herstellern die Legitimität ab, in ihr Geschäft eingreifen. Stefan Mölling von der Axel Springer-Tochter Media Impact etwa erklärte: „Die Mozillas dieser Welt bevormunden sowohl die Nutzer als auch die Gesetzgeber.“ Deshalb gelte es, einen neuen branchenweiten Schulterschluss zu suchen, um auch die Politik davon zu überzeugen, dass hier eine Regulierung der Browser zugunsten der Werbefinanzierung notwendig sei.
Eine Antwort auf die Cookie-lose Welt könnte semantisches Targeting (Contextual Advertising) sein. Damit können Website-Betreiber Anzeigen gezielt in einem werberelevanten Umfeld platzieren, zum Beispiel durch im Vorfeld festgelegte Keywords. Verlage und Fernsehsender wollen Werbekunden bessere Möglichkeiten zur Platzierung anbieten. Andere Adtech-Unternehmen wollen die Cookie-Blockade umgehen. Sie arbeiten an Wegen, die Informationen, die derzeit noch von Third-Party-Cookies erfasst werden, künftig in die First-Party-Cookies zu verschieben und im Hintergrund zwischen den Website-Betreibern zu synchronisieren.
Ob dieser Ansatz funktionieren wird, ist allerdings noch unklar. So hat Apple bereits mit Sanktionen gedroht, falls Websites die Privatsphäre-Einstellungen der Safari-Nutzer umgehen wollen. Auch ist noch unklar, welche ID-Anbieter sich im Hintergrund durchsetzen können und ob die neuen Datenprofile die gleiche Detailtiefe haben, wie es die Werbeindustrie mittlerweile gewohnt ist.
Googles Datenschutz-Sandbox
Google hat ebenfalls angekündigt, mit seinem Browser Chrome weniger Daten der Surfer einsammeln zu wollen. Derart drastische Maßnahmen, wie sie Apple und Mozilla umsetzen, sind allerdings nicht im Interesse Googles, das den Löwenanteil seiner Einnahmen mit personalisierter Werbung erzielt.
Zudem ist Google noch weit von einer konkreten Umsetzung entfernt. Das Unternehmen hat unter der Bezeichnung „Privacy Sandbox“ mehrere Vorschläge auf GitHub veröffentlicht, die einen gangbaren Mittelweg zwischen Privatsphäre und Monetarisierung aufzeigen sollen.
So sollen Browser ein „Privacy Budget“ verwalten, das Websites eingeschränkten Zugriff auf Nutzerdaten gibt, sodass Nutzer etwa in eine Werbezielgruppe einsortiert werden, aber nicht persönlich identifiziert werden können. Google sieht auch die Einrichtung zentraler Identitätsdienstleister vor, die per API beschränkten Zugriff auf Nutzerdaten bieten und den Nutzer über die weitergegebenen Infos informieren. Google will auch andere Browser-Hersteller von seinem Konzept überzeugen.
Verhasste „Walled Gardens“
Ob sich die Browser-Hersteller – sowie die Werbe-Welt – mit dem Konzept anfreunden können, ist derzeit aber mehr als fraglich. So hat die Mozilla Foundation im September ein eigenes 100-Millionen-Dollar-Programm ausgelobt, das Geschäftsmodelle zur nachhaltigen Finanzierung des World Wide Webs entwickeln helfen soll.
Doch hier stellt sich die Frage, ob es dazu nicht ohnehin zu spät ist. Die Werbe-Konkurrenz wirft Facebook und Google vor, ein Duopol gebildet zu haben, das inzwischen drei Viertel der Werbeeinnahmen in ihre „Walled Gardens“ leitet, obwohl sie nur einen wesentlichen geringeren Teil der Nutzungszeit auf sich vereinen können. Die beiden Unternehmen sind zudem nicht auf die Hilfe Dritter angewiesen, wenn es um die Aggregierung detaillierter Nutzungsprofile geht – weil sie schon so viel über ihre Nutzer wissen.
Hase-und-Igel-Spiel
Für den Benutzer, der seine Privatsphäre schützen will, bedeuten die aktuellen Entwicklungen also: Die Tracker-Blocker von Safari und Firefox sind wohl nur ein Etappensieg beim Hase-und-Igel-Spiel zwischen Browser-Herstellern und Werbeindustrie. Für Google und Facebook gelten darüber hinaus eigene Regeln. Es ist fast unmöglich, von den beiden Riesen nicht getrackt zu werden.
Dieser Artikel stammt aus c't 21/2019. (jo)