„Beim Klimawandel falsch gelegen“

James Lovelock, einer der bekanntesten Öko-Pioniere und Erfinder, hält inzwischen den Klimawandel für überschätzt. Seine neue Sorge gilt intelligenten Robotern.

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James Lovelock war schon immer ein Außenseiter: Mit einem selbst entwickelten Detektor wies der Chemiker und Biophysiker als einer der Ersten erhöhte Konzentrationen von Fluorchlorkohlenwasserstoffen in der Atmosphäre nach – und gab damit einen entscheidenden Hinweis auf die Mechanismen, die zur Entstehung des Ozonlochs führten. Lovelock selbst hielt die FCKW zunächst für ungefährlich, warnte aber bereits in den 1960ern vor den Folgen des Klimawandels. Er beschrieb die Erde als einen einzigen großen Meta-Organismus, der sich selbst gegen Instabilität wehrt. Dass diese „Gaia-Theorie“ als esoterische Spinnerei abgetan wurde, hinderte Lovelock nicht daran, sich immer wieder mit radikalen ökologischen Positionen in die wissenschaftliche Debatte einzumischen. Später verärgerte der mittlerweile 97-Jährige seine ehemaligen Mitstreiter, weil er sich für Kernkraft aussprach und den Klimawandel mit Geoengineering aufhalten wollte. In seinem neuesten Buch „Die Erde und ich“ tritt eine neue Bedrohung an die Stelle der Erderwärmung: die künstliche Intelligenz.

TR: Mr. Lovelock, 2006 haben Sie in Ihrem Buch „Gaias Rache“ noch geschrieben, der Klimawandel könnte dazu führen, dass die Menschheit nahezu ausstirbt. Jetzt schreiben Sie das nicht mehr. Warum?

JAMES LOVELOCK: Ich habe etwa 2005 angefangen, „Gaias Rache“ zu schreiben. Nahezu alle Wissenschaftler haben damals ein sehr düsteres Bild der Zukunft gezeichnet. Meine Freunde vom Hadley Center für Klimaforschung haben mir gesagt: Was du geschrieben hast, ist nur ein bisschen drastischer als das, was wir auch gern sagen würden. Mit anderen Worten: Ich habe nichts anderes getan, als eine generelle Einschätzung der beteiligten Wissenschaftler aufzuschreiben – auch wenn ich dabei vielleicht ein bisschen energischer war.

Nun haben Sie offenbar Ihre Einschätzung geändert. Was hat Sie dazu gebracht?

Ja, ich habe eine andere Position dazu. Warum auch nicht? Wenn Sie ein Wissenschaftler sind, müssen Sie die Tatsachen beachten. Und es ist ziemlich offensichtlich, dass der Klimawandel sich nicht so abspielt, wie die Modelle ihn vorhergesagt haben. Eine der besten Erklärungen dafür hat Kevin Trenberth geliefert, ein Wissenschaftler am NCAR, dem Nationalen Zentrum für Atmosphärenforschung in den USA. Trenberth hat darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, die Rolle der Weltmeere für das Klima zu verstehen. Die Ozeane speichern 90 Prozent der Energie, die von der Sonne kommt. Die Klimamodelle, die um 2005 gerechnet worden sind, haben die Weltmeere kaum abgebildet – hauptsächlich, weil wir nicht viel darüber wissen.

Für Klimaskeptiker ist Ihr Sinneswandel ein gefundenes Fressen ...

Ich habe keinen Zweifel daran, dass die ansteigende Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre einen Wandel des Klimas verursacht. Was jedoch die Geschwindigkeit und die Auswirkungen angeht, was den Verlauf des Klimawandels angeht, haben wir falsch gelegen.

(wst)