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120 Jahre Triumph Motorcycle: Der britische Riese

Ingo Gach
Triumph

(Bild: Triumph)

Die zweitälteste Motorradmarke produziert ununterbrochen seit 120 Jahren. Heute gilt Triumph als eine der bekanntesten Motorradmarken und wächst beständig.

Triumph ist stolz darauf, die zweitälteste Motorradmarke der Welt zu sein, die immer noch produziert. Der englische Hersteller feiert dieses Jahr sein 120. Jubiläum und die lange Historie ist so spannend wie seine Modelle. Ausgerechnet ein Deutscher gründete die Marke, die vielen als Inbegriff des englischen Motorrads gilt. Der in Nürnberg geborene Siegfried Bettmann siedelte 1883 als Zwanzigjähriger nach England über. Der sprachbegabte junge Mann arbeitete zunächst als Übersetzer und Verkäufer, gründete aber schon drei Jahre später zusammen mit dem deutschen Ingenieur Mauritz Schulte seine eigene Fahrradproduktion, die Triumph Cycle Company.

Zur Jahrhundertwende waren sich die beiden Firmenbesitzer einig, dass dem Motorrad die Zukunft gehörte und bauten 1901 einen Prototyp. Diese allererste Triumph galt lange als verschollen und wurde erst 2020 von dem renommierten Sammler Dick Shepard in Irland wiederentdeckt und aufwendig renoviert. Heute steht sie im Werksmuseum in Hinckley. Für die Triumph Nr. 1 modifizierten Bettmann und Schulte eines ihrer Fahrräder und bauten einen belgischen Minerva-Motor ein. Der Einzylinder hatte 172 cm3 und leistete 0,75 PS. Das Motorrad verfügte zwar noch über Pedale mit einer Kette zur Hinterradnabe, aber auch über einen Lederriemen, der die Kraft des Motors auf einen Ring am Hinterrad übertrug.

Die Arbeitsteilung zwischen den beiden Triumph-Gründern war klar definiert: Bettmann kümmerte sich um den Verkauf und Schulte um die Entwicklung. Im April 1902 startete die Serienproduktion von Triumph Motorcycles in Coventry. Das erste offizielle Triumphmodell hatte 211 cm3 Hubraum und leistete 2,5 PS. In der Motorrad-Pionierzeit bezogen viele Hersteller Motoren von anderen Marken, so verwendete Triumph 1904 einen deutschen Fafnir-Einzylinder mit 376 cm3. Den ersten eigenen Motor baute Schulte aber noch im selben Jahr, er kam auf 363 cm3 mit einem quadratischen Bohrung-Hub-Verhältnis von 76 Millimetern. Das Modell wurde wegen seiner drei PS "3HP" getauft, wog nur 57 Kilogramm und genoss einen guten Ruf wegen seiner Zuverlässigkeit, was damals ein ausschlaggebender Kaufgrund war.

1907 fand die erste Tourist Trophy auf der Isle of Man statt und Triumph belegte den zweiten Platz, während ihre Jahresproduktion auf über tausend Motorräder stieg. Die Road Races erfreuten sich großer Beliebtheit und so war der erste Sieg für Triumph bei der TT Isle of Man 1908 mit einem 453-cm3-Viertakt-Motorrad mit zwei Gängen enorm wichtig. Das Modellprogramm erweiterte sich stetig, 1913 erschien ein günstiger 225-cm3-Zweitakter mit dem Namen Junior und der erste Zweizylinder mit 613 cm3 befand sich in der Entwicklung.

Die Stadt Coventry hatte den gebürtigen Deutschen Bettmann, der inzwischen die britische Staatsbürgerschaft besaß, längst als einen der ihren akzeptiert und wählte ihn 1913 sogar zum Bürgermeister. Beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 erhielt Triumph vom Militär den Auftrag, 30.000 Motorräder zu liefern. Das Model H mit 550 cm3 wurde somit zur meistverkauften Triumph seiner Zeit.

Nach dem Krieg wollte Bettmann unbedingt in den Automobilbau einsteigen, was jedoch bei Schulte auf wenig Gegenliebe stieß. So verließ der Ingenieur 1919 die Firma und wurde durch den späteren Diesel-Pionier Harry Ricardo [1] ersetzt. Der neue Chefingenieur begab sich mit Feuereifer an die Arbeit und entwickelte 1921 das Modell R "Riccy" mit einem Vierventil-Zylinderkopf, 20 PS, drei Gängen, Hinterradfederung und neuem Rahmen. Sie erreichte sagenhafte 120 km/h und war damit das schnellste Serienmotorrad. Im Jahr darauf stellte ein speziell präpariertes Modell R gleich drei Geschwindigkeitsweltrekorde auf. Das erste Auto von Triumph, das Modell 10/20, erschien 1923 mit einem 1393-cm3-Vierzylindermotor, war jedoch im Gegensatz zu den Triumph-Motorrädern nicht vom Erfolg verwöhnt.

Das Modell P mit 494 cm3 mauserte sich ab 1925 zum Bestseller auf dem Motorradmarkt, dank seines extrem niedrigen Preises verkaufte Triumph über eintausend Stück pro Woche. Die Firma beschäftigte inzwischen rund 3000 Mitarbeiter in Coventry, die etwa 30.000 Motorräder im Jahr fertigten. Doch die Weltwirtschaftskrise 1929 brachte die Marke in finanzielle Schwierigkeiten, besonders der bis dahin florierende Verkauf in den USA brach ein.

Die Autosparte wurde daraufhin ebenso wie die Tochterfirma TWN, die in Nürnberg Triumph-Motorräder baute, abgespalten. Selbst die ab 1932 deutlich erweiterte Modellpalette mit 250er-, 350er- und 500er-Einzylinder-Maschinen sowie der 647er-Paralleltwin 6/1 konnte die Insolvenz nicht mehr abwenden. Anfang 1936 erklärte Bettmann, inzwischen 72 Jahre alt, Triumph Motorcycle für zahlungsunfähig. Er wollte nur noch die Autosparte weiterführen.

Als Jack Sangster, Besitzer der Marke Ariel, davon erfuhr, kaufte er Triumph Motorcycle umgehend für 50.000 Britische Pfund und benannte sie in Triumph Engineering Co Ltd. um. Sangster holte den begabten Ingenieur Edward Turner von Ariel zu Triumph als Geschäftsführer und Chef-Entwickler. Es sollte sich als eine kluge Entscheidung herausstellen, denn Turner prägte die folgenden 28 Jahre der Marke Triumph und führte sie zu neuem Erfolg.

Ein Ansporn für Turner war sicher, dass er fünf Prozent des Nettogewinns als Gehalt bekam. Als erstes modernisierte er die Tiger-Modellreihe und entwickelte einen Zweizylinder, der 1938 in die 5T Speed Twin mündete. Das Modell mit dem 28 PS starken 498-cm3-Paralleltwin bildete die Basis für die nächsten drei Jahrzehnte. Die 5T Speed Twin stellte einige Geschwindigkeitsrekorde auf und erwies sich dazu noch als zuverlässig.

Nur ein Jahr später präsentierte Triumph die attraktive T100 Tiger, die zwar den gleichen Motor wie die Speed Twin trug, aber dank Überarbeitung 34 PS leistete und einen stabileren Rahmen besaß. Sie erfreute sich auf Anhieb großer Beliebtheit, doch durch den Zweiten Weltkrieg musste die Auslieferung an private Käufer gestoppt werden, stattdessen entstanden tausende Maschinen für das Militär. Zu allem Unglück wurde das Werk 1940 von deutschen Fliegerbomben zerstört, doch keine zwei Jahre später lief die Produktion in einer rasch hochgezogenen Fabrik im nahen Meriden wieder an.

Nach dem Krieg knüpfte Triumph mit den beiden bekannten 500er-Modellen und der 1947 erschienenen 3T mit einem 350er-Motor wieder an alte Erfolge an. Die Verkaufszahlen stiegen rasch, denn Motorräder wurden weltweit als günstiges Transportmittel gebraucht und Triumph genoss vor allem wegen seiner vielen Rennsiege einen exzellenten Ruf. Für die damals sehr populäre "International Six Days Trial" (ISDT) baute die englische Marke 1949 eine leichtere Version der T5 mit einem kürzeren Rahmen, mehr Bodenfreiheit und hochgelegtem Auspuff. Die TR5 war das erste "Dual Purpose"-Motorrad für den Einsatz auf der Straße und im Gelände, heute würden wir sie als Scrambler bezeichnen. Tatsächlich prägte das Modell den Geländesport in der folgenden Dekade.

Die USA waren der größte Absatzmarkt für Triumph, doch es gestaltete sich schwierig, gegen die großen Motoren von Harley-Davidson und Indian anzutreten. Der Ruf aus Amerika nach mehr Hubraum verhallte nicht ungehört in Meriden. Turner stockte 1950 den 500er-Twin auf 649 cm3 auf und taufte das neue Bike "Thunderbird". Unerwartete Schützenhilfe kam aus Hollywood: 1953 fuhr Marlon Brando auf einer 6T Thunderbird 650 durch den Film "The Wild One".

120 Jahre Triumph Motorcycle (0 Bilder) [2]

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Dabei hatte der amerikanische Triumph-Importeur Bill Johnson im Vorfeld noch zu verhindern versucht, dass der Markenname auf dem Tank des Filmmotorrads zu sehen war. Er befürchtete Umsatzeinbußen, weil Motorräder in den frühen 1950er-Jahren als Synonym für kriminelle Banden galten, doch stattdessen wurde die Thunderbird den US-Dealern wegen des Kultfilms aus den Händen gerissen.

Am 23. September 1951 erreicht die Belegschaft von Triumph die traurige Nachricht, dass der Firmengründer Siegfried Bettmann im Alter von 88 Jahren verstorben war, er hatte die letzten zwölf Jahre seines Lebens zurückgezogen auf seinem Anwesen in Coventry verbracht. Sechs Monate zuvor hatte Sangster Triumph an BSA für eine viertel Million Pfund verkauft, blieb aber im Aufsichtsrat und Turner weiterhin Geschäftsführer.

Turner war bewusst, dass die großen Triumphs relativ teuer waren und so präsentierte er 1953 die kleinen und günstigeren Modelle T15 Terrier 150 mit 8 PS und T20 Tiger Cub 200 mit 10 PS. Weil es bei den ersten ausgelieferten Exemplaren einige Probleme gab, entschied sich Turner zu beweisen, wie zuverlässig die neue Terrier war und fuhr sie persönlich medienwirksam über 1600 Kilometer ohne Panne von Land’s End in Cornwall nach John O’Groats in Schottland.

Ab 1954 bildete die T110 Tiger 650 mit 42 PS die sportliche Speerspitze des Konzerns, doch eine 6T Thunderbird sollte für die weltweite Sensation sorgen. Die US-Amerikaner J. H. Mangham und Jack Wilson bauten in ein stromlinienförmiges Chassis einen gründlich überarbeiteten Thunderbird-Motor, der rund 100 PS leistete. Auf dem berühmten Salzsee bei Bonneville stellte der unerschrockene Fahrer Johnny Allen damit 1956 einen neuen Weltrekord für Motorräder auf: 214,4 Meilen pro Stunde (345,04 km/h).

Die Reputation der Marke stieg gewaltig und Turner ließ danach auf jeder Triumph eine Plakette anbringen: "World Motorcycle Speed Record Holder". Er schlug ab 1959 aus dem Weltrekord Kapital und benannte das neue Modell T120 Bonneville. Eigentlich war es eine modifizierte T110 Tiger und das erste Baujahr in der von Turner persönlich ausgesuchten Farbgebung himmelblau/orange fand kaum Käufer – heute gehört die erste Bonnie in genau der Lackierung zu den gesuchtesten Triumphs. Erst die T120 R Bonneville mit 50 PS und diversen Modifikationen konnte die Kundschaft zwei Jahre später überzeugen.

Doch 1954 kam es durch die Suez-Krise zu einem dramatischen wirtschaftlichen Einbruch in Großbritannien. Als Folge wurden die drei Marken Triumph, BSA und Ariel zusammengelegt und Edward Turner stieg zu einem der mächtigsten Männer der Motorradindustrie auf. Er reagierte auf die Krise mit der erfolgreichen Scrambler TR6 Trophy 650, die erneut durch einen Hollywood-Star Berühmtheit erlangte. Steve McQueen pilotierte sie 1963 in dem Blockbuster "The Great Escape", allerdings führte die Stunts sein Kumpel und Offroad-Profi Bud Eskins aus. Aber bei den Six Days 1964 startete der Racing-Fan McQueen selber auf einer TR6SC Trophy 650 und überzeugte das fachkundige Publikum von seinem Können und dem Motorrad.

In den 1960er-Jahren gingen die Motorradverkäufe in Europa drastisch zurück, die Leute wollten lieber Autos fahren. Turner versuchte sich auf das US-Geschäft zu konzentrieren und beobachtete mit großer Sorge die wachsende japanische Konkurrenz. Er flog sogar nach Japan, um sich ein genaues Bild der dortigen Hersteller zu machen und war geschockt, als er hochmoderne Werke und Motorräder feinster Qualität vorfand, jedoch zu dem Zeitpunkt mit Hubräumen unterhalb von 300 cm3. Zuhause verkündete er deshalb, dass die Japaner es nicht schaffen würden, den großen, englischen Motorrädern das Wasser zu reichen, obwohl die Siege von Honda und Suzuki ab 1961 bei der TT Isle of Man das Gegenteil bewiesen. Es war der Anfang vom Ende für die englische Motorradindustrie.

Jack Sangster hatte sich 1961 aus Altersgründen von seinem Aufsichtsratsposten der BSA-Group, zu der auch Triumph gehörte, zurückgezogen und Eric Turner (nicht verwandt mit Edward Turner) zum Nachfolger ernannt. Es folgten in den nächsten Jahren etliche krasse Fehlentscheidungen, denn das Management glaubte auf Innovationen verzichten zu können und setze darauf, dass die Kunden auch weiterhin veraltete Technik kaufen würden.

Als der 63jährige Edward Turner 1964 seinen Posten als Geschäftsführer räumte, übernahm Harry Sturgeon seinen Job und wollte unbedingt die Produktion auf 2000 Motorräder pro Monat verdoppeln. Das verschlechterte die Qualität und machte eine Aufstockung der Mitarbeiterzahl in Meriden notwendig, was die Kosten in die Höhe schraubte. Gleichzeitig investierte Triumph intensiv in den Rennsport, um so den Verkauf anzukurbeln, verbrannte aber auch hier viel Geld. Sturgeon verstarb 1967 plötzlich und wurde durch Lionel Jofeh ersetzt, der die Verschmelzung von Triumph- und BSA-Modellen noch weiter vorantrieb.

1968 läutete Honda mit der CB 750 Four eine neue Ära in der Motorradgeschichte ein. Der erste Reihenvierzylinder in Großserie leistete 67 PS und erreichte 200 km/h, zudem erwies er sich bei Rennen nicht nur als überlegen, sondern auch als zuverlässig. Die im selben Jahr präsentierte Triumph T150 Trident 750 brachte es gerade Mal auf 58 PS und kostete auch noch mehr als die Honda. Obwohl ihr Dreizylinder eigentlich nur der alte Tiger-Twin-Motor mit einem zusätzlichen Zylinder war, litt das neue Modell unter Kinderkrankheiten.

Zwar konnte die Trident in den folgenden Jahren beachtliche Siege bei der TT Isle of Man und in Daytona einfahren, aber im Werk herrschte nackte Panik, denn BSA war 1972 endgültig Pleite und in Meriden zeichnete sich das gleiche Schicksal ab, da die Verkaufszahlen immer weiter einbrachen. Ein Jahr später wurde die Norton Villiers Triumph Company (NVT) gegründet und die britische Regierung schoss fünf Millionen Pfund hinzu, um die englische Motorradindustrie noch irgendwie zu retten.

Im November 1973 verkündete die Geschäftsführung, dass die Belegschaft um ein Drittel reduziert werden sollte. Die Gewerkschaft reagierte prompt und die Mitarbeiter besetzten das Triumph-Werk für 18 Monate. Sie gründeten die Meriden Cooperative und kauften 1975 die Fabrik und das Recht, die Bonneville weiter zu produzieren, während NVT kurz darauf am Ende war. Die ehemaligen Triumph-Mitarbeiter waren nun Mitbesitzer und entsprechend engagiert. Immerhin konnten sie im Geschäftsjahr 1977 noch 11.931 Motorräder bauen, aber die Schulden stiegen unaufhörlich. Es gab einige Verhandlungen mit anderen Konzernen über Partnerschaften, unter anderem mit Kawasaki und Suzuki, doch am 7. Januar 1983 lief die letzte Triumph in Meriden vom Band, das Werk schloss offiziell am 26. August 1983.

Doch es war nicht das Ende der Marke Triumph. Rettung kam aus völlig unerwarteter Richtung: Der Selfmade-Millionär John Bloor kaufte im Oktober 1983 überraschend den Markennamen Triumph und die Rechte an der Produktion der Bonneville für 150.000 Pfund. John Bloor, Jahrgang 1943, stammt aus einfachen Verhältnissen – sein Vater war Bergmann gewesen – und brach mit 15 Jahren die Schule ab, um Stuckateur zu werden, mit 20 gründete er seine Baufirma, zwei Jahrzehnte später war er Großbritanniens größter, privater Bauunternehmer.

Bloor ist zwar in jungen Jahren Motorrad gefahren, hatte aber ansonsten keinerlei Erfahrungen mit der Zweiradbranche. Deshalb gab es etliche Stimmen, die seinem Vorhaben, Triumph wiederzubeleben, keine Chance einräumten. Doch Bloor war kein Fantast, sondern ein nüchterner Rechner und er ging streng kalkulatorisch vor, wie er es aus der Baubranche gewöhnt war. Bloor leaste zunächst die Rechte an der Bonneville-Produktion an den Händler Les Harris, der bis 1988 "Bonnies" für den britischen Markt baute.

In der Zwischenzeit hatte Bloor ehemalige Triumph-Mitarbeiter engagiert und junge Ingenieure angeworben, um ein Research & Development-Center zu gründen. Er besuchte mit ihnen 1985 die Werke von Yamaha und Kawasaki in Japan, um sich die Produktion dort genau anzusehen, und kaufte Werkzeuge und Maschinen für den Bau von Motorrädern. Bloor investierte in den nächsten Jahren 80 Millionen Pfund aus eigener Tasche für die Errichtung eines Werks in Hinckley.

John Bloor wollte auf keinen Fall den Fehler des alten Triumph-Managements wiederholen, qualitativ schlechte Motorräder zu überhöhten Preisen zu verkaufen, in der Hoffnung, dass der berühmte Name reichen würde. Stuart Wood kam 1987 frisch von der Uni zu Triumph und ist heute Chief Engineer. Er erzählte, dass John Bloor damals vor allem auf Zuverlässigkeit wert gelegt hätte, weil Triumph der Ruf ständig ölender Motoren anhaftete. Deshalb waren die ersten der neuen Triumph-Modelle extrem robust gebaut. Zudem setzte Bloor auf eine kostensparende Plattformstrategie mit einem Motor für diverse Modelle. Er wollte Triumph als kleine, aber qualitativ hochwertige Marke neu starten, allerdings mit der Option, langfristig deutlich zu wachsen.

Das R&D-Team entwickelte einen flüssigkeitsgekühlten 1200er-Reihenvierzylinder mit zwei obenliegenden Nockenwellen. Daraus wurden noch zwei Dreizylindermotoren mit kürzerem Hub abgeleitet. 1987 lief der Vierzylinder zum ersten Mal auf dem Prüfstand, ein Jahr später meldete Bloor die Firma "Triumph Motorcycles" offiziell im Handelsregister an. Im Juni 1990 präsentierte Triumph seine neuen Modelle der Presse, im Oktober konnte die Öffentlichkeit sie auf der IFMA in Köln bestaunen.

120 Jahre Triumph Motorcycle (12 Bilder) [4]

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Mit der Speed Triple T509 trat Triumph den Trend der Streetfighter los. Über ihr radikales Design wurde damals kontrovers diskutiert, heute gilt sie als Kultbike.

Die Palette deckte gleich drei Sparten ab mit den beiden Naked Bikes Trident 900 und Trident 750, den Sportlern Daytona 1000 und Daytona 750 sowie den Tourern Trophy 1200 und 900. Die Fachpresse zeigte sich begeistert: Triumph was back! Die Produktion startete im Februar 1991 und gleich die ersten gebauten Motorräder wurden nach Deutschland exportiert, weil der dortige Markt als besonders qualitätskritisch galt. Die neuen Triumphs schlugen sich wacker und bekamen von den meisten Testern durchweg positive Beurteilungen. 1991 verließen 2414 Motorräder das Werk in Hinckley, doch die Produktionszahlen stiegen rasant, bereits im Juli 1993 konnten stolz 10.000 gebaute Triumph vermeldet werden, die in acht Länder exportiert wurden.

Triumph reagierte rasch auf die Wünsche des Markts, so ersetzten sie nach nur zwei Jahren die 1000er- und 750er-Motoren in der nicht gut verkauften Daytona gegen die 1200er- und 900er Aggregate und brachten 1993 die Tiger 900, die mit ihrem Dreizylindermotor die Reiseenduro-Klasse aufmischen sollte. Noch ein Jahr später debütierte die Speed Triple, die jedoch zunächst ein eher biederes Design bot.

Das änderte sich schlagartig 1997 mit der Speed Triple T509. In englischen Garagen war vor geraumer Zeit die Sparte der Streetfighter aus verunfallten Superbikes entstanden. Triumph hatte den Mut, den Trend aufzugreifen und den ersten serienmäßigen Streetfighter auf die breiten Räder zu stellen. Heute gilt die Speed Triple T509 als Meilenstein, die zahlreiche Konkurrenzmodelle nach sich zog. Bereits zwei Jahre zuvor hatte Triumph mit der Thunderbird, die den 900er-Dreizylinder trug, sein erstes Retro-Bike präsentiert und den Sprung in den US-Markt gewagt. Sie wurde mit über 3000 Stück die meistverkaufte Triumph des Jahres und es half ungemein, dass Berühmtheiten wie Bruce Springsteen sich eine Thunderbird zulegten.

Im Dezember 1999 lief die 100.000 Triumph in Hinckley vom Band und die Modellpalette zeigte sich breit aufgestellt. Doch das erfolgreichste Bike sollte erst 2001 in Gestalt der Bonneville erscheinen. Triumph wollte den legendären Namen nutzen und entwickelte ein Retro-Bike, das sich mit einem nostalgischen Look, bestehend aus einem schwarzem Doppelschleifenrahmen, rundlichem Tank, fetter Sitzbank, Drahtspeichenfelgen, Rundscheinwerfer und Peashooter-Auspuff, eng an das Design der 1950er-Jahre anlehnte.

Für die neue Bonneville hatte Triumph einen luftgekühlten Reihenzweizylinder mit 790 cm3 Hubraum und 60 PS entwickelt, der mit seinen Kühlrippen, den geschwungenen Krümmern und viel Chrom dem historischen Vorbild sehr ähnelte. Doch sie sollte nicht wie ihre Vorfahrin Geschwindigkeitsrekorden nachjagen, sondern leicht und agil für unbeschwertes Kurvenvergnügen sorgen. Triumph baute die Modern-Classic-Baureihe neben der Bonneville mit der Scrambler, Speedmaster und Thruxton kontinuierlich aus und wurde zur meistverkauften Modellreihe der Marke.

Eine Zäsur erlebte Triumph am 15. März 2002, als das Werk in Hinckley abbrannte. Doch John Bloor nahm den herben Schicksalsschlag gelassen hin, getreu dem englischen Motto "Keep calm und carry on". Der Bautycoon ließ er innerhalb eines Jahres ein neues Werk direkt neben dem alten errichten und im April 2003 lief die Produktion wieder an. Gleichzeitig eröffnete Triumph sein erstes Werk in Thailand, zunächst um dort Komponenten wie Tanks und Rahmen zu fertigen, die dann nach England verschifft wurden.

Heute entstehen fast alle Triumphs aus Kostengründen in den drei thailändischen Werken mit 1200 Mitarbeitern. Die Entwicklungsabteilung hatte nach dem Brand fleißig weitergearbeitet und so konnte 2004 die gigantische Rocket III präsentiert werden. Mit 2294 cm3 Hubraum verteilt auf drei Zylinder hatte sie den größten Serienmotor und mit satten 221 Nm das höchste Drehmoment auf dem Motorradmarkt.

Ein ganz großer Wurf gelang Triumph mit dem 675-cm3-Dreizylindermotor, der den etwas unglücklichen 600er-Reihenvierzylinder ablöste. Sein Debut feierte der Triple 2006 in der atemberaubenden Daytona 675, die mit 123 PS der japanischen Vierzylinder-Konkurrenz ebenbürtig war, sie zum Teil sogar deklassierte. Nur ein Jahr später folgte das Naked Bike Street Triple 675, das sich dank extremer Agilität rasch zum Erfolgsmodell mauserte.

2011 kam es bei Triumph Motorcycles zu einem Generationenwechsel: John Bloor, mittlerweile 67  Jahr alt, übergab die Leitung an seinen Sohn Nick. Der Filius war bereits 1998 als Entwicklungsingenieur in die Firma eingetreten und hatte alle Abteilungen der Marke durchlaufen. Der neue CEO erwies sich rasch als würdiger Nachfolger, denn im Gegensatz zu seinem öffentlichkeitsscheuen Vater, zeigte sich Nick als medienkompatibel.

Seine offene Art trug ihm viele Sympathien ein und er genießt bis heute unter den Mitarbeitern ein gutes Standing. John Bloor wurde 1995 von der Queen mit dem Order of the British Empire ausgezeichnet und sein Vermögen soll sich inzwischen auf über eine Milliarde Pfund belaufen. Der Mann, der sich in den letzten vier Jahrzehnten am meisten um die englische Motorradindustrie verdient gemacht hat, ist selber aus gesundheitlichen Gründen seit seiner Jugendzeit nicht mehr Motorrad gefahren.

Mit der Tiger 800 wollte Triumph 2011 in der populären Reiseenduro-Klasse durchstarten. Der Verkaufserfolg der schicken Dreizylinder-Enduro ließ nicht auf sich warten, zumal Triumph so clever war, sie in zwei Versionen anzubieten: Zum einen für den überwiegenden Asphalteinsatz mit Gussfelgen und 19-Zoll-Vorderrad, zum anderen für Offroad-Fans als 800 XC mit Drahtspeichenfelgen, 21-Zoll-Vorderrad und längeren Federwegen. Wie gelungen das Konzept war, beweist die Tatsache, dass die Tiger 800 erst nach neun Jahren von der Tiger 900 abgelöst wurde. Richtig in die Vollen ging Triumph 2014 mit der Tiger Explorer [6], die einen komplett neuen Dreizylindermotor trug, der aus 1215 cm3 satte 137 PS und 121 Nm holte. Auch hier folgten die Engländer der Zwei-Varianten-Strategie mit Guss- und Drahtspeichenrädern.

Im Oktober 2015 verkündete Nick Bloor auf der "Global Dealer Conference" vor den versammelten 700 Händlern, der Marke ein schärferes Profil verleihen zu wollen. Gleich mehrere Modelle steckten dafür in der Pipeline. 2016 löste Triumph die luftgekühlte Modern-Classics-Baureihe durch wassergekühlte Reihenzweizylindermotoren mit 1200 und 900 cm3 ab. Zur Erleichterung der Fans bauten die Wasserkühler so schmal, dass sie zwischen den beiden vorderen Rahmenrohren kaum auffielen und die Retro-Bikes kaum an Authentizität verloren.

Die Zweizylinder zeigten sich jetzt wesentlich durchzugsstärker als bisher und das Design der sukzessiv präsentierten Modelle Bonneville, Thruxton, Bobber (Test) [7], Scrambler (Test) [8] und Speed Twin (Test) [9] mit 1200er-Motoren sowie die Street Twin und Street Scrambler mit 900 cm3 war ausgesprochen gelungen. 2017 folgte die Street Triple (Test) [10] mit 765 cm3. Der Dreizylinder leistete bis zu 123 PS und war so überzeugend, dass die FIM ihn ab 2019 zum offiziellen Moto2-Motor machte. So kehrte Triumph nach der Einstellung des Supersportlers Daytona 675 im Jahr 2017 nach zwei Jahren wieder in den Rennsport zurück.

Einen ganz großen Wurf verzeichnete Triumph 2021 mit dem neuen 1160-cm3-Dreizylindermotor, der nach 16 Jahren den 1050-cm3-Drilling ablöste. In der komplett neuen Speed Triple 1200 RS leistete er eindrucksvolle 180 PS und hob das Kultbike auf ein neues Level, die kurz darauf folgende Speed Triple 1200 RR mit einer Halbschalenverkleidung und Stummellenker gehört zweifelsohne zu den schönsten Triumphs aller Zeiten. So war abzusehen, dass die neue Tiger 1200 ebenfalls von dem brachialen Motor profitierte, wenn auch mit Kardanantrieb und auf 150 PS reduzierte Spitzenleistung. Nach unten runden kurz darauf die Trident 660 und Tiger Sport 660 das Modellprogramm ab, wobei die Trident 660 bereits in ihrem Debutjahr 2021 zur meistverkauften Triumph wurde.

Im Januar 2022 verkündete Nick Bloor voller Stolz, dass Triumph eine Million Motorräder seit 1990 produziert hatte. Noch zwei weitere Rekorde sorgten in Hinckley für Partystimmung: im Geschäftsjahr 2020/2021 wurden 76.000 Triumph gebaut und 650 Millionen Pfund umgesetzt. Doch die Marke ruht sich nicht auf ihren Lorbeeren aus, sondern hat große Pläne für die Zukunft mit deutlich steigenden Produktionszahlen. Möglich wird das durch die seit Januar 2020 bestehende Kooperation mit Bajaj, einem der größten Motorradhersteller der Welt, um in Indien Einzylindermotorräder mit Hubräumen vermutlich zwischen 350 und 500 cm3 zu bauen, die weltweit vertrieben werden sollen.

Außerdem sollen wieder rund 10.000 Motorräder jährlich im Werk Hinckley gebaut werden, wo zuletzt nur noch die wenigen, exklusiven TFC-Modelle entstanden waren. Zudem hatte Triumph im Juli 2021 überraschend bekannt gegeben, zukünftig Motocrosser und Sportenduros zu bauen. Für die Entwicklung haben sie sich die Hilfe von keinen Geringeren als dem Rekord-Supercross-Champion Ricky Carmichael und dem vierfachen Enduro-Weltmeister Ivan Cervantes gesichert. Ab 2024 wird Triumph an der Motocross-WM teilnehmen. Für einen weiteren Paukenschlag sorgte die Entwicklung des Elektromotorrads TE-1. Es wurde zusammen mit Williams Advanced Engineering (bekannt aus der Formel 1) und Integral Powertrain entwickelt. Der fahrbereite Prototyp TE-1 sieht der Speed Triple erstaunlich ähnlich. Auch wenn die TE-1 nicht in Serie gehen soll, dient sie als Basis für zukünftige kleinere Elektromodelle.

Egal, was Triumph in Zukunft noch bringen mag, es wird die lange Tradition würdig fortsetzen. Auch wenn die Marke in den letzten 120 Jahren durch alle Höhen und Tiefen gegangen ist, genießt sie einen weltweiten Bekanntheitsgrad. Unter der geschickten Führung der Bloor-Familie konnte sie sich wieder als feste Größe am Markt etablieren und wächst beständig.

(fpi [11])


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[7] https://www.heise.de/autos/artikel/Triumph-Bonneville-Bobber-Test-3655023.html
[8] https://www.heise.de/autos/artikel/Fahrbericht-Triumph-Scrambler-1200-XE-4460236.html
[9] https://www.heise.de/autos/artikel/Fahrbericht-Triumph-Speed-Twin-4347485.html
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