120 Jahre Triumph Motorcycle: Der britische Riese

Die zweitälteste Motorradmarke produziert ununterbrochen seit 120 Jahren. Heute gilt Triumph als eine der bekanntesten Motorradmarken und wächst beständig.

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Triumph

(Bild: Triumph)

Lesezeit: 27 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Triumph ist stolz darauf, die zweitälteste Motorradmarke der Welt zu sein, die immer noch produziert. Der englische Hersteller feiert dieses Jahr sein 120. Jubiläum und die lange Historie ist so spannend wie seine Modelle. Ausgerechnet ein Deutscher gründete die Marke, die vielen als Inbegriff des englischen Motorrads gilt. Der in Nürnberg geborene Siegfried Bettmann siedelte 1883 als Zwanzigjähriger nach England über. Der sprachbegabte junge Mann arbeitete zunächst als Übersetzer und Verkäufer, gründete aber schon drei Jahre später zusammen mit dem deutschen Ingenieur Mauritz Schulte seine eigene Fahrradproduktion, die Triumph Cycle Company.

Zur Jahrhundertwende waren sich die beiden Firmenbesitzer einig, dass dem Motorrad die Zukunft gehörte und bauten 1901 einen Prototyp. Diese allererste Triumph galt lange als verschollen und wurde erst 2020 von dem renommierten Sammler Dick Shepard in Irland wiederentdeckt und aufwendig renoviert. Heute steht sie im Werksmuseum in Hinckley. Für die Triumph Nr. 1 modifizierten Bettmann und Schulte eines ihrer Fahrräder und bauten einen belgischen Minerva-Motor ein. Der Einzylinder hatte 172 cm3 und leistete 0,75 PS. Das Motorrad verfügte zwar noch über Pedale mit einer Kette zur Hinterradnabe, aber auch über einen Lederriemen, der die Kraft des Motors auf einen Ring am Hinterrad übertrug.

Die Arbeitsteilung zwischen den beiden Triumph-Gründern war klar definiert: Bettmann kümmerte sich um den Verkauf und Schulte um die Entwicklung. Im April 1902 startete die Serienproduktion von Triumph Motorcycles in Coventry. Das erste offizielle Triumphmodell hatte 211 cm3 Hubraum und leistete 2,5 PS. In der Motorrad-Pionierzeit bezogen viele Hersteller Motoren von anderen Marken, so verwendete Triumph 1904 einen deutschen Fafnir-Einzylinder mit 376 cm3. Den ersten eigenen Motor baute Schulte aber noch im selben Jahr, er kam auf 363 cm3 mit einem quadratischen Bohrung-Hub-Verhältnis von 76 Millimetern. Das Modell wurde wegen seiner drei PS "3HP" getauft, wog nur 57 Kilogramm und genoss einen guten Ruf wegen seiner Zuverlässigkeit, was damals ein ausschlaggebender Kaufgrund war.

1907 fand die erste Tourist Trophy auf der Isle of Man statt und Triumph belegte den zweiten Platz, während ihre Jahresproduktion auf über tausend Motorräder stieg. Die Road Races erfreuten sich großer Beliebtheit und so war der erste Sieg für Triumph bei der TT Isle of Man 1908 mit einem 453-cm3-Viertakt-Motorrad mit zwei Gängen enorm wichtig. Das Modellprogramm erweiterte sich stetig, 1913 erschien ein günstiger 225-cm3-Zweitakter mit dem Namen Junior und der erste Zweizylinder mit 613 cm3 befand sich in der Entwicklung.

Die Stadt Coventry hatte den gebürtigen Deutschen Bettmann, der inzwischen die britische Staatsbürgerschaft besaß, längst als einen der ihren akzeptiert und wählte ihn 1913 sogar zum Bürgermeister. Beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 erhielt Triumph vom Militär den Auftrag, 30.000 Motorräder zu liefern. Das Model H mit 550 cm3 wurde somit zur meistverkauften Triumph seiner Zeit.

Nach dem Krieg wollte Bettmann unbedingt in den Automobilbau einsteigen, was jedoch bei Schulte auf wenig Gegenliebe stieß. So verließ der Ingenieur 1919 die Firma und wurde durch den späteren Diesel-Pionier Harry Ricardo ersetzt. Der neue Chefingenieur begab sich mit Feuereifer an die Arbeit und entwickelte 1921 das Modell R "Riccy" mit einem Vierventil-Zylinderkopf, 20 PS, drei Gängen, Hinterradfederung und neuem Rahmen. Sie erreichte sagenhafte 120 km/h und war damit das schnellste Serienmotorrad. Im Jahr darauf stellte ein speziell präpariertes Modell R gleich drei Geschwindigkeitsweltrekorde auf. Das erste Auto von Triumph, das Modell 10/20, erschien 1923 mit einem 1393-cm3-Vierzylindermotor, war jedoch im Gegensatz zu den Triumph-Motorrädern nicht vom Erfolg verwöhnt.

Das Modell P mit 494 cm3 mauserte sich ab 1925 zum Bestseller auf dem Motorradmarkt, dank seines extrem niedrigen Preises verkaufte Triumph über eintausend Stück pro Woche. Die Firma beschäftigte inzwischen rund 3000 Mitarbeiter in Coventry, die etwa 30.000 Motorräder im Jahr fertigten. Doch die Weltwirtschaftskrise 1929 brachte die Marke in finanzielle Schwierigkeiten, besonders der bis dahin florierende Verkauf in den USA brach ein.

Die Autosparte wurde daraufhin ebenso wie die Tochterfirma TWN, die in Nürnberg Triumph-Motorräder baute, abgespalten. Selbst die ab 1932 deutlich erweiterte Modellpalette mit 250er-, 350er- und 500er-Einzylinder-Maschinen sowie der 647er-Paralleltwin 6/1 konnte die Insolvenz nicht mehr abwenden. Anfang 1936 erklärte Bettmann, inzwischen 72 Jahre alt, Triumph Motorcycle für zahlungsunfähig. Er wollte nur noch die Autosparte weiterführen.

Als Jack Sangster, Besitzer der Marke Ariel, davon erfuhr, kaufte er Triumph Motorcycle umgehend für 50.000 Britische Pfund und benannte sie in Triumph Engineering Co Ltd. um. Sangster holte den begabten Ingenieur Edward Turner von Ariel zu Triumph als Geschäftsführer und Chef-Entwickler. Es sollte sich als eine kluge Entscheidung herausstellen, denn Turner prägte die folgenden 28 Jahre der Marke Triumph und führte sie zu neuem Erfolg.

Ein Ansporn für Turner war sicher, dass er fünf Prozent des Nettogewinns als Gehalt bekam. Als erstes modernisierte er die Tiger-Modellreihe und entwickelte einen Zweizylinder, der 1938 in die 5T Speed Twin mündete. Das Modell mit dem 28 PS starken 498-cm3-Paralleltwin bildete die Basis für die nächsten drei Jahrzehnte. Die 5T Speed Twin stellte einige Geschwindigkeitsrekorde auf und erwies sich dazu noch als zuverlässig.

Nur ein Jahr später präsentierte Triumph die attraktive T100 Tiger, die zwar den gleichen Motor wie die Speed Twin trug, aber dank Überarbeitung 34 PS leistete und einen stabileren Rahmen besaß. Sie erfreute sich auf Anhieb großer Beliebtheit, doch durch den Zweiten Weltkrieg musste die Auslieferung an private Käufer gestoppt werden, stattdessen entstanden tausende Maschinen für das Militär. Zu allem Unglück wurde das Werk 1940 von deutschen Fliegerbomben zerstört, doch keine zwei Jahre später lief die Produktion in einer rasch hochgezogenen Fabrik im nahen Meriden wieder an.

Nach dem Krieg knüpfte Triumph mit den beiden bekannten 500er-Modellen und der 1947 erschienenen 3T mit einem 350er-Motor wieder an alte Erfolge an. Die Verkaufszahlen stiegen rasch, denn Motorräder wurden weltweit als günstiges Transportmittel gebraucht und Triumph genoss vor allem wegen seiner vielen Rennsiege einen exzellenten Ruf. Für die damals sehr populäre "International Six Days Trial" (ISDT) baute die englische Marke 1949 eine leichtere Version der T5 mit einem kürzeren Rahmen, mehr Bodenfreiheit und hochgelegtem Auspuff. Die TR5 war das erste "Dual Purpose"-Motorrad für den Einsatz auf der Straße und im Gelände, heute würden wir sie als Scrambler bezeichnen. Tatsächlich prägte das Modell den Geländesport in der folgenden Dekade.

Die USA waren der größte Absatzmarkt für Triumph, doch es gestaltete sich schwierig, gegen die großen Motoren von Harley-Davidson und Indian anzutreten. Der Ruf aus Amerika nach mehr Hubraum verhallte nicht ungehört in Meriden. Turner stockte 1950 den 500er-Twin auf 649 cm3 auf und taufte das neue Bike "Thunderbird". Unerwartete Schützenhilfe kam aus Hollywood: 1953 fuhr Marlon Brando auf einer 6T Thunderbird 650 durch den Film "The Wild One".

120 Jahre Triumph Motorcycle (13 Bilder)

Das allererste Motorrad von Triumph entstand 1901 – ein Jahr vor dem offiziellen Serienstart im Motorradbau. Siegfried Bettmann und Mauritz Schulte setzten einen Minerva-Motor in eines ihrer Fahrräder.

Dabei hatte der amerikanische Triumph-Importeur Bill Johnson im Vorfeld noch zu verhindern versucht, dass der Markenname auf dem Tank des Filmmotorrads zu sehen war. Er befürchtete Umsatzeinbußen, weil Motorräder in den frühen 1950er-Jahren als Synonym für kriminelle Banden galten, doch stattdessen wurde die Thunderbird den US-Dealern wegen des Kultfilms aus den Händen gerissen.

Am 23. September 1951 erreicht die Belegschaft von Triumph die traurige Nachricht, dass der Firmengründer Siegfried Bettmann im Alter von 88 Jahren verstorben war, er hatte die letzten zwölf Jahre seines Lebens zurückgezogen auf seinem Anwesen in Coventry verbracht. Sechs Monate zuvor hatte Sangster Triumph an BSA für eine viertel Million Pfund verkauft, blieb aber im Aufsichtsrat und Turner weiterhin Geschäftsführer.

Turner war bewusst, dass die großen Triumphs relativ teuer waren und so präsentierte er 1953 die kleinen und günstigeren Modelle T15 Terrier 150 mit 8 PS und T20 Tiger Cub 200 mit 10 PS. Weil es bei den ersten ausgelieferten Exemplaren einige Probleme gab, entschied sich Turner zu beweisen, wie zuverlässig die neue Terrier war und fuhr sie persönlich medienwirksam über 1600 Kilometer ohne Panne von Land’s End in Cornwall nach John O’Groats in Schottland.

Ab 1954 bildete die T110 Tiger 650 mit 42 PS die sportliche Speerspitze des Konzerns, doch eine 6T Thunderbird sollte für die weltweite Sensation sorgen. Die US-Amerikaner J. H. Mangham und Jack Wilson bauten in ein stromlinienförmiges Chassis einen gründlich überarbeiteten Thunderbird-Motor, der rund 100 PS leistete. Auf dem berühmten Salzsee bei Bonneville stellte der unerschrockene Fahrer Johnny Allen damit 1956 einen neuen Weltrekord für Motorräder auf: 214,4 Meilen pro Stunde (345,04 km/h).

Die Reputation der Marke stieg gewaltig und Turner ließ danach auf jeder Triumph eine Plakette anbringen: "World Motorcycle Speed Record Holder". Er schlug ab 1959 aus dem Weltrekord Kapital und benannte das neue Modell T120 Bonneville. Eigentlich war es eine modifizierte T110 Tiger und das erste Baujahr in der von Turner persönlich ausgesuchten Farbgebung himmelblau/orange fand kaum Käufer – heute gehört die erste Bonnie in genau der Lackierung zu den gesuchtesten Triumphs. Erst die T120 R Bonneville mit 50 PS und diversen Modifikationen konnte die Kundschaft zwei Jahre später überzeugen.

Doch 1954 kam es durch die Suez-Krise zu einem dramatischen wirtschaftlichen Einbruch in Großbritannien. Als Folge wurden die drei Marken Triumph, BSA und Ariel zusammengelegt und Edward Turner stieg zu einem der mächtigsten Männer der Motorradindustrie auf. Er reagierte auf die Krise mit der erfolgreichen Scrambler TR6 Trophy 650, die erneut durch einen Hollywood-Star Berühmtheit erlangte. Steve McQueen pilotierte sie 1963 in dem Blockbuster "The Great Escape", allerdings führte die Stunts sein Kumpel und Offroad-Profi Bud Eskins aus. Aber bei den Six Days 1964 startete der Racing-Fan McQueen selber auf einer TR6SC Trophy 650 und überzeugte das fachkundige Publikum von seinem Können und dem Motorrad.

In den 1960er-Jahren gingen die Motorradverkäufe in Europa drastisch zurück, die Leute wollten lieber Autos fahren. Turner versuchte sich auf das US-Geschäft zu konzentrieren und beobachtete mit großer Sorge die wachsende japanische Konkurrenz. Er flog sogar nach Japan, um sich ein genaues Bild der dortigen Hersteller zu machen und war geschockt, als er hochmoderne Werke und Motorräder feinster Qualität vorfand, jedoch zu dem Zeitpunkt mit Hubräumen unterhalb von 300 cm3. Zuhause verkündete er deshalb, dass die Japaner es nicht schaffen würden, den großen, englischen Motorrädern das Wasser zu reichen, obwohl die Siege von Honda und Suzuki ab 1961 bei der TT Isle of Man das Gegenteil bewiesen. Es war der Anfang vom Ende für die englische Motorradindustrie.

Jack Sangster hatte sich 1961 aus Altersgründen von seinem Aufsichtsratsposten der BSA-Group, zu der auch Triumph gehörte, zurückgezogen und Eric Turner (nicht verwandt mit Edward Turner) zum Nachfolger ernannt. Es folgten in den nächsten Jahren etliche krasse Fehlentscheidungen, denn das Management glaubte auf Innovationen verzichten zu können und setze darauf, dass die Kunden auch weiterhin veraltete Technik kaufen würden.

Als der 63jährige Edward Turner 1964 seinen Posten als Geschäftsführer räumte, übernahm Harry Sturgeon seinen Job und wollte unbedingt die Produktion auf 2000 Motorräder pro Monat verdoppeln. Das verschlechterte die Qualität und machte eine Aufstockung der Mitarbeiterzahl in Meriden notwendig, was die Kosten in die Höhe schraubte. Gleichzeitig investierte Triumph intensiv in den Rennsport, um so den Verkauf anzukurbeln, verbrannte aber auch hier viel Geld. Sturgeon verstarb 1967 plötzlich und wurde durch Lionel Jofeh ersetzt, der die Verschmelzung von Triumph- und BSA-Modellen noch weiter vorantrieb.

1968 läutete Honda mit der CB 750 Four eine neue Ära in der Motorradgeschichte ein. Der erste Reihenvierzylinder in Großserie leistete 67 PS und erreichte 200 km/h, zudem erwies er sich bei Rennen nicht nur als überlegen, sondern auch als zuverlässig. Die im selben Jahr präsentierte Triumph T150 Trident 750 brachte es gerade Mal auf 58 PS und kostete auch noch mehr als die Honda. Obwohl ihr Dreizylinder eigentlich nur der alte Tiger-Twin-Motor mit einem zusätzlichen Zylinder war, litt das neue Modell unter Kinderkrankheiten.