25 Jahre "Fallout​": Galgenhumor im Ödland

Seite 2: Das erste echte "Fallout"

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Man wird sich mit EA wohl nicht über die Namensrechte einig. Interplay entscheidet sich, einen "Wasteland"-Nachfolger unabhängig von EA zu entwickeln und zu veröffentlichten – mit dem Namen "Fallout". Passend dazu hat man bereits die Rollenspiel-Abteilung als Black Isle Studios ausgelagert.

Es spielt im Jahr 2161, statt einer Gruppe steuert man nur eine Spielfigur. Sie ist ausgestattet mit einem Handgelenk-Computer, dem PIP-Boy, der zu einem der bekanntesten Spiele-Gadgets wird und es sogar zu einem Wikipedia-Eintrag schafft. Er symbolisiert das Retro-Design: Zukunftstechnik im Gewand der Kultur der Fünfzigerjahre.

Den ersten "Fallout"-Teil kann man bis zum 18. Oktober auf Steam für 2,50 Euro kaufen.

(Bild: Bethesda)

2052 beginnt im "Fallout"-Universum ein zermürbender Krieg um Rohstoffe zwischen den USA und China. Er mündet 25 Jahre später in einer nuklearen Katastrophe. Was an der Oberfläche bleibt, stirbt oder mutiert. Die Erde verödet. Nur wenige Menschen finden Schutz in unterirdischen Bunkern, den Vaults. Sie verbünden sich in Stämmen und Clans und müssen mit der Gewalt untereinander und mit Bedrohungen von außen zurechtkommen.

So bekommt der Held am Anfang des Spiels nicht die Aufgabe, eine Prinzessin zu retten, sondern einen Ersatz für den Steuerchip der Wasseraufbereitungsanlage eines Bunkers zu beschaffen. Wie bei "Wasteland" durchstreift man in Echtzeit die Welt, während die Kämpfe rundenbasiert sind.

Zunächst lizensiert Interplay das GURPS-Regelwerk von Steve Jackson. Dem Vernehmen nach findet er das Spiel aber zu brutal und bricht die Vereinbarung. So entwickelt Interplay ein eigenes System SPECIAL, die Abkürzung für Strength (Stärke), Perception (Wahrnehmung), Endurance (Ausdauer), Charisma, Intelligence (Intelligenz), Agility (Beweglichkeit) und Luck (Glück).

"Fallout" ist komplex, klug, kritisch, düster – aber auch humorvoll. Als Sprecher kann man Schauspieler wie Ron Perlman und Richard Dean Anderson gewinnen. Dabei ist das Spiel nicht zimperlich. Bereits im Intro sieht man eine Hinrichtung per Kopfschuss und selbst Kinder können erschossen werden. Das wird in der europäischen Version entfernt. Die deutsche ist noch viel kräftiger zensiert, um eine Freigabe ab 16 zu erhalten.

Das Spiel kommt gut an, wird aber kein Bestseller. Bereits ein Jahr später, 1998, erscheint "Fallout 2". Es bietet einen deutlich größeren Umfang, leidet aber unter zahlreichen Fehlern, die erst nach und nach und zum Teil mit Hilfe der Community ausgebessert werden.

Im Laufe der Jahre gerät Interplay immer mehr in Schwierigkeiten. Man veröffentlicht zahllose gute Titel und hat als Publisher junger Studios wie Parallax, Bioware und Blizzard mit ihren Spielen wie "Descent", "Baldur's Gate" und "Warcraft" ein glückliches Händchen. Doch viele Spiele verkaufen sich weit weniger gut als gedacht. Manche, wie das verkopfte "Of Light and Darkness – The Prophecy", werden regelrechte Flops. Auch die Übernahme von Shiny ("MDK") rechnet sich nicht. Zudem gelingt es Interplay nicht, Fuß auf dem lukrativen Konsolen-Markt zu schaffen.

Der französische Publisher Titus erwirbt bis 2001 Mehrheitsanteile von Interplay; übernimmt sich aber damit ebenfalls und muss nur einige Jahre später überschuldet schließen. Nach den ersten beiden Fallout-Teilen lässt Interplay vom australischen Studio Micro Forté einen Ableger entwickeln: "Fallout Tactics" (2001); eher bekannt unter dem englischen Untertitel "Brotherhood of Steel" als unter dem deutschen "Die stählerne Bruderschaft". Er konzentriert sich auf die Kampf-Elemente und ist weniger Rollenspiel und mehr Taktik und Strategie. Viele Spieler haben sich auf einen "richtigen" Nachfolger gefreut und sind enttäuscht, nur einen Teil zu erhalten.

"Fallout Tactics" wurde vom australischen Studio Micro Forté entwickelt.

(Bild: Bethesda)

2004 erscheint das erste Konsolen-Spiel, für Playstation 2 und Xbox, entwickelt von Interplay direkt: "Fallout – Brotherhood of Steel". Der fast gleiche Titel (der nicht eingedeutscht wird) ist etwas unglücklich, denn wieder geht es in eine andere Richtung: Das Action-Rollenspiel basiert auf der Engine von "Baldur's Gate – Dark Alliance", einem einfachen, aber unterhaltsamen Hack'n'Slay-Abenteuer. Damit ähnelt es auch "Champions of Norrath" (das im "Everquest"-Universum handelt). Alle drei Spiele versuchen erfolgreich, komplexe Rollenspiele auf die Pad-Steuerung einer Konsole herunterzubrechen.

Nach "Icewind Dale 2" arbeitet Black Isle an "Fallout 3". Als Interplay in immer größere Schwierigkeiten gerät, muss das Studio schließen, und Stück für Stück wird das Tafelsilber verkauft. Shiny etwa geht an Infogrames; die Lizenz für "Fallout" geht an Bethesda Softworks. Eine Zeitlang werkelt Interplay dank einer speziellen Vereinbarung mit Bethesda noch an "Fallout Online", doch das Vorhaben wird im Zuge der kompletten Übernahme der Rechte an der Serie 2012 eingestellt.

Bethesda beginnt mit "Fallout 3" von Grund auf neu, mit einem Team, das sonst an der Rollenspiel-Serie "The Elder Scrolls" arbeitet. Statt des bisherigen Taktik-Rollenspiels aus Iso-Sicht (also von schräg oben) entsteht ein Ego-Shooter in der Art von "Half-Life 2" mit Rollenspiel-Elementen, der auch für Konsolen taugt. Das Experiment gelingt. Das Spiel gewinnt etliche Preise; ein Marktforscher schätzt, dass es sich mehr als 12 Millionen Mal verkauft.

Zwei Jahre später veröffentlicht Bethesda 2010 "Fallout – New Vegas", entwickelt von Obsidian Entertainment. Es ist kein Nachfolger und kein Add-on, sondern eher ein Ableger. Der eigentliche Nachfolger "Fallout 4" kommt erst 2015. Bereits am Tag der Veröffentlichung wird er 12 Millionen Mal ausgeliefert. Seit 2018 gibt es das Online-Spiel "Fallout 76". Es startet holprig, wird aber fortlaufend verbessert und zieht mittlerweile mehr als 13 Millionen aktive Spielerinnen und Spieler an.