25 Jahre "System Shock 2": Look at you, hacker!​

Vor genau 25 Jahren erschien ein Computerspiel, das die Bedeutung des Wortes "Atmosphäre" ganz neu definierte: "System Shock 2".​

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Artwork zeigt KI Shodan aus System Shock 2

"System Shock 2" kam am 11. August 1999 in den Handel.

(Bild: Irrational Games)

Lesezeit: 16 Min.
Von
  • Paul Kautz
Inhaltsverzeichnis

"Look at you, hacker. A pathetic creature of meat and bone, panting and sweating as you run through my corridors. How can you challenge a perfect, immortal machine?" Es gibt nur wenige Sätze in der Welt der Computer- und Videospiele, die ikonischer sind als diese hier. Die ganze kalte Verachtung einer arroganten, hyperintelligenten KI gegenüber einer minderwertigen Spezies wie dem Menschen, zusammengefasst in 28 perfekt gewählten Wörtern. Sensationell!

Das war nicht nur viele Jahre lang mein Klingelton, sondern auch der Satz, den einem Shodan ("Sentient Hyper-Optimized Data Access Network") im Installationsprogramm des 1994er "System Shock" entgegenschleuderte. Ein Klassiker, entwickelt von den Looking Glass Studios, vertrieben von Origin Systems, der Kernelemente von Ego-Shootern und Rollenspielen zu einer unwiderstehlichen Mischung verschmolz und damit eine Traumwertung nach der anderen abräumte.

Einige Monate nach der Erstveröffentlichung folgte ein Update in Form der CD-Version, das nicht nur SVGA-Grafik bot (also eine Auflösung von 640x480 Bildpunkten bei 256 Farben), sondern vor allem auch durchgehende englische Sprachausgabe – was als Atmosphärenbonus so exzellent war, dass die Magazine in den Nachtests nochmal ein paar Zähler draufpackten. Oder anders ausgedrückt: "System Shock", legte die Messlatte für das Genre des "Thinking Man’s Shooter" direkt mal verdammt weit hoch. Nicht die einfachsten Voraussetzungen für das junge, unerfahrene Team, das mit der Entwicklung des Nachfolgers beauftragt wurde.

Die Firma Irrational Games wurde im Jahr 1997 von den drei ehemaligen Looking-Glass-Mitarbeitern Ken Levine, Jonathan Chey und Robert Fermier gegründet. Diese drei hatten, und da scheint der Name seinen Ursprung zu haben, die irrationale Idee, mal ein Spiel zu entwickeln, das nicht nur von Kritikern geliebt wurde, sondern sich auch gut verkaufen würde – anders als die meisten Spiele von Looking Glass.

"System Shock 2" wird 25 (12 Bilder)

Nach der Einführung erwacht man an Bord der Von Braun, allein und ahnungslos. Oder doch nicht so allein, wie sich schnell herausstellt.​ (Bild: heise online)

Die Ursprungsidee trug den Namen "Junction Point" und basierte im Großen und Ganzen auf Joseph Conrads Literaturklassiker "Heart of Darkness" aus dem Jahr 1899: Ein Militärkommandant ist durchgedreht, der Spieler hat die Aufgabe, ihn zu finden und zu töten. Mit diesem Pitch wurden sie bei mehreren Publishern vorstellig, unter anderem Electronic Arts. Diese Firma besaß die Rechte an der "System Shock"-Reihe und schlug den Dreien vor, aus ihrem Vorschlag doch einfach ein offizielles Sequel zu machen.

Grundsätzlich eine ganz wunderbare Idee, die nur das Problem hatte, dass von den drei Gründern bislang nur Jonathan Chey ein fertiges Spiel in den Läden stehen hatte – die anderen beiden waren noch sehr grün hinter den Ohren. Und dann gleich so ein Mammutprojekt? Das konnte das kleine Team allein nicht stemmen.

Die Lösung des Problems war, dass Irrational Games für "System Shock 2" mit der Firma zusammenarbeiten würde, der sie erst kurz zuvor den Rücken gekehrt hatten: Looking Glass Studios. Denn die hatten nicht nur die Erfahrung mit dem Originalspiel, sondern arbeiteten auch gerade mit Hochdruck an dem Grafiksystem für ihren in Entwicklung befindlichen Schleich-Shooter "Thief: The Dark Project" (erschien Ende 1998, hieß bei uns "Dark Project: Der Meisterdieb"), das Irrational Games für "System Shock 2" nutzen sollte: die "Dark Engine".

Dass die Engine zu Beginn der Arbeiten an "System Shock 2" noch mitten in der Entwicklung war, hatte laut einem Postmortem von Chefprogrammierer Jonathan Chey sowohl Vor- als auch Nachteile. Der größte Nachteil war natürlich, dass sich das Team nie darauf verlassen konnte, dass alles so funktioniert, wie man sich das vorstellt. Features änderten sich von einem Tag auf den anderen. Dinge, die gestern noch funktionierten, brachten das Spiel heute auf einmal zum Absturz.

Gleichzeitig war der größte Vorteil, dass Irrational Games durch die enge Zusammenarbeit mit Looking Glass nicht nur Einfluss auf den generellen Aufbau des Grafiksystems nehmen konnte, sondern auch die Möglichkeit hatte, für das Spiel maßgeschneiderte Erweiterungen selbst zu entwickeln und in die Engine zu integrieren.